In rund fünf Milliarden Jahren wird sich die Sonne zu einem Roten Riesen aufblähen und das gesamte innere Sonnensystem in sich aufnehmen. Was dann mit den Planeten geschieht, haben Astronomen nun erstmals in einem gut 12.000 Lichtjahre entfernten Sternsystem beobachtet. Ein helles Aufleuchten mit monatelangem Nachglühen im Infrarot deutete darauf hin, dass der sonnenähnliche, zum Roten Riesen angewachsene Stern einen großen Planeten von etwa der Masse des Jupiters verschlungen und zerrissen haben muss. Ein Teil des Planetenmaterials wurde dabei ausgeschleudert und kondensierte als heißer Staubkokon um den aufgeblähten Stern. Es ist das erste Mal, dass Astronomen ein solches Ereignis mitverfolgt haben.
Wenn sonnenähnliche Sterne den als Brennstoff für die Kernfusion dienenden Wasserstoffvorrat in ihrem Kern verbraucht haben, setzt die nächste Phase in ihrem Lebenszyklus ein: Weil der Strahlungsdruck aus dem Inneren nachlässt, komprimiert die enorme Schwerkraft des Sterns seine äußere Schale so stark, dass nun auch dort die Wasserstofffusion einsetzt. Als Folge dieses “Schalenbrennens” bläht sich der Stern allmählich immer weiter auf, gleichzeitig sinkt seine Oberflächentemperatur – er wird zum Roten Riesen. Bei unserer Sonne wird diese Phase in rund fünf Milliarden Jahren einsetzen. Sie wird dann so weit anschwellen, dass sie die inneren Planeten und wahrscheinlich auch die Erde verschlingen wird. Astronomen haben bereits einige Exoplaneten entdeckt, die möglicherweise kurz vor ihrer Zerstörung durch ihren Mutterstern stehen und auch die Relikte von Planeten, die von Roten Riesen verschlungen wurden, wurden schon entdeckt. Nur das Ereignis selbst konnten Astronomen nicht direkt beobachten – bis jetzt.
Helles Aufleuchten und langes Nachglühen
Astronomen um Kishalay De vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge ist es nun erstmals gelungen, einen Roten Riesen beim Verschlingen eines Planeten zu beobachten. Entdeckt haben sie das Ereignis eher zufällig, denn eigentlich suchte das Team mithilfe der Zwicky Transient Facility (ZTF) am kalifornischen Palomar Observatorium nach Strahlungsausbrüchen in Doppelsternsystemen. “In einer Nacht bemerkte ich einen Stern, der im Laufe einer Woche um das Hundertfache heller wurde – quasi aus dem Nichts”, berichtet De. “Dies war anders als jeder andere stellare Ausbruch, den ich in meinem Leben schon gesehen hatte.” Der Ausbruch im sichtbaren Licht hielt rund zehn Tage an und schwächte sich dann deutlich ab. Er schien von einem gut 12.000 Lichtjahre entfernten System im Sternbild Aquila auszugehen. Um herauszufinden, um was für ein Ereignis es sich handelte, werteten die Astronomen spektroskopische Daten von einem der Teleskope des Keck Observatoriums auf Hawaii aus.
Diese Analysen zeigten, dass das bei diesem ZTF SLRN-2020 getauften Ereignis ausgestrahlte Licht kaum spektrale Signaturen von Wasserstoff und Helium enthielt, wie normalerweise bei der Interaktion zweier Sterne in einem Doppelsystem der Fall. Stattdessen zeigten sich die Emissionslinien verschiedener Metalle wie Natrium, Magnesium und Barium sowie die Signatur einiger Metalloxide. “Solche Moleküle sehen wir nur bei Sternen, die sehr kalt sind”, erklärt De. “Aber wenn ein Stern an Helligkeit zunimmt, wird er normalerweise auch heißer.” In diesem Fall war dies aber nicht der Fall, was gegen eine normale Doppelstern-Interaktion sprach. Dafür enthüllten Daten von Infrarotteleskopen wie dem Gemini South Teleskop auf Hawaii und dem NEOWISE-Satelliten der NASA ein ungewöhnlich helles und rund 15 Monate lang anhaltendes Nachleuchten im Infrarotbereich. Das Team führt diese Strahlung auf größere Mengen an Material zurück, die beim anfänglichen Ausbruch ins All geschleudert wurden, dort abkühlten, zu Staub kondensierten und dann einen warmen Staubkokon um den Ort des Geschehens bildeten.
Jupitergroßer Exoplanet stürzt in seinen Stern
“Damit erinnert das Geschehen an eine Rote Nova”, erklären die Astronomen. Bei diesem Ereignis kollidieren zwei Sterne und der größere verschlingt dabei seinen kleineren Begleiter. Weil dabei größere Mengen an stellarem Material ausgeschleudert werden, kommt es zu einem ähnlichen Nachleuchten wie bei ZTF SLRN-2020 – allerdings deutlich stärker. Aus den Daten des Infrarot-Satelliten NEOWISE ermittelten De und seine Kollegen, dass das Ereignis nur rund ein Tausendstel bis Zehntausendstel der bei einer solchen Roten Nova üblichen Material- und Energiemenge freisetzte. “Das bedeutet, dass das hier verschlungenen Objekt tausendmal kleiner sein muss als ein gängiger Stern”, sagt De. “Und wie es der Zufall will, hat der Jupiter rund ein Tausendstel der Sonnenmasse. An diesem Punkt wurde uns klar: Was wir hier sehen ist ein Planet, der in seinen Stern fällt.” Anhand der Daten schätzen die Astronomen die Masse des Planeten auf ein bis zehn Jupitermassen, die des Sterns auf 0,8 bis 1,5 Sonnenmassen.
Nach Angaben der Astronomen spricht damit alles dafür, dass das helle Aufleuchten von ZTF SLRN-2020 und das darauffolgende Nachglühen durch das Ende eines Planeten in seinem Stern verursacht wurde. Der wahrscheinlich etwa jupitergroße Gasriese kreiste um einen alten Stern, der sich allmählich zum Roten Riesen aufgeblähte und ihn schließlich verschlungen hat. Beim Sturz des Planeten in den Roten Riesen wurde Material ausgeschleudert, das sich als heißer Kokon um den Stern legte und die intensive Infrarotstrahlung abgegeben hat. “Wir sehen hier das Endstadium des Verschlingens”, sagt De. “Das macht diese Entdeckung wirklich spannend: Seit Jahrzehnten haben wir das Davor und Danach beobachtet, aber konnten einen Stern nie auf frischer Tat ertappen. Jetzt haben wir dieses Schicksal eines Planeten quasi in Echtzeit beobachtet.” Wissenschaftlich wertvoll ist diese Beobachtung aber auch deshalb, weil sie das vorwegnimmt, was der Erde in gut fünf Milliarden Jahren bevorstehen wird: “Wir sehen die Zukunft der Erde”, sagt De. “Wenn eine andere Zivilisation uns aus 10.000 Lichtjahren Entfernung beobachten würde, während die Sonne die Erde verschlingt, dann würde sie ein plötzliches Aufleuchten der Sonne sehen, während sie Material ausschleudert und sich dann Staub um sie herum bildet.”
Quelle: Kishalay De (Massachusetts Institute of Technology (MIT), Cambridge) et al., Nature, doi: 10.1038/s41586-023-05842-x