Columba heißt ein Sternbild am Südhimmel, was auf lateinisch „ Taube” bedeutet. Seit 2011 weiß man, dass in dem „himmlischen Vogel” ein erstaunliches Objekt zu besichtigen ist: „Was diesen Stern so ungewöhnlich macht, ist, dass er immer noch von seiner Schwerkraft zusammengezogen wird”, erklärt Adric Riedel von der Georgia State University in Atlanta, der zusammen mit Kollegen über AP Columbae in der Fachpresse berichtete. Anders als unsere Sonne erzeugt er sein Licht nicht nur im Zentrum, wo er Wasserstoff zu Helium fusioniert. Seine Energieproduktion findet auch in den äußeren Schichten statt, wo Gas und Staub auf ihn einstürzen.
Ursprünglich hatten die kosmischen Nachbarschaftsforscher „AP Col” als potenziell nahen Stern mit einem mutmaßlichen Abstand von rund 15 Lichtjahren eingestuft. „Wir begannen 2004 mit den Beobachtungen, weil AP Col nach anfänglichen Schätzungen zu den nächsten Sternen gehörte”, erinnert sich Todd Henry, der Leiter des Teams. Es dauerte ein paar Jahre, bis der Abstand genau genug gemessen war: Mit 27 Lichtjahren war er fast doppelt so groß wie erwartet, und der Stern landete lediglich auf Platz 167. Angesichts der Dimensionen der Milchstraße – Durchmesser: ungefähr 100 000 Lichtjahre – kann ein 27 Lichtjahre entfernter Stern aber getrost als Nachbar bezeichnet werden. Was AP Col besonders interessant macht: Er ist extrem jung. Er entstand erst vor 40 Millionen Jahren, als die Dinosaurier schon lange ausgestorben waren. Der Nachwuchsstern hat kaum 0,9 Prozent des Alters unsere Sonne (4,567 Milliarden Jahre). Wie kamen die Astronomen auf dieses jugendliche Alter?
Zunächst rückten sie dem Stern mit einem sehr hochauflösenden Spektrografen zu Leibe. Spektren ähneln Fingerabdrücken: Sie können enthüllen, welcher Sterntyp gerade untersucht wird. Schnell wurde klar, dass AP Col ein exotisches Exemplar ist, gänzlich verschieden von anderen roten Sternen. „Das Spektrum gehört weder zu einem Roten Riesen noch zu einem Roten Zwergstern” , so Riedel.
Um zu klären, was für einen merkwürdigen Vogel sie aufgespürt hatten, suchten die Astronomen zunächst eine Erklärung für den Überschuss an Helligkeit. Glücklicherweise hatten mehrere Kollegen Porträts ihres Studienobjekts angefertigt. Diese und eigene Aufnahmen brachten die Forscher darauf, dass die Lichtproduktion von AP Col ausschließlich hausgemacht ist. „Wir entdeckten keinen Hinweis auf einen Begleiter”, sagt Riedel.
Ein Stern in den Flegeljahren
Weitere Spektralanalysen zeigten, dass der Stern so hell ist, weil er größer ist als erwartet. Auch seine Oberflächen-Schwerkraft ist deshalb vergleichsweise schwach – typisch für einen Stern, der noch kontrahiert, also noch am Entstehen ist. Dazu passt, dass AP Col immer wieder durch Röntgenausbrüche auf sich aufmerksam macht. Schon 2005 hatte Ralf-Dieter Scholz vom Potsdamer Astrophysikalischen Institut mithilfe des Satelliten ROSAT solche Eskapaden beobachtet. Verglichen mit unserer nur noch mäßig aktiven Sonne ist AP Col ein gewalttätiger Ort: Seine riesigen Sternenflecken weisen – ebenso wie enorme Eruptionen – auf einen Stern in den Flegeljahren. Auch sein erhöhter Lithium-Gehalt spricht für Jugendlichkeit. Denn das chemische Element stammt noch aus dem Urknall vor 13,8 Milliarden Jahren. Lithium-Atome werden in Sternen schnell zerstört und nicht nachgebildet. Deshalb ist die Stärke der Lithium-Signatur im Spektrum eines jungen Sterns ein Maß dafür, wie lange dieser Zerstörungsprozess andauert, also wie alt der Stern ist. Der ermittelte Wert unterstützt das wahrscheinliche Alter von 40 Millionen Jahren.
Die genaue Charakterisierung des Nachwuchssterns hat die Astronomen umdenken lassen. „Jahrzehntelang glaubten wir, dass es junge Sterne nur in großen Sternentstehungsgebieten wie dem Orion-Nebel gibt”, meint Simon Murphy, Co-Autor der Studie. „Das ist Hunderte Lichtjahre entfernt. Doch nun finden wir auch viel näher welche.” Die Forscher freuen sich auf die faszinierende Möglichkeit, Sternen und Planeten bei ihrer Bildung zuzuschauen.
Das letzte Puzzlestück betrifft die Herkunft des stellaren Flegels. Murphy verglich den Lithium-Wert und die Oberflächen-Schwerkraft von AP Col mit der von benachbarten Sternhaufen, deren Alter bereits bekannt ist. Wenn man seine Bewegung in der Milchstraße zurückrechnet, kreuzt AP Col eine Gruppe ebenfalls 40 Millionen Jahre alter Sterne: die Argus-Assoziation. Diese Sterne sind zwar typischerweise 300 Lichtjahre entfernt, doch die Argus-Gruppe ist recht ausgedehnt. Einzelne Gruppenmitglieder könnten sich durchaus bis auf 27 Lichtjahre an die Sonne herangepirscht haben. In einer aktuellen Analyse belegt ein internationales Forscherteam, dass die Argus-Gruppe höchstwahrscheinlich aus dem Zerfall des Sternhaufens IC 2391 stammt. Die Kinderstube von AP Col wäre demnach schon lange bekannt, denn der mit bloßem Auge sichtbare Haufen wurde bereits vor über einem Jahrtausend vom persischen Astronomen Abd ar-Rahman as-Sufi beschrieben.