Im August 2019 haben Astronomen den zweiten extrasolaren Besucher unseres Sonnensystems entdeckt: einen interstellaren Kometen, der auf das innere Sonnensystem zurast und am 8. Dezember seinen sonnennächsten Punkt erreichen wird. Jetzt gibt es erste Daten über Aussehen und mögliche Herkunft dieses kosmischen “Fremdlings”. Demnach besitzt dieser 2l/Borisov getaufte Brocken einen rund einen Kilometer großen Kern, der von einer Gas- und Staubwolke umgeben ist. Diese Koma, ein dünner Schweif sowie erste Spektraldaten bestätigen, dass dieser Brocken trotz seiner extrasolaren Herkunft den Kometen unseres Sonnensysteme sehr ähnlich ist – und dass er sich damit deutlich vom ersten interstellaren Besucher ‘Oumuamua unterscheidet.
Unser Sonnensystem bewegt sich nicht isoliert durch das All: Immer wieder durchfliegen auch Objekte extrasolaren Ursprungs unsere kosmische Nachbarschaft. Der erste bekannte Vertreter solcher interstellaren Besucher war im Oktober 2017 das zigarrenförmige, rund 400 Meter lange Objekt ‘Oumuamua. Weil dieser interstellare Besucher jedoch erst entdeckt wurde, als er schon wieder auf dem Weg aus dem Sonnensystem hinaus war, blieb den Astronomen damals nur wenig Zeit, das Objekt näher zu beobachten und zu charakterisieren. Bis heute ist daher strittig, ob es sich bei ‘Oumuamua um einen Asteroiden oder einen atypischen Kometen handelt. Denn er besaß zwar keinen sichtbaren Schweif, seine Flugbahn zeigte aber Merkmale, wie sie für Kometen typisch sein können.
Ein zweiter interstellarer Besucher
Jetzt gibt es einen neuen, zweiten interstellaren Besucher: 2l/Borisov. Das am 30. August 2019 entdeckte Objekt fliegt von oben auf die Hauptebene der Planeten zu und wird diese Ekliptik am 26. Oktober in einem Winkel von rund 40 Grad kreuzen, wie die NASA vor Kurzem berichtete. Das hohe Flugtempo von rund 32 Kilometern pro Sekunde spricht ihren Angaben nach dafür, dass dieser Brocken aus dem interstellaren Raum stammt – und auch wieder dahin zurückkehren wird. Nach Berechnungen der Astronomen wird 2l/Borisov am 8. Dezember 2019 seinen sonnennächsten Punkt erreichen und dann im Bogen wieder aus dem Sonnensystem herausfliegen. Der Erde kommt er dabei nicht näher als rund 300 Millionen Kilometer – das ist weiter entfernt als die Marsbahn.
Schon erste Beobachtungen hatten nahegelegt, dass 2l/Borisov im Gegensatz zu ‘Oumuamua von einer Staub- und Gaswolke umgeben ist – ein typisches Merkmal für Kometen. Um mehr über Aussehen und Beschaffenheit dieses interstellaren Objekts zu erfahren, haben Piotr Guzik von der Jagiellonen-Universität Krakau und seine Kollegen es im September mit dem William Herschel Telescope auf La Palma und dem Gemini North Teleskop auf Hawaii beobachtet und photometrisch vermessen.
Große Ähnlichkeit zu “heimischen” Kometen
“Wir haben dabei sofort die vertraute Koma und den Schweif bemerkt – Merkmale, die es bei ‘Oumuamua nicht gab”, sagt Guziks Kollege Michal Drahus. “Das ist wirklich großartig, denn es bedeutet, dass unser neuer Besucher einer dieser mythischen und zuvor noch nie gesehenen interstellaren Kometen ist.” Den Beobachtungen der Astronomen zufolge besitzt 2l/Borisov wahrscheinlich einen rund zwei Kilometer großen Kern. Diese Größe ist auch für die Kometen des Sonnensystems typisch, wie die Forscher berichten. Die leicht rötliche Färbung von Kern und Koma sprechen zudem dafür, dass der Komet beim Ausgasen seines Materials relativ viel Staub abgibt. “Auch die gemessene Farbe stimmt mit denen der Sonnensystem-Kometen überein”, so Guzik und sein Team. “Die dynamischen Eigenschaften und die Morphologie von 2l/Borisov machen es damit klar, dass dieses Objekt der erste eindeutige Fall eines interstellaren Kometen ist.”
Nach Ansicht der Astronomen ist die verblüffend große Ähnlichkeit von 2l/Borisov mit Kometen des Sonnensystems besonders spannend. “Das ist vor allem deshalb bemerkenswert, weil ‘Oumuamua so viele Eigenheiten hatte, dass sie uns dazu zwangen, unsere gesamte Vorstellung zur Natur interstellarer Ausreißer zu überdenken”, sagen die Forscher. Der neuentdeckte interstellare Komet dagegen scheint bis auf seine Flugbahn fast ununterscheidbar von den Kometen unseres Heimatsystems. Noch aber ist nicht auszuschließen, dass sich bei 2l/Borisov nicht doch noch entscheidende Unterschiede zeigen, denn die Beobachtungssaison hat erst begonnen. “Der Komet wird noch mehrere Monate beobachtbar sein und das wird es uns erlauben, bahnbrechende Einblicke in die physikalischen Merkmale von interstellaren Kometen und extrasolaren Planetensystemen im Allgemeinen zu gewinnen”, konstatieren Guzik und seine Kollegen.
Quelle: Piotr Guzik (Jagiellonian University, Krakau) et al., Nature Astronomy, doi: 10.1038/s41550-019-0931-8