Doppelsterne sind im Kosmos keine Seltenheit – ganz im Gegenteil. Doch wie solche stellaren Paare entstehen, ist bisher unklar. Jetzt ist es Astronomen gelungen, ein Sternenpaar kurz nach seiner Geburt zu beobachten: Mithilfe des Atacama Large Millimeter/Submillimeter Array (ALMA) erkundeten sie eine dichte Staub- und Gaswolke, in der zwei leuchtende Flecke die gemeinsame Entstehung zweier massereicher Sterne anzeigen. Die Präsenz zweier solcher Sterne in einer Entstehungsscheibe spricht dafür, dass diese und auch andere massereiche Doppelsterne durch Fragmentierung einer dichten Materiewolke gebildet werden.
Ein Großteil aller Sterne im Kosmos haben einen nahen Partner – sie sind Doppelsterne. Astronomen vermuten sogar, dass fast alle Sterne zunächst im Doppelpack geboren werden, einige sich dann aber später wieder trennen. Auch unsere Sonne könnte demnach einst als Teil eines Paares entstanden sein. Doch wie solche Doppelsterne entstehen, ist bislang strittig – auch weil Astronomen bisher kaum “Zwillingsgeburten” beobachten konnten: “Nahezu alle Information über die Merkmale von Doppelsternen stammen aus der Beobachtung bereits fertig gebildeter Sterne”, erklären Yichen Zhang vom RIKEN-Forschungszentrum in Japan und seine Kollegen. Einer Theorie nach fängt ein massereicher Jungstern im dichten Gedränge der Sternenwiege einen kleineren Partner einfach ein. Einer anderen Theorie zufolge teilt sich die kollabierende Materiewolke bei der Sternengeburt, so dass sich zwei Partner mit annähernd gleicher Masse bilden – wie eineiige Zwillinge.
Zwei Protosterne in einer Urwolke
Mehr Einblick in die Geburt von Doppelsternen liefern nun neue Beobachtungsdaten des ALMA-Teleskops. Dessen Antennen empfangen Strahlung im Radio- und Mikrowellenbereich – und tasten damit die langwellige Strahlung ab, die selbst verhüllende Staub- und Gaswolken passieren können. Deshalb ist dieses Teleskop besonders gut dafür geeignet, in Sternenwiegen hineinzublicken. In der rund 5500 Lichtjahre entfernten Sternbildungsregion IRAS07299-1651 sind nun Zhang und sein Team auf eine Auffälligkeit gestoßen: Eine bei niedrigerer Auflösung nur als heller Fleck erscheinende Zone entpuppt sich in den scharfen ALMA-Aufnahmen als Doppelquelle: “Die Aufnahmen zeigen zwei kompakte Quellen mit einem scheinbaren Abstand von 180 astronomischen Einheiten”, berichten die Astronomen.
Aus näheren Analysen der Aufnahmen schließen die Forscher, dass es sich dabei um zwei Protosterne handeln könnte, die einander im Verlauf von 570 Jahren einmal umkreisen. Darauf deuten unter anderem die Geschwindigkeits-Gradienten im umgebenden Gas hin. Es handelt sich demnach höchstwahrscheinlich um ein Doppelsternsystem bei seiner Geburt. “Das ist ein aufregender Fund”, sagt Zhang. “Wir werden hier Zeugen der Entstehung eines massereichen Doppelsterns.” Die beiden Protosterne dieses Systems besitzen zusammen eine Masse von rund 18 Sonnenmasse, der zweite Stern ist dabei nur rund 20 Prozent leichter als sein schwererer Partner, wie die Astronomen ermittelten.
Zerfallene Scheibe
Spannend ist das neuentdeckte System aber vor allem, weil es wertvollen Aufschluss über seine Entstehung liefert. Demnach bildeten sich die beiden Protosterne höchstwahrscheinlich durch in der gleichen Ausgangswolke. “Unsere Ergebnisse stützen ein Szenario der Scheibenfragmentierung für die Bildung massereicher Doppelsterne”, sagen die Forscher. “Denn man sieht großräumige Strukturen, die zu einem Kollaps einer Hülle zu einer zentralen Scheibe passen.” Demnach fiel die Ursprungswolke dieser Sterne unter ihrer eigenen Schwerkraft in sich zusammen. Die dabei entstehende rotierenden Scheibe zerfiel jedoch in zwei Teile. “In diesem Fall war eine gravitationsbedingte Instabilität in der massereichen Scheibe um den ersten Stern die Ursache der Fragmentation”, so die Astronomen. Nach der Teilung bildete sich im Zentrum der etwas größere Primärstern aus dem zweiten Fragment entstand eine eigene kleine Akkretionsscheibe mit dem zweiten Protostern.
“Unsere Beobachtungen zeigen eindeutig, dass die Trennung bei Doppelsternen schon früh stattfindet, noch während sie in ihrem Embryonalstadium sind”, sagt Zhang. “Jetzt ist es allerdings wichtig nach weiteren Beispielen für diesen Entstehungsmechanismus zu suchen. Damit wir wissen, ob das nur ein Einzelfall ist oder aber ob dies die Norm für die Geburt massereicher Sterne ist.”
Quelle: Yichen Zhang (RIKEN Cluster for Pioneering Research, Saitama) et al., Nature Astronomy, doi: 10.1038/s41550-019-0718-y