Was dem Planeten letztendlich nur eine kleine Wunde zufügte, stürzte das Leben darauf in eine große Krise. Nach dem Ende des sogenannten Erdaltertums war die Evolution Millionen Jahre lang in gewohnten Bahnen verlaufen. Immer wieder starben Arten aus, während andere entstanden. Kurz vor der Katastrophe, gegen Ende der erdgeschichtlichen Kreidezeit, waren die Dinosaurier noch die bestimmenden Lebewesen auf der Erde. Das Land regierte der Räuber Tyrannosaurus rex, begleitet von pflanzenfressenden Hornsauriern wie dem dreigehörnten Triceratops. Flugsaurier beherrschten die Lüfte und Fischsaurier das Meer. Seit 150 Millionen Jahren unangefochten, fielen sie jetzt dem Irrläufer aus dem All zum Opfer.
Durch den Einschlag brannten noch in Tausenden Kilometer Entfernung die Wälder. Ganz Nordamerika stand in Flammen. Darauf folgte eine monatelange Dunkelheit durch Asche und Staub in der Luft. Sie entzog den übriggebliebenen Pflanzen die Lebensenergie und kühlte die Erde merklich ab. Der Staub legte sich allmählich wie ein Leichentuch über die verödete Erde und verfestigte sich zu einer wenige Zentimeter dicken Tonschicht.
Später heizte sich das Klima auf: Der verdampfte Kalkstein aus Yucatan setzte viel Kohlendioxid und Sulfate frei. Die regneten als Schwefelsäure auf die Erde herab und griffen die kalkigen Schalen der Foraminiferen an. Diese Einzeller waren die bevorzugte Nahrung der in großer Zahl im Meer lebenden schneckenförmigen Ammoniten, die nun ausnahmslos zugrunde gingen. Die Nahrungskette im Meer brach zusammen – und ebenso die an Land.
Als sich das Leben nach Hunderttausenden von Jahren wieder erholt hatte, besaß die Welt ein neues Gesicht. Alle Dinosaurierarten waren verschwunden und mit ihnen Flugsaurier, Plesiosaurier, Ammoniten und viele einzellige Foraminiferen. 70 Prozent aller Arten gab es nicht mehr, keine Tiergruppe kam ungeschoren davon. Auch die Pflanzenwelt hatte sich verändert: Nach den Bränden in Nordamerika besiedelten zunächst Farne das verwüstete Land, später kehrten größere Pflanzen zurück. Säugetiere nahmen die frei gewordenen Lebensräume in Besitz, und innerhalb von nur zehn Millionen Jahren entwickelten sich aus den kümmerlichen Säugern der Kreidezeit viele Gattungen und Familien, die wir heute kennen.
Dieses Szenario hält inzwischen die Mehrheit der Geowissenschaftler für wahrscheinlich. Um endlich genaueres zu wissen, soll in diesem Jahr im Krater vier bis fünf Kilometer tief gebohrt werden. Bei einem internationalen Bohrprogramm steht Chicxulub ganz oben auf der Wunschliste. Die Wissenschafter wollen unter anderem herausfinden, wie der gewaltige Meteoriteneinschlag die Umwelt damals verändert hat – immerhin wurde dabei auf einen Schlag etwa ein Zehntel der heutigen Kohlendioxid-Menge der Atmosphäre frei.