Vor mehr als 100 Jahren sagte Albert Einstein in seiner Allgemeinen Relativitätstheorie voraus, dass die Gravitation von großen Massen Lichtwellen in den roten Bereich dehnen. Jetzt haben Astronomen die bisher umfassendste Überprüfung dieser Gravitations-Rotverschiebung unter Extrembedingungen durchgeführt – am supermassereichen Schwarzen Loch im Zentrum unserer Galaxie. Über 24 Jahre hinweg beobachteten sie immer wieder einen Stern, dessen Orbit sehr nahe an diesem Schwarzen Loch vorbeiführt. Ihre Auswertung belegt nun: Das Licht dieses Sterns zeigt dabei genau die Gravitations-Rotverschiebung, die Einsteins Relativitätstheorie vorhersagt.
Die Allgemeine Relativitätstheorie von Albert Einstein bildet bis heute die Grundlage unseres physikalischen Weltbilds. In ihr beschrieb der Physiker die Gravitation und ihre Wirkungsweise auf völlig neue Art – als eine direkte Folge der Raumzeit-Geometrie. Die extrem große Masse eines Schwarzen Lochs krümmt demzufolge die Raumzeit in ihrem Umfeld so stark, dass selbst Licht dadurch abgelenkt und beeinflusst wird. Weil das Licht Energie verliert, wenn es diese Schwerkraftsenke wieder verlässt, verschiebt sich seine Wellenlänge in den roten, energieärmeren Bereich, so Einsteins Vorhersage. Im Lichtspektrum lässt sich diese Gravitations-Rotverschiebung daher leicht erkennen – vorausgesetzt man hat ein geeignetes Testobjekt.
Stern als Testobjekt
Genau dieses Testobjekt haben Astronomen mit dem Stern S0-2, kurz S2. Denn er umkreist Sagittarius A*, das Schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße, sehr nah auf einem exzentrischen Orbit. Bei seiner nächsten Annäherung im Mai 2018 trennten den Stern nur rund 14 Milliarden Kilometer von diesem Schwerkraftgiganten – das entspricht dem dreifachen Abstand des Planeten Neptun von der Sonne. In diesem geringen Abstand wirkt die Gravitation des Schwarzen Lochs so stark, dass sie den Stern zwar beschleunigt, sein Licht aber messbar dehnen müsste. Tatsächlich ließ sich dieser Effekt beobachten: Forscher der GRAVITY-Kollaboration gelang es, den Stern S0-2 während seiner nächsten Annäherung mit dem Very large Telescope zu verfolgen und die Veränderung seines Lichtspektrums zu messen. Ihren im Juli 2018 veröffentlichten Daten zufolge bestätigten das Verhalten des Sterns Einsteins Relativitätstheorie.
Allerdings: Diese Studie erfasste nur einen zeitlich relativ kurzen Ausschnitt der insgesamt 16 Jahre dauernden Umkreisung von S0-2 ums Schwarze Loch. “Wenn wir aber Sterne über ihren kompletten Orbit verfolgen, bietet uns dies eine umfassendere Möglichkeit, fundamentale Physik zu testen”, sagt Co-Autorin Andrea Ghez von der University of California in Los Angeles. Sie und ihr Team haben deshalb den Orbit von S0-2 über insgesamt 24 Jahre hinweg verfolgt – dies entspricht rund eineinhalb Umkreisungen des Schwarzen Lochs. Ihre Daten erfassen sowohl die nächste Annäherung, als auch die Bahnpunkte, an denen der Stern seine größte und kleinste Geschwindigkeit entlang der Sichtlinie erreicht. “Wir haben damit seinen kompletten Orbit in allen drei Dimensionen”, so Ghez. Sie führten ihren Spektralmessungen mit Teleskopen des W.M. Keck-Observatoriums auf Hawaii durch – und liefern damit den zweiten, unabhängigen und bisher umfassendsten Test von Einsteins Gravitationsverschiebung an einem Schwarzen Loch.
Rotverschiebung passt zur Theorie
Die Auswertungen bestätigten: “Einstein behält Recht – zumindest bis jetzt”, sagt Ghez. “Unsere Beobachtungen stimmen mit Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie überein.” Den Messungen zufolge führte die Passage von S0-2 am Schwarzen Loch vorbei zu einer Rotverschiebung von 0,88. “Das ist mit der Signifikanz von einem Sigma konsistent mit der Allgemeinen Relativitätstheorie, schließt aber die Newtonsche Theorie um mehr als fünf Sigma aus”, berichten die Astronomen. Gleichzeitig liefern ihre Werte auch eine unabhängige Bestätigung der Messungen der GRAVITY-Kollaboration. “Zwar ist die Gravitations-Rotverschiebung zuvor schon mit hoher Präzision innerhalb des Sonnensystems gemessen worden, unsere Ergebnisse zusammen mit denen der GRAVITY-Kollaboration erweitern diese nun aber den Bereich starker Gravitation um ein massereiches kompaktes Objekt wie dieses Schwarze Loch”, konstatieren die Forscher.
Damit hat Einsteins gut hundert Jahre alte Theorie sich erneut als korrekt erweisen. In ihren Voraussagen ließ sie sich bisher trotz aller Tests nicht widerlegen. Allerdings ist auch die Allgemeine Relativitätstheorie nicht perfekt. Denn es gibt einige Phänomene im Kosmos, die Einsteins Gleichungen nicht beschreiben können. “Diese Theorie kann beispielsweise die Schwerkraft innerhalb eines Schwarzen Lochs nicht vollständig erklären”, sagt Ghez. Zudem schaffte es auch Einstein nicht, die vier Grundkräfte der Physik mathematisch-physikalisch unter einen Hut zu bringen oder die exotischen Phänomene der Quantenphysik mit seinen Modellen zu erklären. Unter anderem deshalb schließen Physiker bis heute nicht aus, dass es eine Physik jenseits des gängigen Standardmodells gibt.
Quelle: Tuan Do (University of California, Los Angeles) et al., Science, doi: 10.1126/science.aav8137