Was hat es mit dem mysteriösen Asteroiden Kamo’oalewa auf sich, der die Sonne auf einer ähnlichen Umlaufbahn wie die Erde umkreist? Aus Analysen seines reflektierten Lichtspektrums geht nun hervor, dass der Himmelskörper aus Material besteht, das dem des Mondes ähnelt. Möglicherweise ist Kamo’oalewa demnach aus Bruchstücken eines einstigen Asteroideneinschlags auf unserem Erdtrabanten entstanden, sagen die Wissenschaftler.
Das Erde-Mond-System bewegt sich in einer Nachbarschaft aus vielen kleineren Himmelskörpern durch den Raum: In unserem Sonnensystem gibt es eine illustre Gesellschaft von sogenannten erdnahen Asteroiden. Einige von ihnen sind dabei auf besonderen Bahnen unterwegs: Sie umkreisen die Sonne in ähnlicher Weise wie die Erde. Sie werden deshalb als Quasisatelliten bezeichnet. Über diese erdnahen Objekte ist nur wenig bekannt, da sie nur sehr schwach erhellt werden und deshalb schwer zu beobachten sind.
Im Jahr 2016 fügten Astronomen den bekannten Quasisatelliten den Asteroiden Kamo’oalewa hinzu: Das PanSTARRS-Teleskop auf Hawaii konnte sein feines Leuchten erfassen, das etwa vier Millionen Mal schwächer ist als das der schwächsten Sterne, die das menschliche Auge am Nachthimmel erkennen kann. Kamo’oalewa besitzt den Daten zufolge einen Durchmesser von bis zu etwa 100 Metern. Er umkreist die Sonne auf einer Umlaufbahn, die sich nur wenig von der Erde unterscheidet und braucht für einen Umlauf auch etwa ein Jahr. Bei der aktuellen Konstellation kommt er der Erde immer im April am nächsten. Die größte Annäherung beträgt dabei rund 15 Millionen Kilometer.
Interessante Muster im schwachen Schimmer
Um mehr über Kamo’oalewa herauszufinden, haben ihn die Forscher um Benjamin Sharkey von der University of Arizona in Tucson genauer ins Visier genommen. Zum Einsatz kamen dabei das Large Binocular Telescope und das Lowell Discovery Telescope, die sich in Arizona befinden. Ihre hohe Lichtempfindlichkeit ermöglichte spektrale Analysen des schwachen Lichts, das von dem kleinen Himmelskörper reflektiert wird. Anhand der Muster der Wellenlängen waren dabei Rückschlüsse auf bestimmte Materialeigenschaften möglich sowie Vergleiche mit Signaturen des Lichtspektrums anderer Himmelskörper, erklären die Wissenschaftler.
Wie sie berichten, ging aus den Analysen hervor, dass die Zusammensetzung von Kamo’oalewa von Silikatmaterial geprägt ist. Eine leichte Verschiebung zum rötlichen Spektrum unterscheidet Kamo’oalewa dabei allerdings von den Signaturen, die von anderen Asteroiden im inneren Sonnensystem bekannt sind, sagen die Wissenschaftler. “Ich habe jedes erdnahe Asteroidenspektrum, auf das wir Zugriff hatten, durchgesehen, und keines hat zu den Ergebnissen gepasst”, sagt Sharkey. Weitere Vergleiche zeigten dann allerdings: Die Muster des reflektierten Lichts von Kamo’oalewa stimmen mit denen von Mondgesteinen überein, deren Merkmale durch die Proben der Apollo-Missionen der NASA bekannt sind.
Trümmer-Körper des Mondes?
Wie die Forscher erklären, wirft dieser Befund somit nun Licht auf den möglichen Ursprung dieses Asteroiden mit der besonders erdähnlichen Umlaufbahn. „Das Reflexions-Spektrum von Kamoʻoalewa unterstützt den Erklärungsansatz, dass er sich aus Trümmer-Material des Mondes gebildet hat“, schreiben die Wissenschaftler. Konkret könnte demnach einst ein Asteroid den Mond getroffen haben, wobei Material weit herausgeschleudert wurde, aus dem sich dann Kamoʻoalewa bildete.
Den Ursprung des Asteroiden im Erde-Mond-System unterstützen zudem Untersuchungen der Umlaufbahn von Kamo’oalewa im Rahmen der Studie. Sie unterscheidet sich von der der Erde nur durch eine leichte Neigung und ist in spezieller Waise untypisch für erdnahe Asteroiden. “Es ist sehr unwahrscheinlich, dass ein gewöhnlicher erdnaher Asteroid spontan in eine Quasisatellitenbahn wie die von Kamo’oalewa einschwenken würde”, erklärt Co-Autorin Renu Malhotra von der University of Arizona.
Noch bleiben allerdings einige Fragen zu dem interessanten Himmelskörper offen. Deshalb wollen ihn die Astronomen nun auch weiterhin im Auge behalten.
Quelle: University of Arizona, Fachartikel: Communications Earth & Environment, doi: 10.1038/s43247-021-00303-7