Der Ursprung der ultrakurzen, aber extrem energiereichen kosmischen Radioblitze ist eines der großen Rätsel der Astronomie. Doch jetzt könnte es gelöst sein. Denn erstmals haben Astronomen einen solchen “Fast Radioburst” nicht in einer anderen Galaxie, sondern in unserer Milchstraße detektiert – und das ermöglichte es ihnen, seine Quelle genauer einzugrenzen. Demnach ging dieser kurze Radiopuls von einem rund 30.000 Lichtjahre entfernten Magnetar aus. Dabei handelt es sich um einen Neutronenstern, der schnell rotiert und extrem starke Magnetfelder besitzt. Diese Himmelsobjekte standen schon länger als mögliche Quelle der Radioblitze in Verdacht, jetzt scheint sich dies zu bestätigen.
Fast Radiobursts (FRB) dauern nur wenige Millisekunden, setzen in dieser Zeit aber so viel Energie frei wie unsere Sonne an einem ganzen Tag. Erst 2007 fing das Parkes-Radioteleskop in Australien zufällig einige dieser ultrakurzen kosmischen Radiopulse ein. Weil aber zunächst kein anderes Radioteleskop solche Blitze detektierte und eine astronomische Erklärung für das Phänomen fehlte, blieb unklar, ob diese Blitze tatsächlich kosmischen Ursprungs waren – möglicherweise handelte es sich nur um atmosphärische Störungen oder Signale von der Erde. 2014 jedoch fing dann auch das Arecibo-Radioteleskop in Puerto Rico ein solches Signal ein. Seither haben Astronomen mit verschiedensten Radioteleskopen Dutzende von Fast Radiobursts detektiert. Weil aber alle aus anderen Galaxien und damit großen Entfernungen kamen, blieb ihre Quelle unklar. Allerdings sprachen die Polarisationsmerkmale der Radiosignale dafür, dass sie aus einem stark magnetisierten Umfeld stammen.
Magnetar im Milchstraßenzentrum als Urheber
Jetzt ist es Astronomen erstmals gelungen, einen Fast Radioburst aus unserer eigenen Galaxie nachzuweisen. Eingefangen hat dieses Signal das Canadian Hydrogen Intensity Mapping Experiment (CHIME) in British Columbia. Diese Anlage besteht aus vier fußballfeldgroßen, halbkreisförmig gewölbten Reflektorensembles, die den Himmel kontinuierlich im Frequenzbereich von 400 bis 800 Megahertz absuchen. Am 28. April 2020 registrierte das CHIME-Teleskop einen kurzen, aber starken Radiopuls mit zwei klar abgegrenzten, nur Millisekunden auseinander liegenden Peaks. Nähere Analysen des Signals ergaben, dass dieser Radiopuls alle klassischen Merkmale eines FRB aufwies. Doch im Gegensatz zu den vorherigen Radiopulsen dieser Art stammte dieser aus einem nur rund 30.000 Lichtjahre entfernten Bereich nahe des Milchstraßenzentrums. Dies ist damit der erste Fast Radioburst aus unserer eigenen Galaxie, wie die Forscher der CHIME-Kollaboration erklären.
Noch wichtiger aber ist, dass die Astronomen dieses Radiosignal erstmals zu einer astronomischen Quelle zurückverfolgen konnten. Denn schon am Tag vor dem ultrakurzen Radiopuls war an seinem Ursprungsort ein Magnetar zu neuer Aktivität erwacht. Der SGR 1935+2154 getaufte Neutronenstern strahlte wiederholt starke Pulse von Röntgenstrahlen ab, die von mehreren Weltraumteleskopen detektiert wurden. “Es gab einige Aufregung in der astronomischen Gemeinschaft über diesen Magnetar, der plötzlich im Röntgenbereich so aktiv geworden war, und unsere Kollaboration wurde gebeten, die Augen aufzuhalten”, berichtet Kiyoshi Masui vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) und Mitglied der CHIME-Kollaboration. Als dann das CHIME-Teleskop am nächsten Tag tatsächlich einen Radioburst von diesem Magnetar detektierte, war die Sensation perfekt. Dies ist das erste Mal, dass ein Fast Radioburst mit Strahlenausbrüchen in anderen Wellenbereichen in Verbindung gebracht werden kann, und das erste Mal, dass man seine Quelle ermitteln kann. “Wenn dieser Radiopuls von irgendeinem anderen Objekt im Umfeld des Magnetars kommen sollte, wäre dies ein ziemlich großer Zufall”, sagt Masui.
Mechanismus noch unklar
Ähnlich wie die aus extragalaktischen Quellen stammenden Fast Radiobursts setzte auch der FRB 200428 getaufte Radiopuls große Mengen an Energie in sehr kurzer Zeit frei. “Erst die Messung seiner Helligkeit bestätigte, dass es sich hierbei nicht um einen normalen Radiopuls handelte”, erklärt Masui. Den Berechnungen des CHIME-Teams zufolge setzte das kurze Signal aus dem Milchstraßenzentrum im Radiowellenbereich die Energie von 10 hoch 34 erg frei – das sei 3000 Mal mehr als jeder andere zuvor in unserer Galaxie von einem Magnetar registrierte Radiopuls. Bestätigt wurde die enorme Intensität dieses Radiobursts auch von Messungen eines weiteren Radioteleskops, dem Survey for Transient Astronomical Radio Emission 2 (STARE2) in den USA. Auch das STARE2-Team um Christopher Bochenek vom California Institute of Technology in Pasadena detektierte FRB 200428 und ermittelte, dass er mehrere tausendmal energiereicher war als jeder Radiopuls vom Krebs-Pulsar – der bislang stärksten bekannten Radioquelle in der Milchstraße. “Das Ereignis vom 28. April 2020 am Magnetar SGR 1935+2154 demonstriert damit eindeutig, dass Magnetare weit stärkere Radiopulse produzieren können als bislang in unserer Galaxie beobachtet wurden”, schreiben die Forscher der CHIME-Kollaboration.
Nach Ansicht der Astronomen könnte dies bestätigen, dass zumindest einige Fast Radiobursts auf Magnetare zurückgehen. Zwar ist FRB 200428 noch immer eine bis zwei Größenordnungen schwächer als die bislang eingefangenen extragalaktischen Radioblitze. Dennoch lege die aktuelle Beobachtung gekoppelt mit den FRB-typischen Merkmalen dieses Radioblitzes nahe, dass Magnetare solche Fast Radiobursts auslösen können, so die Forscher. Durch welchen Mechanismus ein solcher Neutronenstern diese Radiopulse produziert, ist allerdings unklar: “Die Modelle für Magnetare als Quellen für Fast Radiobursts bilden zwei Hauptklassen”, erklärt das CHIME-Team. Zum einen könnten die intensiven Radioausbrüche innerhalb der Magnetosphäre des Magnetars entstehen, dazu würden die ultrakurze Dauer und die scharfe Trennung der beiden Peaks von FRB 200428 passen. Der anderen Klasse von Modellen nach entsteht der Fast Radioburst erst im Umfeld des Magnetars, indem bei Strahlenausbrüchen ausgeschleuderte Elektronen und andere Teilchen in einiger Entfernung vom Magnetar auf Reste früherer Ausbrüche prallen. Dies erzeugt eine stark magnetisierte Schockfront, von der dann die Radiowellen ausgehen.
Noch wissen die Astronomen nicht, welcher Mechanismus tatsächlich an Magnetaren abläuft und ob dies dann wirklich zu den beobachteten Fast Radiobursts führt. Zudem vermuten sie, dass die stärksten bisher detektieren Radioblitze möglicherweise doch auf eine andere Quelle zurückgehen. “Wir halten unsere Augen offen nach weiteren aktiven Magnetaren, aber unser Hauptfokus jetzt liegt erst-einmal darauf, diese eine Quelle näher zu erforschen und herauszufinden, was sie uns über die Entstehung der Fast Radiobursts verraten kann”, sagt Masui.
Quelle: The CHIME/FRB Collaboration, Nature, doi: 10.1038/s41586-020-2863-y; Christopher Bochenek (California Institute of Technology, Pasadena) et al., Nature, doi: 10.1038/s41586-020-2872-x