Ein internationales Forscherteam hat den bislang besten Nachweis für ein supermassives Schwarzes Loch im Zentrum unserer Milchstraße geliefert. Die Astronomen um Stefan Gillessen vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching bei München werteten Beobachtungsdaten von rund 28 Sternen aus den vergangenen 16 Jahren aus. Diese Sterne umkreisen das Schwarze Loch auf überwiegend zufällig verteilten Bahnen. Im Beobachtungszeitraum schaffte der S2 genannte Stern sogar eine ganze Umrundung des Schwarzen Lochs. Den Messungen zufolge schätzen die Forscher die Gesamtmasse des Gravitationsmonsters auf 4,3 Millionen Sonnenmassen. Aus der Beobachtung können weitere Schlüsse auf die Entwicklung des Schwarzen Lochs und seiner nächsten Sterne im Zentrum der Galaxie gezogen werden.
Im Zentrum der Milchstraße vermuten Astronomen ein riesiges
Schwarzes Loch, das durch seine großen Gravitationskräfte die gesamte Umgebung dominiert. Allerdings ist die direkte Beobachtung des Zentrums im sichtbaren Licht durch Gas und Staub verwehrt. Forscher nutzen daher Satelliten oder erdgebundene Teleskope, um das Sagittarius A* (spricht: A-Stern) genannte Schwarze Loch im infraroten
Spektralbereich auszumachen. Die Sterne um das Schwarze Loch senden dieses
Infrarotlicht aus. Die ersten Messungen starteten bereits im Jahr 1992 mit einem Teleskop der Europäischen Südsternwarte im chilenischen La Silla. Mit dem Fortschritt der Teleskoptechnik nahmen Wissenschaftler immer wieder das galaktische Zentrum mit neuen Teleskopgenerationen ins Visier.
In insgesamt 50 Beobachtungsnächten, verteilt über 16 Jahre, konnten Gillessen und seine Kollegen die Bahnen von 28 Sternen um das Schwarze Loch bestimmen. Der Stern S2 raste dabei so schnell, dass er sogar eine geschlossene Bahn absolvierte. Aus den Bahndaten berechneten die Forscher die Gesamtmasse des Schwarzen Lochs auf 4,3 Millionen Sonnenmassen und einen Abstand zur Erde von rund 27.000 Lichtjahren. “Die Sterne in der innersten Region um das Schwarze Loch bewegen sich auf zufälligen Bahnen”, sagt Gillessen. Sechs der Sterne kreisen allerdings in einer Scheibenformation, was auch frühere Beobachtungen schon nahegelegt hatten.
Die detaillierte Beobachtung wirft für die Astronomen auch neue Fragen auf. Sie rätseln, wie diese jungen Sterne in den nahen Umlaufbahnen um das Schwarze Loch entstanden sein könnten. Die beiden möglichen Szenarien erscheinen unplausibel: Die Sterne können nicht auf ihren jetzigen Bahnen entstanden sein, da sie sonst durch die Gezeitenkräfte des Schwarzen Lochs zerrissen worden wären. Auch sind sie zu jung, um aus der weiteren Umgebung nach innen gedriftet zu sein. Gillessen und seine Kollegen hoffen, mit neuen Teleskoptechniken, die noch zehn- bis hundertmal genauere Beobachtungen ermöglichen sollten, dieses Rätsel zu lösen.
Stefan Gillessen (Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik, Garching) et al.: arXiv.org, Online-Vorabveröffentlichung (arxiv.org/abs/0810.4674) ddp/wissenschaft.de ? Martin Schäfer