Im Oktober 1604 erstrahlte im Fuß des Schlangenträgers – eines Sternbilds auf dem Himmelsäquator – ein scheinbar neuer Stern. Wenig später übertraf er die Planeten Mars und Jupiter an Helligkeit. Astronomen aus der ganzen Welt beobachteten dieses Himmelsphänomen – unter ihnen Johannes Kepler. Ein Jahr später verschwand das Leuchten vom irdischen Himmel und ging als „ Keplers Stern” in die Astronomie-Geschichte ein. Damals war das Teleskop noch nicht erfunden.
Kepler war zur richtigen Zeit am richtigen Ort, um eine galaktische Supernova zu beobachten. Seitdem herrscht im Hinblick auf solche Sternexplosionen Fehlanzeige in der Milchstraße. Das ist für Astrophysiker frustrierend, die gern einmal eine relativ nahe Supernova im Teleskop betrachten würden, und nicht nur solche in fernen Galaxien – denn vieles von diesen Sternexplosionen ist aufgrund mangelnder Daten unverstanden.
Die letzte Supernova, die Forscher aus dem Häuschen geraten ließ, war ein extragalaktisches Signal aus der Großen Magellan’s chen Wolke. 1987 explodierte dort ein Blauer Überriese. Mit 160 000 Lichtjahren Entfernung ist das bis heute die erdnächste Supernova seit 1604.
Brachiales Ende des Blauen Überriesen
Nachdem sein Brennstoff verbraucht war, detonierte der massereiche Riesenstern Sanduleak – 69° 202 am Ende seiner Entwicklung. Allerdings ist der genaue Zeitpunkt seiner Explosion unbekannt: Oft werden Supernovae erst Tage oder Wochen später entdeckt. Dabei ist gerade der Anfang wichtig, betont Scott Adams von der staatlichen Universität von Ohio. In einer kürzlich im Astrophysical Journal erschienenen Studie beschäftigte er sich mit der spannenden Frage, ob und wie sich die nächste galaktische Supernova beobachten lässt.
Die gute Nachricht: Die Wahrscheinlichkeit, dass das im infraroten Bereich des elektromagnetischen Spektrums möglich ist, liegt bei 100 Prozent. Und auch im sichtbaren Bereich beträgt die Wahrscheinlichkeit noch rund 98 Prozent. „Der Staub ist hier ein großer Störfaktor”, erklärt Adams. „Würde eine Supernova am anderen Ende der Galaxie explodieren, müssten wir durch das staubige Zentrum der Galaxie sehen, um sie zu beobachten. Der Staub würde das Licht um einen Faktor von mehr als eine Billion abschwächen.”
Die schlechte Nachricht: Ob und wann ein Stern zur Supernova wird, können Astronomen nicht voraussagen. Doch sie bekommen Unterstützung von unerwarteter Seite – von Teilchenphysikern und ihren hochempfindlichen Neutrinodetektoren. „Bei einer Kernkollaps-Supernova entstehen extrem viele Neutrinos”, sagt die Astronomin Kate Scholberg. „Insgesamt strahlt die Supernova sogar 100 Mal so intensiv über ihre Neutrinos wie über Licht.” Neutrinos sind Elementarteilchen, die kaum mit Materie wechselwirken, weil sie nicht der elektromagnetischen Kraft unterliegen, sondern nur der schwachen Kraft. In einer Supernova entstehen sie bei einem Kollaps, wenn die Materie durch die enorme Schwerkraft zusammengepresst wird. „Sie werden in einem Zeitraum von rund zehn Sekunden nach dem eigentlichen Kollaps ausgesendet”, sagt Scholberg. Damit haben sie der eigentlichen Strahlung der Supernova einiges voraus: „Das Licht wird später ausgestrahlt. Es muss sich seinen Weg erst durch die dichte Materie der Supernova bahnen.”
Da sich Neutrinos fast mit Lichtgeschwindigkeit bewegen, haben sie also einen Vorsprung gegenüber der elektromagnetischen Strahlung: „Bei einer Supernova kann die Strahlung mit einer Verspätung von einer halben Stunde oder sogar von einem ganzen Tag ankommen”, sagt Kate Scholberg.
Deshalb hat die Astronomin gemeinsam mit Kollegen SNEWS gegründet (abgekürzt von: SuperNova Early Warning System), ein Supernova-Frühwarnsystem. Neutrinodetektoren messen zwar ständig Neutrinos aus dem All, zum Beispiel von der Sonne. Eine galaktische Supernova würde sich jedoch sehr deutlich bemerkbar machen: „Super-Kamiokande in Japan würde bei einer Supernova aus dem Zentrum der Galaxie innerhalb weniger Sekunden Tausende von Neutrinos nachweisen”, erklärt Kate Scholberg. „Der Detektor könnte sogar die grobe Richtung angeben, aus der die Neutrinos kommen.”
Neutrinos als Explosionsboten
Neben Super-Kamiokande sind derzeit vier weitere Neutrinodetektoren an SNEWS beteiligt. Und in Kürze wird noch einer hinzukommen: der Detektor des Daya-Bay-Experiments in China, der ursprünglich gebaut wurde, um die Umwandlungen der drei verschiedenen Neutrino-Arten ineinander zu erforschen.
Bei einer Supernova würden all diese Detektoren die Neutrinos registrieren. Die Aufgabe von SNEWS ist es, sämtliche Signale zusammenzuführen und auszuwerten. Durch den Zusammenschluss mehrerer Detektoren hoffen die Physiker, einen falschen Alarm auszuschließen.
Aus dem charakteristischen Neutrinosignal erwartet man Einsichten dazu, was bei der Explosion geschieht. „Wir verstehen immer noch nicht, warum Supernovae überhaupt explodieren”, gibt Adams zu. „Es existieren viele Computermodelle, die alle wunderbar zu funktionieren scheinen. Aber sie schaffen es einfach nicht, den Stern bersten zu lassen.”
Rein statistisch gesehen stehen die Chancen auf ein baldiges Himmelsspektakel nicht schlecht – durchschnittlich explodiert in der Milchstraße alle 100 Jahre eine Supernova. Allerdings: „Nur weil seit 400 Jahren keine Supernova gesehen wurde, erhöht das die Wahrscheinlichkeit nicht, dass wir in den nächsten 20, 30 Jahren eine beobachten werden”, wie Adams betont. Bleibt also nur: abwarten und auf die Neutrinos hoffen. •
von Franziska Konitzer
Internet
Das SuperNova Early Warning System (SNEWS): snews.bnl.gov