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Ein frühes Schwarzes Loch gibt Geheimnisse preis

Astronomie

Ein frühes Schwarzes Loch gibt Geheimnisse preis
Künstlerische Darstellung eines sogenannten Quasars: Ein Schwarzes Loch das von einer hellen Akkretionsscheibe und einem Staubtorus umgeben ist. © T. Müller / MPIA

Doch kein besonders intensives Futtern im frühen Kosmos: Der analytische Blick auf ein extrem weit entferntes Schwarzes Loch widerspricht dem Erklärungsansatz, wonach die Gravitationsgiganten des frühen Kosmos durch übermäßige “Gefräßigkeit” so schnell heranwuchsen. Denn aus den Beobachtungen geht hervor, dass das nun beobachtete supermassereiche Schwarze Loch schon etwa 770 Millionen Jahre nach dem Urknall in ähnlicher Weise wuchs wie die heutigen Exemplare. Dies legt nahe, dass die frühen Schwarzen Löcher schon von vornherein mit hohen Massen entstanden sind, sagen die Forschenden.

Mit dem Urknall ging es los: Der astronomischen Forschung zufolge entstand vor etwa 13,8 Milliarden Jahren unser Weltall durch die Ausbreitung der Urmaterie von einem kosmologischen Zentrum aus. In der Folge bildeten sich die ersten Himmelskörper und Galaxien. Im Verlauf der Jahrmilliarden veränderten sie sich dann weiter: Die Galaxien wuchsen, indem sie sich zunehmend Gas aus ihrer Umgebung einverleibten oder es entstanden besonders große Exemplare durch Verschmelzungen. Lange nahm man an, dass im Zuge dieser Entwicklungen auch die supermassereichen schwarzen Löcher in den Zentren der Galaxien zu ihren teils gigantischen Ausmaßen heranwuchsen. Indem sie sich immer mehr Materie einverleibten, bauten sie bis zu mehrere Milliarden Sonnenmassen auf.

Dieser Prozess macht sich durch das starke Aufleuchten der sogenannten Akkretionsscheibe um ein Schwarzes Loch bemerkbar. Diese aktiven galaktischen Kerne mit enormer Strahlkraft werden auch als Quasare bezeichnet. Anhand bestimmter Merkmale lassen sie Rückschlüsse auf die Masse des zentralen Schwarzen Lochs zu. Das Interesse der Astronomen richtet sich dabei insbesondere auf die Quasare der kosmischen Frühzeit. Der Blick in die Vergangenheit ist dabei durch die Entfernung möglich, da das Licht eines Objekts Zeit benötigt, um zu uns zu gelangen. Anhand seiner spektralen Rotverschiebung lassen sich die Entfernung und damit die Tiefe des Rückblicks bestimmen. Die Quasare mit der weitesten bekannten Entfernung erscheinen uns dadurch so, wie sie weniger als eine Milliarde Jahre nach dem Urknall ausgesehen haben.

Jung und besonders gefräßig?

Zunächst hatten Astronomen eigentlich erwartet, dass die sehr jungen Quasar-Exemplare noch deutlich weniger massereich waren als die reiferen Versionen, da sie in der kurzen Zeit seit dem Urknall noch nicht so viel Materie fressen konnten. Doch in den letzten zwanzig Jahren wurden bei Schwarzen Löchern aus der Zeit der kosmischen Dämmerung teils bis zu zehn Milliarden Sonnenmassen festgestellt. Dieser überraschende Massereichtum lässt sich dabei schwer durch astronomische Modelle erklären. Als eine plausible Möglichkeit erschien allerdings bisher, dass frühe Schwarze Löcher noch effizienter durch Materie gespeist wurden als die späteren. Außerdem standen mögliche Messfehler zur Debatte: Es erschien bisher möglich, dass Staubansammlungen die Beobachtungen von jungen Quasaren so beeinflussen, dass die Massen der Schwarzen Löcher zu hoch eingeschätzt werden.

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Um zur Klärung des Rätsels beizutragen, haben nun die Forschenden um Sarah Bosman vom Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA) in Heidelberg einen der weitesten entfernten bekannten Quasare erneut ins Visier genommen: J1120+0641 erscheint im Sternbild Löwe und aus der Rotverschiebung seines Lichts geht hervor, dass wir diesen Quasar in einem Zustand bei etwa 770 Millionen Jahren nach dem Urknall sehen. Das Team hat ihn nun mit dem MIRI-Spektrometer des James-Webb-Weltraumteleskops untersucht. Erfasst wurde dabei die spektrale Signatur des Lichts im mittleren Infrarotbereich. Wie die Forschenden erklären, spiegeln sich in den Daten Informationen über die Eigenschaften der Akkretionsscheibe und des weiter außen gelegenen Staubtorus des Quasars wider. Diese Strukturen leiten Materie zu dem zentralen Schwarzen Loch – es handelt sich gleichsam um seine Fütterungs-Strukturen.

Überraschend unauffällig

Wie das Team berichtet, ging aus dem analytischen Blick auf den frühen Quasar hervor: Zunächst ließ sich die Masse des Schwarzen Lochs im Zentrum von J1120+0641 anhand der Daten nun auf etwa 1,5 Milliarden Sonnenmassen eingrenzen. Grundsätzlich lieferten die spektralen Analysen der Akkretionsscheibe keine Hinweise darauf, dass das Licht des Quasars durch überdurchschnittlich viel Staub beeinflusst wird. Damit erscheint also unwahrscheinlich, dass die Massen früher Schwarzer Löcher bisher schlicht überschätzt wurden, sagen die Forschenden. Für die Theorie der besonders intensiven Fütterung fanden sie allerdings ebenfalls keine Hinweise. Aus den spektralen Daten, die Rückschlüsse auf die Akkretionsscheibe sowie den Staubtorus des frühen Quasars ermöglichen, ging hervor: Die Rate des Materieverschlingens unterscheidet sich bei diesem Quasar kaum von Gegenstücken aus späteren Zeiten.

Bei so gut wie allen Eigenschaften, die sich aus dem Spektrum ableiten lassen, zeigt J1120+0641 keine auffälligen Merkmale, resümieren die Forschenden. “Mit unseren Beobachtungen wird das Rätsel noch ein bisschen rätselhafter. Frühe Quasare waren überraschend normal. Unabhängig davon, bei welchen Wellenlängen wir sie beobachten, sind Quasare offenbar in allen Epochen des Universums nahezu identisch”, sagt Bosman. Die Studienergebnisse legen somit nahe, dass nicht nur die supermassereichen Schwarzen Löcher selbst, sondern auch ihre Fütterungsmechanismen schon in der Jugend des Universums “ausgereift” waren.

Doch wie lassen sich nun die überraschend großen Massen früher Schwarzer Löcher erklären? Die Befunde legen den Forschern zufolge nahe, dass sie dieses Merkmal wohl schon von Anfang an besaßen und der allmählichen Ansammlung von Materie somit weniger Bedeutung zukommt. Konkret könnten supermassereiche Schwarze Löcher demnach nicht aus den Überresten früher Sterne und weiteren Zuströmen entstanden sein. Stattdessen könnten sie sich durch den Kollaps massereicher früher Gaswolken von vornherein mit Massen von mindestens hunderttausend Sonnenmassen gebildet haben, so die mögliche Erklärung.

Quelle: Max-Planck-Institut für Astronomie, Fachartikel: Nature Astronomie, doi: 10.1038/s41550-024-02273-0

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