Rund zwei Drittel aller bisher bekannten Galaxien im Universum sind Spiralgalaxien – auch unsere Milchstraße gehört zu diesem Typ. Doch wann die ersten Vertreter dieses Galaxientyps entstanden, ist noch unklar. Jetzt haben Astronomen mithilfe des Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA) die älteste bislang bekannte Spiralgalaxie entdeckt. Sie liegt rund 12,4 Milliarden Lichtjahre von uns entfernt und existierte damit bereits rund 1,4 Milliarden Jahre nach dem Urknall – in der Frühzeit des Kosmos. Ihre Merkmale könnten nun dazu beitragen, die Frage zu klären, wann und wie sich diese spiraligen Gebilde erstmals formten.
Die Milchstraße gehört dazu, unsere Nachbargalaxie Andromeda und viele weitere im lokalen Kosmos: Sie alle sind Spiralgalaxien mit den für diese Sternansammlungen typischen klar abgrenzbaren inneren Strukturen. Dazu gehört der zentrale Bulge, eine nach oben und unten ausgebeulte Zone, in der die Sternendichte besonders hoch ist und in der sich rund ein Drittel der gesamten Masse der Galaxie konzentriert. In ihm liegt auch das supermassereiche Schwarze Loch verborgen. Von diesem Bulge geht eine flache, rotierende Sternenscheibe aus, die die Hauptebene der Galaxie bildet. Die Sterne in dieser Scheibe sind nicht zufällig verteilt, sondern konzentrieren sich in mehreren spiralförmigen Armen. Rund 70 Prozent aller Galaxien im lokalen Kosmos zeigen diese Merkmale und sind Spiralgalaxien. Doch je weiter man im Universum in die Ferne und damit in die Vergangenheit zurückblickt, desto seltener wird der Spiraltyp. Das weckt die Frage, wann sich diese Galaxien erstmals bildeten.
Ferne Galaxie mit zwei Spiralarmen
Jetzt gibt die neu entdeckte Galaxie BRI 1335–0417 mehr Aufschluss darüber. Aufgespürt haben sie die Astronomen Takafumi Tsukui und Satoru Iguchi vom Nationalen Astronomischen Observatorium Japans in Tokio, als sie Archivdaten des Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA) nach Hinweisen auf alte Spiralgalaxien durchsuchten. Bei der aktiven Sternbildungsgalaxie BRI 1335–0417 wurden sie fündig. Während diese Galaxie im optischen Wellenbereich von dichten Staubwolken verhüllt ist, ließen die spektrografischen Analysen der von den in galaktischen Gasen enthaltenen Kohlenstoffatomen ausgehenden Radiowellen interne Strukturen erkennen. Demnach besitzt diese Galaxie wahrscheinlich zwei Arme, die sich vom galaktischen Zentrum aus rund 15.000 Lichtjahre weit ins All hinaus erstrecken. Die Merkmale der spektralen Kohlenstofflinien deuten zudem darauf hin, dass die Galaxie rotiert und dass es im Zentrum des Gebildes eine Massenkonzentration gibt – möglicherweise ein zentraler Bulge.
“Ich war begeistert, weil ich noch nie zuvor einen so klaren Beleg für eine rotierende Scheibe, eine Spiralstruktur und eine zentrale Massenstruktur in einer so weit entfernten Galaxie gesehen habe”, sagt Tsukui. “Die Qualität der ALMA-Daten war so gut, dass ich ähnlich viele Details erkennen konnte wie in manchen nahegelegenen Galaxien.” Den Messdaten zufolge liegt BRI 1335-0417 rund 12,4 Milliarden Jahre von uns entfernt. Sie existierte schon rund 1,4 Milliarden Jahre nach dem Urknall – und ist damit der älteste bisher bekannte Vertreter der Spiralgalaxien, wie die Astronomen berichten. Diese Galaxie bestand zudem schon vor dem Höhepunkt der kosmischen Sternbildung. Dennoch war sie den Daten zufolge schon relativ groß und hatte etwa so viel stellare Masse wie die heutige Milchstraße. “Für eine Galaxie des frühen Universums war BRI 1335-0417 damit ein Riese”, sagt Tsukui.
Resultat einer Kollision?
Noch ist unklar, wie diese frühe Galaxie heranwuchs und ihre Spiralform bekam. Die Astronomen vermuten aber, dass eine vergangene Kollision oder nahe Begegnung mit einer anderen, kleineren Galaxie BRI 1335-0417 in ihre spiralige Form gebracht haben könnte. “Kosmologische Simulationen des frühen Universums zeigen, dass die Spiralstruktur in einer rotierenden Scheibe entstehen kann, wenn die Scheibe sich nach einem Verschmelzungsereignis wieder entspannt”, schreiben Tuskui und Iguchi. Ein weiteres Indiz für ein solches Ereignis könnte auch die hohe Sternbildungsrate der frühen Spiralgalaxie sein, denn durch die bei einer solchen Kollision entstehenden Turbulenzen und Gasströme wird diese angeregt. Weil allerdings die innere Struktur von BRI 1335-0417 und ihr Rotationsverhalten inzwischen relativ ungestört erscheinen, muss diese Kollision schon einige Zeit zurückliegen, wie die Astronomen erklären.
Wie diese frühe Spiralgalaxie ihre Gestalt bekam und wie sie sich im Verlauf der kosmischen Geschichte dann weiterentwickelt hat, lässt sich bislang also nur vermuten. Die Forscher hoffen aber, durch weitere Untersuchungen mehr über ihr Schicksal zu erfahren. “Die Wurzeln der Spiralstruktur zurückzuverfolgen, kann uns dabei helfen, die Bildungsgeschichte von Galaxien besser zu verstehen”, sagt Iguchi. Das liefere dann auch wertvolle Informationen darüber, wie unsere eigene Galaxie einst zu dem wurde, was sie heute ist.
Quelle: Takafumi Tsukui und Satoru Iguchi (National Astronomical Observatory of Japan , Tokio), Science, doi: 10.1126/science.abe9680