Wenn ein weißer Zwerg zu viel Material von einem Begleitstern absaugt, kommt es zur Nova – einer thermonuklearen Explosion in seiner Hülle. Jetzt ist es Astronomen erstmals gelungen, die dabei freigesetzte energiereiche Gammastrahlung einzufangen und das Geschehen während einer solchen Nova über einen Monat mitzuverfolgen. Die Beobachtungen enthüllten unter anderem, dass die Schockwelle einer solchen Explosion Teilchen bis nah an das theoretisch erreichbare Maximum beschleunigt. Nova-Ausbrüche sind demnach ähnlich effiziente kosmische Beschleuniger wie Supernovae und damit mögliche Mit-Ursache kosmischer Strahlung.
Anders als bei einer Supernova, in der ein massereicher Stern explodiert und in sich zusammenfällt, zerstört eine Nova ihren Urheber nicht. Sie wird ausgelöst, wenn ein Weißer Stern – ein ausgebrannter Sternenrest – in einem Doppelsternsystem kreist und seinem Begleitstern Material absaugt. Dadurch sammelt sich immer mehr Gas um den Weißen Zwerg und er nimmt an Masse zu. Überschreitet diese eine kritische Grenze, das sogenannte Chandrasekhar-Limit, kommt es zu einer thermonuklearen Explosion: In der Hülle setzen kurzzeitig Kernfusionsprozesse von Wasserstoff ein, die starke Strahlung und Energie freisetzen. In der resultierenden Nova schleudert der Weiße Zwerg große Teile seiner “gestohlenen” Hülle wieder aus, er selbst bleibt aber unversehrt. Dieser Zyklus aus Ansammlung von Material und Nova-Explosion kann sich dadurch periodisch wiederholen.
Weißer Zwerg und Roter Riese
Astronomen der H.E.S.S-Kollaboration unter Leitung von Alison Mitchell von der Universität Erlangen-Nürnberg und Stefan Ohm vom Deutschen Elektronensynchrotron DESY ist es nun erstmals gelungen, die energiereiche Gammastrahlen-Emission einer solchen Nova fast von Beginn an zu beobachten und über einen ganzen Monat hinweg zu verfolgen. Möglich wurde dies durch einen Nova-Ausbruch, der sich am 8. August 2021 im Doppelsternsystem RS Ophiuchus ereignete. Dieses rund 7500 Lichtjahre entfernte Doppelsystem im Sternbild Schlangenträger besteht aus einem Weißen Zwerg und einem Roten Riesen, die sich in nur 1,48 astronomischen Einheiten Abstand umkreisen – das entspricht knapp dem eineinhalbfachen der Entfernung der Erde zur Sonne.
Weil der Weiße Zwerg seinem Begleiter nahezu kontinuierlich Material abzieht, kommt es immer wieder zu Nova-Ausbrüchen in diesem System, die teilweise sogar mit bloßem Auge sichtbar sind. Zwischen 1898 und 2006 wurden acht solcher Explosionen detektiert. Als optische Teleskope in der Nacht des 8. August 2021 erneut einen Ansteigen der Helligkeit bei RS Ophiuchi detektierten, wurden auch die Astronomen des Gammastrahlensatelliten Fermi und des High Energy Stereoscopic System (H.E.S.S.) in Namibia alarmiert. Letzteres besteht aus fünf Tscherenkow-Teleskopen, die die winzigen Lichtblitze detektieren, die die energiereiche Gammastrahlung bei Kollisionen mit Teilchen der Erdatmosphäre erzeugt. Schon in der Nacht darauf richteten die Astronomen der H.E.S.S.-Kollaboration ihre Teleskope in Richtung der neuentdeckten Nova. Ergänzt von den Beobachtungsdaten des NASA-Weltraumteleskops Fermi, das den etwas weniger energiereichen Gammastrahlenbereich abdeckt, konnten die Astronomen so die Entwicklung der Nova über einen Monat lang verfolgen.
Kosmischer Teilchenbeschleuniger
„Das ist die erste Beobachtung einer Nova im sehr hochenergetischen Gammalicht”, sagt Alison Mitchell. Die dabei ermittelten Daten enthüllen, dass die Explosion in RS Ophiuchi große Mengen hochenergetischer Gammastrahlung freisetzte. Um eine solche Intensität zu erreichen, müssen Protonen und andere bei der Nova erzeugte Teilchen auf mehrere hundertmal höhere Energien beschleunigt werden als bei zuvor beobachteten Novae. “Das wahrscheinlichste Szenario ist, dass Protonen und andere Atomkerne an der sich ausdehnenden Explosions-Schockfront stark beschleunigt werden und mit komprimiertem Material des Sternwinds, den der Rote Riese ins All bläst, kollidieren. Das setzt Gammastrahlung frei“, erklärt Co-Autor Brian Reville vom Max-Planck-Institut für Kernphysik. Das Team schätzt anhand optischer Daten, dass die Schockfront von RS Ophiuchi mit mehreren tausend Kilometern pro Sekunde in All hinaus raste.
Die Beobachtungen legen zudem nahe, dass die Explosionsenergie bei diesem Nova-Ausbruch höchst effizient in die Beschleunigung von Teilchen umgewandelt wurde. Protonen und andere Teilchen wurden auf Energieniveaus beschleunigt, die nahe am theoretischen Maximum liegen, wie die Astronomen berichten. “Die Beobachtung, dass in kosmischen Schockwellen in der Realität das theoretische Limit der Teilchenbeschleunigung erreicht werden kann, hat enorme Auswirkungen für die Astrophysik”, sagt Co-Autor Ruslan Konno vom DESY in Zeuthen. “Sie legt nahe, dass der Beschleunigungsprozess genauso effizient bei noch viel extremeren kosmischen Explosionen – den sogenannten Supernovae – sein könnte.” Damit könnten auch Novae stärker als bislang angenommen zur kosmischen Strahlung beitragen – einem allgegenwärtigen “Regen” aus subatomaren Teilchen, die aus allen Richtungen des Kosmos kommen. Welche Quellen diese Strahlung speisen, ist bisher erst in Teilen geklärt.
Quelle: H.E.S.S Collaboration, Science, doi: 10.1126/science.abn0567