„Die Mammutfauna genannte Tiergruppe bewohnte während der letzten Kaltzeit des Eiszeitalters, etwa zwischen 100.000 und 20.000 Jahren vor heute, ein Gebiet von Spanien im Westen bis zum Pazifischen Ozean im Osten und von der Arktis im Norden bis zum Mittelmeer im Süden – ein wahrhaft gigantischer Lebensraum”, sagt Kahlke. Neben dem Mammut umfasste diese Tiergesellschaft weitere charakteristische Kältespezialisten: Moschusochsen, Fellnashörnern, Saiga-Antilopen und Rentiere zogen gemeinsam mit den haarigen Rüsseltieren durch die endlosen Graslandschaften. In mehr als zehnjähriger Forschungsarbeit hat Kahlke Fossilien aus den vergangenen 2,6 Millionen Jahren von mehr als 500 Fundstellen aus dem gesamten eurasischen Raum analysiert. So konnte er erstmals Hauptregionen identifizieren, in denen sich Tierarten über mehrere Millionen Jahre hinweg zu den kälteresistenten Vertreter der Mammutfauna entwickelten.
„Es zeichnen sich deutlich zwei Hauptquellen für den Ursprung der Mammutfauna ab”, berichtet Kahlke: „Zentralasiatische Steppen im Süden und arktische Tundren im Norden”. Ihm zufolge bildeten Faktoren der Kontinentalverschiebung eine wichtige Grundlage:
Durch die Kollision der Indischen und Afrikanischen Kontinentalplatten mit Eurasien vor etwa 50 Millionen Jahren entstanden Hochgebirgsketten, die sich von den Pyrenäen im Westen bis zum Himalaya und dem Tibet-Plateau im Osten erstreckten. Diese natürlichen Barrieren unterbanden den Zustrom feuchter Meeresluft aus dem Süden. Dadurch entstanden in Zentralasien zunehmend steppenartige Landschaften mit ausgeprägten jahres- und tageszeitlichen Temperaturschwankungen. Die Tiere dieser Region passten sich daran an: Säugetiere, wie Saiga-Antilopen und frühe Fellnashörner wurden hart im Nehmen. „Beste Voraussetzungen, um in späteren Eiszeiten zu überleben!”, so Kahlke.
Viele Faktoren führten zur charakteristischen Mischung
Frühe Tundrengebiete im hohen Norden bildeten den zweiten Herkunftsraum für Tiere der späteren Mammutfaunen, sagt Kahlke. Vor 2,9 bis 2,6 Millionen Jahren entstand hier ein zirkumpolarer Tundrengürtel. Diese neuen Kältesteppen eröffneten einigen Säugetieren kleiner und mittlerer Körpermasse neue Entwicklungsmöglichkeiten. Es entstanden beispielsweise Rentiere und Moschusochsen – zwei Tierarten, die sich später erfolgreich in die eiszeitlichen Mammutfaunen einreihten.
Vor etwa 460.000 Jahren verschwand Kahlke zufolge dann der taigaähnliche eurasische Waldgürtel, der bis dahin Steppe und Tundra getrennt hatte. So konnten Mammuts, Fellnashörner und Saiga-Antilopen aus dem innerasiatischen Raum bis nach Mitteleuropa einwandern. Aus dem Norden reihten sich dann Moschusochse, Rentier und Polarfuchs ein und vereinigten sich mit den Vertretern aus dem Süden zu einer an Trockenheit und Kälte angepassten Tierwelt – der Mammutfauna. „Die vielschichtige Entstehung zeigt: Nicht allein die globale Klimaabkühlung war der Schlüssel für die erfolgreiche Entwicklung der Mammutfauna. Vielmehr waren es mehrere Faktoren – geologische, biologische, klimatische und ökologische –, die letztlich zu der weiten Ausbreitung der Eiszeittiere führten”, resümiert Kahlke.
Ab vor etwa 12.000 Jahren begann dann die Herrschaft der eiszeitlichen Gemeinschaft zu bröckeln: Die Klimaerwärmung und die Wiederbewaldung weiter Gebiete Eurasiens drängte sie zurück und führte schließlich zum Aussterben einiger Arten – so verschwand auch der Namensgeber der Gemeinschaft – das Mammut. Als echte Überlebenskünstler erwiesen sich hingegen Rentier, Moschusochse und Saiga-Antilope. Sie existieren bis heute in der der arktischen Tundra und der kontinentalasiatischen Steppe.