Wie Uhren heute funktionieren
Von allen physikalischen Messeinheiten ist die Zeit für die Menschen am wichtigsten. Meter und Celsius, Volt und Watt interessieren im Alltag nicht so sehr wie Stunde und Minute. Die Uhrzeit bestimmt unseren Tagesablauf. Aufstehen, Bahnabfahrt, Arbeitsbeginn, Mittagspause, Arbeitsende, Tagesschau – das alles geschieht zu einem bestimmten Zeitpunkt. Der Blick auf die Armbanduhr verrät ihn. Doch was würde das nützen, wenn die Person, mit der man sich zu einem bestimmten Zeitpunkt treffen möchte, eine andere Zeit auf ihrer Uhr hätte? Dass Uhren möglichst gleich, also genau gehen, ist wichtig. Seit Jahrhunderten tüfteln Uhrmacher, Physiker und Erfinder deshalb an möglichst genauen Uhren.
Inzwischen hat sich eine Technik durchgesetzt: die Quarz-Technik. 98 Prozent aller Uhren weltweit sind Quarzuhren. Das ist nicht verwunderlich, denn sie sind billig in der Herstellung, gehen genau genug und können massenweise vom Band laufen. Doch mechanische Uhren werden trotz ihrer Nachteile wie geringerer Genauigkeit und höherem Preis immer beliebter. Gerade teure mechanische Luxusuhren lassen sich wegen ihrer Exklusivität ausgezeichnet verkaufen
Eine gewisse Exklusivität haben auch besonders ausgestattete Quarzuhren – selbst wenn sie trotz aller Funktionen in der Regel viel günstiger sind als handgefertigte mechanische Uhren. Die teuerste Uhr des Elektronikherstellers Casio ist zurzeit eine GPS-Uhr für rund 500 Euro, die den Längen- und Breitengrad der aktuellen Position angibt. Zudem kann sie mit einem PC verbunden werden, sodass man problemlos die geplante Route auf die Uhr übertragen kann.
Einen MP3-Player in der Armbanduhr bietet der Elektronikhändler Abcox. Die Uhr ist mit einem ein Gigabyte großen Speicher ausgestattet, der rund 250 Lieder im MP3-Format speichern kann. Für die Verbindung zwischen Uhr und Kopfhörer sorgt Bluetooth, eine drahtlose Verbindungstechnik. Zwar kein
Musikspieler, aber eine Art Wetterstation ist die Uhr „ Observer” der Marke Suunto: Die Outdoor-Uhr misst unter anderem die Höhe über dem Meer, Luftdruck und Temperatur, und sie hat einen Kompass eingebaut.
Uhren werden zunehmend zu Hightech-Produkten, die mehr können, als die Uhrzeit anzeigen. Egal, für welchen Bereich die Uhr eingesetzt werden soll: Eine Spezialuhr gibt es so gut wie für alles. Es gibt Golfuhren, mit denen man seine Schläge zählen kann und die dann das Ergebnis auf dem Display anzeigen. Es gibt Segel- und Wanderuhren mit Kompass und GPS. Es gibt Militäruhren, die sehr robust sind und deren Uhrzeiger im Dunkeln leuchten. Es gibt Uhren, die Musik spielen, die fotografieren und telefonieren. Sportuhren messen den Puls und ermitteln mit einem Schrittzähler die Wegstrecke. Und es gibt Skiuhren, die die vertikale Geschwindigkeit des Skifahrers anzeigen. Sie sind mit einem Höhenmesser ausgestattet und errechnen, wie viele Höhenmeter der Skifahrer pro Minute zurücklegt.
Jede noch so technische Quarzuhr, jede noch so teure mechanische Uhr, jede noch so genaue Atomuhr – alle funktionieren nach demselben Prinzip: Man braucht ein immer wiederkehrendes Ereignis, das im optimalen Fall stets genau gleich lange dauert. Die Zeit wird also in kleine Zeiteinheiten eingeteilt, die dann zu gewünschten Zeitspannen wie Sekunde, Minute oder Stunde addiert werden können. Im Fall der Quarzuhr ist diese kleine Zeiteinheit die Schwingung eines Quarzkristalls.
Quarz ist Siliziumdioxid (chemische Formel: SiO2) und weist piezoelektrische Eigenschaften auf. Das heißt: Der Quarzkristall erzeugt bei Verformung eine gewisse Spannung und – umgekehrt – verformt sich beim Anlegen einer Spannung. Letzteres wird bei einer Quarzuhr ausgenutzt. Dort ist ein kleiner Quarzkristall, auch Schwingquarz genannt, an zwei Spannungspolen befestigt, die dafür sorgen, dass sich der Schwingquarz ausdehnt und wieder zusammenzieht. Diese kontinuierlichen Größenänderungen lassen den Quarz schwingen, in den meisten Quarzuhren 32 768 Mal in der Sekunde.
Um die Uhrzeit anzuzeigen, gibt es zwei Möglichkeiten: Die analoge Uhr verfügt über ein Ziffernblatt und Uhrzeiger, die meist von einem elektrischen Schrittmotor bewegt werden. Er übersetzt das Zeitsignal vom Schwingquarz. Bei der digitalen Anzeige dagegen stellen entweder Flüssigkristalle das Bild dar (LCD-Technik) oder aber Leuchtdioden (LED-Technik). Diese Uhren sind leise – ihnen fehlt das charakteristische Ticken einer analogen Uhr.
Doch auch die – für die kleine Baugröße sehr genaue – Quarzuhr geht pro Monat bis zu 30 Sekunden falsch und muss regelmäßig korrigiert werden. Das kann entweder per Hand geschehen oder, wie bei vielen modernen Uhren per Funk. Denn sogenannte Funkuhren stellen sich in regelmäßigen Abständen (bei vielen Funkuhren täglich) auf die Zeit ein, die in Deutschland seit 1991 die Atomuhr „CS2″ liefert. Die CS2 ist eine der 14 Atomuhren, die die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig betreibt. Sie war zusammen mit ihrer Vorgängerin, der CS1, lange Zeit die genaueste Uhr der Welt.
Die Atomuhren der PTB tragen einen Teil zur sogenannten Atomzeit bei. Die Atomzeit ist die weltweit genaueste Zeit. Sie ist der Mittelwert, der aus den Zeitangaben von über 250 Atomuhren berechnet wird. Manche Atomuhren haben jedoch mehr Einfluss auf die Atomzeit als andere. Die Uhren, die besonders wenig vom Mittelwert abweichen, bekommen eine größere Gewichtung bei der Berechnung der Atomzeit als andere Uhren. Derzeit hat das amerikanische Zeitinstitut United States Naval Observatory in Washington, D.C., mit 50 Atomuhren den größten Einfluss.
Die Namen CS1 und CS2 kommen nicht von ungefähr. CS steht für Caesium (ein chemisches Element, Gruppe der Alkalimetalle), und die Zahlen 1 und 2 bedeuten, dass es sich um die erste beziehungsweise zweite Uhr der PTB handelt. Die Atomuhren, die CS im Namen tragen, sind also Caesium-Atomuhren. Sie funktionieren so:
Atome kommen in verschiedenen Energiezuständen vor. Beim Übergang von einem Energiezustand zum anderen werden elektromagnetische Wellen ausgesendet. Sichtbares Licht, Radiowellen und UV-Strahlung beispielsweise sind elektromagnetische Wellen. Diese Wellen haben nach den Gesetzen der Atomphysik eine bestimmte Frequenz: Sie schwingen mit einer bestimmten Zahl von Oszillationen pro Zeitraum. Bei der Caesium-Atomuhr liegt diese Frequenz bei 9 192 631 770 Hertz (Hz). Das heißt, dass die vom Caesium-Atom ausgesandte Strahlung 9 192 631 770 Mal pro Sekunde schwingt, also im Mikrowellenbereich liegt. Diese Schwingungen werden gezählt und zu einer Sekunde addiert.
Dass eine Sekunde aus 9 192 631 770 Schwingungen besteht, ist kein Zufall. Denn die SI-Sekunde (SI: Système international d’u nités – Internationales Einheitensystem) ist seit 1967 genau so definiert. Man hat damals gemessen, wie viele Caesium-Schwingungen vergehen, bis die Zeitspanne von einer Sekunde erreicht ist. Und das waren neun Milliarden und knapp 193 Millionen.
Die genauesten Caesium-Atomuhren weisen heute eine Ganggenauigkeit von 10 -14 Sekunden auf. Das heißt: In drei Millionen Jahren gehen sie eine Sekunde falsch. Doch es gibt schon Uhren, die zehnmal genauer sind: die sogenannten Caesium-Fontänenuhren. Sie weichen in 30 Millionen Jahren um eine Sekunde von der idealen Zeit ab.
Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt betreibt eine dieser Fontänenuhren, genannt „CSF2″. Sie funktioniert ein wenig anders als eine normale Atomuhr: Ein spezieller Laser kühlt die Caesium-Atome so stark, dass sie sich nur noch mit einer Geschwindigkeit von wenigen Millimetern pro Sekunde bewegen und nicht – wie bei Zimmertemperatur – viele Meter pro Sekunde schnell sind. Die Atome werden dazu mit einer Anfangsgeschwindigkeit von vier Meter pro Sekunde vertikal nach oben beschleunigt. Unter dem Einfluss der Schwerkraft fallen sie nach einem Meter wieder nach unten. Auf diesem Weg nach oben und wieder nach unten gibt es Übergänge von einem Energiezustand zum anderen, und elektromagnetische Wellen werden ausgestrahlt. Die Schwingungen dieser Wellen werden gezählt – wie bei der normalen Atomuhr.
Da sich die Atome in der Fontänenuhr viel langsamer bewegen als bei der normalen Atomuhr – in der die Atome eine Geschwindigkeit von bis zu zwei Metern pro Hundertstelsekunde haben –, können sie länger und dementsprechend exakter vermessen werden. Die CSF2 ist bis zu zehnmal genauer als die CS2.
Die Fontänenuhr hat jedoch den entscheidenden Nachteil, dass sie nicht sehr lange betrieben werden kann: Etwa einmal im Monat muss sie gewartet werden, da der für die Kühlung verwendete Laser sehr genau eingestellt und justiert werden muss. Daher können die Ingenieure in der PTB sie nicht zur absoluten Zeitmessung verwenden, sondern nur als Referenz. Sie können also damit die Atomuhr CS2, die über Jahre ohne Aussetzer läuft, auf Genauigkeit prüfen. Die Forscher arbeiten jedoch daran, auch die Fontänenuhr länger als einen Monat am Stück betreiben zu können.
Doch wozu braucht der Mensch solch genaue Uhren? Eine Uhr, die auf die Sekunde genau geht, reicht völlig, könnte man meinen. Doch ohne eine höchst genaue Zeitangabe könnten manche Probleme der physikalischen Grundlagenforschung nicht bearbeitet und etliche Fragen nicht beantwortet werden: Geht eine bewegte Uhr wirklich langsamer als eine ruhende, wie es die Relativitätstheorie vorhersagt? Hängt die Zeit von der Schwerkraft ab?
Die genaue Zeit hat auch praktischen Nutzen: Für Satelliten-Navigationssysteme wie das GPS oder das geplante europäische Galileo wird eine exakte Zeitangabe benötigt. Telekommunikationssysteme, also Telefon, Internet und Handy, sind ebenfalls auf eine genauere Zeit angewiesen, als sie eine sehr genaue Quarzuhr liefern könnte.
Bei der ISDN-Technik zum Beispiel werden Daten zu einem sogenannten Knoten gebündelt und gemeinsam weitergeleitet, um die Übertragungsleitungen wirtschaftlicher nutzen zu können. Damit die Daten exakt zum selben Zeitpunkt zusammentreffen, ist ein möglichst genauer Taktgeber nötig. Die Deutsche Telekom hat dazu 6 Caesium- und 2000 Rubidium-Atomuhren in Betrieb. Letztere sind kleiner, günstiger, aber auch ungenauer als Caesium-Atomuhren. Eine Rubidium-Atomuhr kostet mehrere Tausend Euro.
Für so viel Geld kann man auch eine Uhr kaufen, die lange nicht so genau geht wie eine Atomuhr. Sie sieht vielleicht schicker aus, aber das ist Geschmackssache. Manche edel verzierte, handgefertigte mechanische Armbanduhr ist so teuer. Von 500 bis 500 000 Euro findet man Uhren in jeder Preisklasse. Auf der Uhrenmesse Baselworld im April 2007 haben vor allem bekannte Uhrenhersteller aus der Schweiz einige dieser Modelle vorgestellt. In manchen kommen Hightech-Materialien aus der Luftfahrt zum Einsatz. Andere, eigentlich ganz normale Uhren, sind sündhaft teuer, weil sie beispielsweise mit Rubinen oder Diamanten verziert sind.
Der Uhrenhersteller Harry Winston präsentierte auf der Baselworld eine Uhr aus Zalium, einer Legierung, die hauptsächlich aus dem Schwermetall Zirkonium besteht. Dieser Werkstoff ist härter als Titan und wird in der Luftfahrt verwendet. Preis des ultraharten Zeitmessers: 67 410 Euro. Zenith bietet eine Uhr aus Edelstahl, Titan und Karbonfaser für rund 20 000 Euro an. Ein neues Modell von Chanel ist mit 568 Rubinen besetzt – sein Preis: 550 000 Euro. Luxusuhren sind beliebter denn je. Vor allem die neuen Märkte Russland, Indien und China importieren immer mehr teure Uhren, hauptsächlich aus der Schweiz.
Obwohl in einer hochwertigen mechanischen Uhr keinerlei Elektronik steckt, kann man sie durchaus als Hightech-Uhr bezeichnen. Manche Uhren bestehen aus mehreren Hundert Einzelteilen, viele davon so winzig, dass sie mit bloßem Auge kaum zu erkennen sind. In einer Uhr vom deutschen Uhrenhersteller A. Lange & Söhne zum Beispiel ist das kleinste Bauteil eine Unterlegscheibe mit einem Durchmesser von einem halben Millimeter und einem Gewicht von acht Mikrogramm. Eine mechanische Uhr zu bauen, erfordert Können, Erfahrung – und viel Zeit: Von der Fertigung der Einzelteile bis zur Fertigstellung der Uhr vergehen mehrere Monate bis einige Jahre (siehe Interview „Der beste Uhrmacher der Welt”).
Wie man früher die Zeit gemessen hat
Man könnte eine Atomuhr am Handgelenk tragen, die die Uhrzeit auf die 14. Nachkommastelle genau anzeigt. Doch sie würde für einen Termin denkbar wenig nützen, wenn es nicht auch ein System gäbe, das jedem Tag ein festes Datum zuordnet. Praktischerweise gibt es Kalender, die genau das tun. Und noch praktischer ist, dass die meisten Länder auf der Welt denselben Kalender nutzen.
Der Kalender, der Tage, Monate und Jahre zählt, ist die Urform der Zeitmessung. Zunächst beobachteten die Menschen dazu die kurz- oder langfristigen Veränderungen ihres Lebensumfeldes: Hell und Dunkel nahmen sie als Markierungen für den Tag, die regelmäßigen Veränderungen des Wetters als solche für das Jahr. In über 6000 Jahren Kalendergeschichte haben die Menschen rund 80 Kalendersysteme entwickelt – sofern man nicht allzu genau unterscheidet, denn sonst gäbe es noch viel mehr. Die Babylonier, Inder, Chinesen, die alten Ägypter und Griechen, die Maya und später die Römer hatten alle ihr eigenes Kalendersystem. Bis zum Mittelalter war der von Julius Caesar eingeführte julianische Kalender in Europa am meisten verbreitet. Bei ihm war das Jahr jedoch um elf Minuten zu lang, sodass sich bis zum 16. Jahrhundert eine Differenz von zehn Tagen angesammelt hatte. Der Fehler im Julianischen Kalender war, dass es alle vier Jahre einen Schalttag gab. Dadurch war ein Jahr 365,25 Tage lang. Tatsächlich aber entspricht ein voller Erdumlauf um die Sonne rund 365,2425 Tagen.
Papst Gregor XIII. führte deshalb im 16. Jahrhundert den gregorianischen Kalender ein, der genauer ist als der julianische. Denn er enthält die Regel, dass jedes vierte Jahr ein Schaltjahr ist – mit der Ausnahme der Jahre, deren Jahreszahlen mit zwei Nullen enden (1800, 1900, 2100…). So ergibt sich eine durchschnittliche Jahreslänge von 365,2425 Tagen, die der exakten Jahreslänge viel besser entspricht als das beim julianischen Kalender der Fall ist.
Um die Differenz von zehn Tagen, die sich durch den julianischen Kalender ergeben hatte, auszugleichen, folgte bei Einführung des gregorianischen Kalenders auf den 4. Oktober 1582 direkt der 15. Oktober. Anschließend stellten nach und nach fast alle Länder weltweit ihre Zeitrechnung auf den gregorianischen Kalender um, wenn auch langsam – die Türkei war 1927 eines der letzten Länder, das auf den heute weltweit meistverwendeten Kalender umgestiegen ist.
Doch nicht nur das Messen von Tagen und Jahren, auch das Unterteilen eines Tages hat man früh erfunden – und damit die Uhrzeit. Mit dem Beginn des Handels waren Verabredungen zu einem bestimmten Zeitpunkt nötig, was erstmals die Sonnenuhr ermöglicht hat. Wann genau sie erfunden wurde, ist nicht bekannt. Möglicherweise handelt es sich bei Funden nahe den 5000 Jahre alten Megalith-Anlagen von Knowth und Newgrange in Irland um Sonnenuhren.
Bis zum 13. Jahrhundert nach Christus kam keine echte Innovation. Die alten Ägypter und Griechen haben zwar neben der Sonnenuhr auch eine Wasseruhr benutzt. Sie hatte den Vorteil, dass sie unabhängig war vom Tageslicht. Aber sie war ungenauer als die Sonnenuhr. Hinzu kam, dass sie in der Regel nicht für die absolute, sondern nur für die relative Zeitmessung benutzt werden konnte. So wurden beispielsweise Gefäße aufgestellt, in die Wasser tropfte. Mithilfe von Markierungen am Gefäß und der Ermittlung des Wasserstands konnte man die Zeit in Einheiten einteilen. Die alten Griechen benutzten solch eine Wasseruhr, um die Redezeit vor Gericht zu begrenzen.
Den großen Durchbruch brachte ein Gerät, das urkundlich auf das Jahr 1335 datiert ist: eine mechanische Räderuhr in der Kapelle des Palastes der Visconti in Mailand. Wer sie erfunden hat, ist nicht bekannt, doch fest steht, dass sie die moderne Zeitmessung eingeleitet hat. Sehr genau war diese mechanische Uhr wohl nicht, doch sie funktionierte bereits nach dem Prinzip des schwingenden Systems, das noch heute in Uhren zum Einsatz kommt.
Im Fall der damaligen Räderuhr schwang der sogenannte Waag: zwei Gewichte, die sich auf einer Kreisbahn immer hin und her bewegten. Die Bewegung von einem Ende zum anderen hat optimalerweise immer gleich lange gedauert. Das hat damals zumindest so gut funktioniert, dass man die Zeitspanne von 24 Stunden auf 15 Minuten genau messen konnte. Später haben Pendel und Unruh – ein schwingender Ring mit Gewichten – die Waag ersetzt.
Doch da Luft- und Reibungswiderstand früher oder später die Bewegung eines schwingenden Systems stoppen, muss diesem System ständig Energie zugeführt werden, um es in Bewegung zu halten. Bis 1427, als Heinrich Arnold die Uhrfeder erfand, nutzte man Gewichte (also die Schwerkraft), um die Waag am Schwingen zu halten.
Doch die Abgabe der Energie durch die Gewichte schafft ein neues Problem: Die Energie eines Speichers – also die Lage von Gewichten oder die Spannung einer Feder – nützt nur, wenn sie kontinuierlich und langsam an das Schwingsystem abgegeben wird. Die Energie muss gehemmt werden, wofür die sogenannte Uhrenhemmung sorgte – ein wichtiges Bauteil, das es in zirka 250 verschiedenen Ausführungen gibt. Bis heute steckt die Uhrenhemmung in mechanischen Uhren.
Bis zum 20. Jahrhundert tüftelten Wissenschaftler und Uhrmacher an der Verbesserung der mechanischen Uhren und optimierten die Technik immer weiter. Doch tatsächlich hat sich an ihrem Prinzip nicht viel geändert. 1759 baute der englische Uhrmacher John Harrison, der eigentlich Schreiner war, eine mechanische Seefahreruhr namens „H4″. Am Ende einer mehrmonatigen Seefahrt nach Jamaika ging diese Uhr um nur fünf Sekunden falsch – eine Bilanz, die noch heute Uhrmacher in Staunen versetzt.
Im Jahr 1929 erfand der kanadische Telekommunikations-Ingenieur Warren Alvin Morrison die Quarzuhr. Das war der nächste wichtige Schritt in der Uhrengeschichte. Denn erst die Quarz-Technik ermöglichte es, für den Alltagsbedarf sehr genaue Uhren günstig herzustellen. Mechanische Uhren sind in der Herstellung teuer, da diese in der Regel bis heute viel Handarbeit erfordert.
Wie die Uhr der Zukunft aussehen könnte
Es hat schon eine gewisse Ironie, dass die Zeit immer weiter voranschreitet, aber die Entwicklung der Instrumente zu ihrer Messung quasi seit Jahrzehnten stillsteht. Zwar hat es immer wieder Verbesserungen der Uhren gegeben, doch an echten Innovationen gab es in der Uhrengeschichte weniger als ein Dutzend. So fällt es schwer zu sagen, was sich in der Uhrentechnik in Zukunft ändern wird. Eines ist sicher: So viel, wie man inzwischen von der elektronischen Datenverarbeitung oder von der Unterhaltungselektronik gewohnt ist, wird sich in der Uhrentechnik nicht tun. Die Zeit geht hier sozusagen ein bisschen langsamer. Das Motto könnte lauten: „Never change a running system” („Ändere nie ein funktionierendes System”). Bedarf an einer Weiterentwicklung der Uhrentechnik oder gar an der Einführung einer neuen Technik gibt es nicht.
Was sich jedoch ändert, ist das Drumherum. Technische Geräte werden immer stärker darauf getrimmt, mehr zu sein als das, was sie eigentlich sind. Handys sind heute MP3-Player, Digitalkamera und Telefon in einem, ein Computer ist ein Home Entertainment Center, also auch Fernseher plus Hifi-Anlage. Und Uhren haben eine USB-Schnittstelle, können MP3-Dateien abspielen oder lassen sich zum Telefonieren nutzen. Die Miniaturisierung von Kommunikations- und Unterhaltungsgeräten geht weiter: Wieso also nicht alles in eine Armbanduhr packen?
Das chinesische Unternehmen CEC hat ein Handy entwickelt, das man sich ums Handgelenk schnallen kann. Ob dieses Gerät als Uhr bezeichnet werden kann, ist fraglich. Es kann alles, was ein normales Handy auch kann: telefonieren, SMS verschicken und fotografieren. Der japanische Netzbetreiber NTT Docomo hat schon 2003 ein Handy im Uhrenformat vorgestellt. Mit knapp 1000 Euro ist das Gerät teuer – und zudem durch seine Klobigkeit nicht sonderlich praktisch. Doch die Entwicklung geht weiter, und es ist nur eine Frage der Zeit, bis der nächste Hersteller ein Handy als Armbanduhr vorstellt, in dem noch mehr Funktionen stecken.
Einen anderen Weg geht der Uhrenhersteller Fossil. Er baut zwar keine Handys, arbeitet aber mit dem Handybauer Sony-Ericsson zusammen und will seine Armbanduhr per Funk mit dem Handy verbinden, sodass auf dem Uhrendisplay die Nummer des Anrufers oder der Eingang einer Kurzmitteilung angezeigt wird.
Die größten Schritte in der Entwicklung der Zeitmessung machen die Ingenieure an den Zeitinstituten. Sie wollen die Sekunde in noch kleinere Einheiten einteilen und so eine größere Genauigkeit erreichen als bisher möglich. Ihr neues Projekt: die „optische Uhr”. Sie funktioniert – wie die Fontänenuhr – ähnlich wie eine normale Atomuhr. Allerdings gibt es bei der optischen Uhr keine Mikrowellen, sondern bei ihr werden die energetisch viel weiter auseinanderliegenden Übergänge zwischen den Energieniveaus bei optischen Wellenlängen genutzt. Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt in Braunschweig verwendet für ihre optische Uhr eine Frequenz von 688 Terahertz (688 000 000 000 000 Hertz), die sichtbarem blauem Licht entspricht. Daher kommt auch der Name „ optische Uhr”.
Da hier die Sekunde nicht wie bei der Atomuhr in rund neun Milliarden Einheiten geteilt wird, sondern vielmehr in 688 Billionen, geht die optische Uhr um ein Vielfaches genauer als die Atom- und die Fontänenuhr. Die optische Uhr im deutschen Zeitinstitut PTB könnte, wenn alles gut läuft, eine so geringe Abweichung vorweisen, dass die Uhr um eine halbe Sekunde falsch ginge, wenn man sie zu Beginn des Universums gestartet hätte: eine halbe Sekunde in 13,7 Milliarden Jahren.
Wem nützt eine solch hochgenaue Uhr? Eine praktische Anwendung hätte diese höchst genaue Uhr wohl nicht. Die Atomuhren, die zurzeit in Betrieb sind, reichen bisher für alle technischen Anwendungen aus. Jedoch könnte man manche physikalischen und astronomischen Fragen mit einer solchen Uhr vielleicht besser beantworten, als es bisher möglich war. So könnten Physiker mit ihrer Hilfe herausfinden, ob die Naturkonstanten wirklich konstant sind, zum Beispiel, ob die Lichtgeschwindigkeit tatsächlich überall dieselbe ist oder ob sich die Ladung des Elektrons im Lauf der Zeit nicht vielleicht doch ein wenig verändert hat.
Hinzu kommt ein gewisser sportlicher Ehrgeiz. Zwischen den Zeitinstituten besteht eine Art Wettbewerb, dem anderen den aktuellen Rekord abzujagen und die genaueste Uhr zu bauen. Und der ist auch nötig – denn welchen Nutzen hätte eine höchst präzise Uhr, wenn es keine zweite gäbe, um sie zu überprüfen? Konstantin Zurawski
Konstantin Zurawski
Ohne Titel
Der beste Uhrmacher…
Elf Jahre arbeitete der Schweizer Uhrmacher Paul Gerber (oben) an der „Piguet/Muller/Gerber Grand Complication Watch”, die aus 1116 Einzelteilen besteht. Damit ist diese mechanische Armbanduhr (unten) die komplexeste der Welt. Der 1950 in Bern geborene Gerber betreibt seit 1993 zusammen mit seiner Frau und drei angestellten Uhrmachern in Zürich eine Werkstatt, in der er mechanische Uhren entwickelt und von Hand fertigt. Seine Werke kosten zwischen 10 000 und 50 000 Euro.
… und die komplizierteste Uhr der Welt
bild der wissenschaft: Herr Gerber, was ist das Besondere an einer handgefertigten mechanischen Uhr?
Gerber: Alle Einzelteile einer solchen Uhr werden in minutiöser Arbeit und Genauigkeit bearbeitet. Der persönliche Einsatz und das Herzblut des Uhrmachers leben in den handgefertigten mechanischen Uhren.
bdw: Welche Art von Kunden haben Sie?
Gerber: Es sind Menschen, für die eine Uhr mehr ist als nur ein Instrument für die Zeitmessung. Sie schätzen es, an ihrem Arm ein mechanisches Meisterwerk zu tragen. Selten wandert eine Uhr „ nur” in die Sammlung eines Uhrenliebhabers.
bdw: Wie lange brauchen Sie vom ersten Arbeitsschritt bis zur Fertigstellung einer Uhr?
Gerber: Von der Idee bis zum Prototyp vergehen Monate, vom Prototyp bis zur Fertigstellung können dann ein bis zwei Jahre vergehen.
bdw: Wie viele Uhren bauen Sie pro Jahr?
Gerber: Das ist schwierig zu sagen. Je nach Aufwand der einzelnen Modelle sind es nur ein paar oder zwei bis drei Dutzend. Daneben gibt es auch Anfertigungen, an denen wir mehrere Jahre arbeiten.
bdw: Die von Ihnen umgebaute „Piguet/Muller/Gerber Grand Complication Watch” gilt als die komplizierteste Uhr der Welt. Was war das besonders Schwierige an dieser Uhr?
Gerber: Der Besitzer wollte, dass die Originalsubstanz der Uhr möglichst erhalten bleibt. Die Herausforderung bestand darin, die gewünschten Zusatzfunktionen so einzubauen, dass das Uhrwerk als einheitliches Bild in Erscheinung tritt, so als hätten all die zusätzlichen Teile immer dazugehört.
bdw: Sind Sie besonders geduldig?
Gerber: Ja, ich bin sehr geduldig. Voraussetzungen für den Beruf Uhrmacher sind Geduld und Freude an einem feinen Handwerk. Als Uhrenkonstrukteur braucht man ein riesiges Fachwissen und eine gute Kombinationsgabe.
bdw: Macht der Zusammenbau einer mechanischen Uhr immer Spaß, oder gibt es auch frustrierende Momente, wenn ein Teil nicht dahin passt, wo es eigentlich hin soll?
Gerber: Bei der Entstehung eines neuen Uhrwerks ist eine sehr lange und geduldige Vorarbeit erforderlich. Alle Teile müssen genau passend angefertigt werden. Das Zusammenbauen ist danach die Belohnung.
Ohne Titel
„Zeit ist das, was man an der Uhr abliest”, lautet die so kluge wie unbefriedigende Antwort von Albert Einstein auf die berühmte Frage des Kirchenvaters Augustinus („Was ist also Zeit? Wenn mich niemand danach fragt, weiß ich es; will ich es einem Fragenden erklären, weiß ich es nicht.”). In der Physik ist die Zeit (t) seit Galileo Galilei eine physikalische Variable in Gleichungen wie dem Fallgesetz h = 1/2 . g . t² und v = g . t (h entspricht der Höhe, g der Fall- oder Schwerebeschleunigung, v der Fallgeschwindigkeit). Dies war ein erfolgreicher pragmatischer Ansatz, der Zeit nicht definiert, sondern operationalisiert – also durch den praktischen Umgang mit ihr festlegt und so der philosophischen Grundsatzfrage ausweicht. Freilich lässt sich mit dem Schriftsteller Cees Nooteboom immer noch einwenden: „Schon immer wurde die Zeit mit den Instrumenten verwechselt, die sie messen.” RV