Anzeige
1 Monat GRATIS testen. Danach zum Jubiläumspreis weiterlesen.
Startseite »

Ein „Uhrglas“ aus Radiowellen im Milchstraßenzentrum

Astronomie|Physik

Ein “Uhrglas” aus Radiowellen im Milchstraßenzentrum
RAdioblasen
MeerKAT-Teleskope vor einer Aufnahme der Radioblasen im Milchstraßenzentrum (Bild: University of Oxford/ SRAO)

Im Zentrum unserer Milchstraße sitzt nicht nur ein supermassereiches Schwarzes Loch, auch seine Umgebung enthält ungewöhnliche kosmische Phänomene. Jetzt haben Astronomen mithilfe von Radioteleskopen dort etwas Neues entdeckt: Zwei riesige, nach oben und unten aus der Galaxienebene herausragende Blasen aus schnellen Teilchen und Magnetfeldern. Diese jeweils rund 700 Lichtjahre großen Blasen entstanden wahrscheinlich vor sechs bis sieben Millionen Jahren bei einem enorm energiereichen Ereignis – möglicherweise einem Ausbruch des zentralen Schwarzen Lochs, wie die Forscher berichten.

Im Zentrum der Milchstraße sitzt ein Schwerkraftgigant: Sagittarius A*, ein supermassereiches Schwarzes Loch von rund vier Millionen Sonnenmassen. Verglichen mit Schwarzen Löchern in anderen Galaxienzentren ist Sagittarius A* allerdings eher ruhig und inaktiv: Zwar kommen ihm ab und zu Gaswolken und Sternen gefährlich nahe, zu heftigen Ausbrüchen und dem Verschlingen ganzer Sterne kommt es aber in unserem Galaxienzentrum momentan nicht. Wahrscheinlich war dies aber nicht immer so: Ein Indiz dafür sind zwei gewaltige, vom galaktischen Zentrum ausgehende Gammastrahlen-Blasen, die das Weltraumobservatorium Fermi im Jahr 2010 entdeckte. Diese Blasen aus energiereicher Strahlung und extrem schnellen Gasen ragen bis zu 50.000 Lichtjahre aus der galaktischen Ebene hinaus. Im März 2019 entdeckten Astronomen zudem zwei rund 500 Lichtjahre lange “Schlote” aus Plasma, die diese Blasen mit dem Milchstraßenzentrum verbinden. Beide Phänomene könnten bei einem der letzten größere Ausbrüche des Schwarzen Lochs entstanden sein, so die gängige Theorie.

Duo aus Radiowellen-Blasen

Doch es gibt noch mehr ungewöhnliche Phänomen im Zentrum unserer Galaxie, wie nun Ian Heywood von der University of Oxford und seine Kollegen entdeckt haben. Sie hatten die Region um Sagittarius A* mit den MeerKAT Radioteleskopen des South African Radio Astronomy Observatory (SARAO) in Wellenlängen um 23 Zentimeter beobachtet. Radiostrahlung in diesem Bereich entsteht typischerweise durch Synchrotronstrahlung – eine Strahlung, die frei wird, wenn Elektronen mit starken Magnetfeldern interagieren. Bereits zuvor hatten kleinere Radioteleskope Indizien für energiereiche, Synchrotronstrahlung erzeugende Strukturen im Herzen der Milchstraße entdeckt, darunter zahlreiche Radiofilamente von rund zehn Lichtjahren Länge und einem Lichtjahr Dicke. Doch ihr Ursprung und der kosmische Kontext dieses Phänomens blieben unklar.

Jetzt enthüllen die neuen Aufnahmen der MeerKAT-Teleskope eine weitere, noch viel größere Radiostruktur im Zentrum der Milchstraße. Dabei handelt es sich um zwei riesige Blasen mit hellen Kappen, die senkrecht aus dem Galaxienzentrum herausragen. Diese uhrglasförmige Struktur ist rund 450 Lichtjahre dick und gut 1400 Lichtjahre hoch, wie die Astronomen ermittelten. “Diese enormen Blasen waren bisher von der extrem starken Radiostrahlung aus dem Galaxienzentrum überstrahlt”, erklärt Co-Autor Fernando Camilo vom SARAO. “Sie aus diesem Hintergrund herauszulösen, war eine echte Tour de Force.” Die neuen Aufnahmen zeigen, dass ein Großteil der mehr als 100 aus dem Galaxienzentrum bekannten Radiofilamente innerhalb der neuentdeckten Radioblasen liegen.

Energiereicher Ausbruch des Schwarzen Lochs

Die Radioblasen liegen im gleichen Gebiet wie die deutlich größeren Gammastrahlenblasen, sind aber deutlich kleiner. “Und ähnlich wie bei den Fermiblasen bleibt es unklar, ob der Ursprung dieser Blasen direkt auf den Einfluss des Schwarzen Lochs zurückgeht”, so die Forscher. Angesichts des hohen Energiegehalts der Radioblasen – die Astronomen schätzen ihn auf 7×10 hoch 52 Erg – halten sie es aber für durchaus wahrscheinlich. “Die Form und Symmetrie der Blasen spricht sehr dafür, dass vor einigen Millionen Jahren ein erschütternd starkes Ereignis nahe dem zentralen Schwarzen Loch unserer Galaxie stattfand”, sagt Co-Autor William Cotton vom National Radio Astronomy Observatory in Charlottesville. “Dieser Ausbruch wurde vermutlich durch große Mengen an interstellarem Gas ausgelöst, die in das Schwarze Loch stürzten oder durch einen massiven Schub der Sternbildung, der Schockwellen durch das galaktische Zentrum jagte.”

Anzeige

Früheren Beobachtungen hatten bereits Indizien dafür geliefert, dass das zentrale Schwarze Loch der Milchstraße vor rund zwei Millionen Jahren seinen letzten großen Ausbruch von Strahlung und Energie erlebte. Und auch davor hat es immer wieder Perioden erhöhter Aktivität gegeben, wenn Sterne oder Gaswolken von seiner Schwerkraft eingesogen wurden. “Das zentrale Schwarze Loch der Milchstraße kann von Zeit zu Zeit uncharakteristisch aktiv werden”, sagt Heywood. “Es ist möglich, dass eine solche ‘Fressorgie’ starke Ausbrüche auslöste, die die zuvor unbekannten Radioblasen schufen.”

Quelle: Ian Heywood (University of Oxford) et al., Nature, doi: 10.1038/s41586-019-1532-5

Anzeige
Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

  • Wie kann die Wissenschaft helfen, die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern?
  • Was werden die nächsten großen Innovationen?
  • Was gibt es auf der Erde und im Universum noch zu entdecken?

Hören Sie hier die aktuelle Episode:

Youtube Music
Aktueller Buchtipp

Sonderpublikation in Zusammenarbeit  mit der Baden-Württemberg Stiftung
Jetzt ist morgen
Wie Forscher aus dem Südwesten die digitale Zukunft gestalten

Wissenschaftslexikon

Beu|tel|rat|te  〈f. 19; Zool.〉 amerikan. Beuteltier mit Greifschwanz, Allesfresser: Didelphida

Gi|raf|fen|ga|zel|le  〈f. 19; Zool.〉 Antilope mit stark verlängertem Hals: Lithocranius walleri

Re|si|li|enz  〈f. 20〉 1 〈allg.〉 Widerstandskraft eines Systems gegenüber inneren od. äußeren Störungen 2 〈Psych.〉 Fähigkeit, schwierige Lebenssituationen selbst bewältigen u. ohne nachhaltige Schäden ausgleichen zu können … mehr

» im Lexikon stöbern
Anzeige
Anzeige
Anzeige