Nahe am absoluten Nullpunkt der Temperatur wird’s spannend: Es entsteht Materie mit bizarren und spannenden Eigenschaften. Die „extreme“ Physik und Materialforschung bildet das Titelthema der April-Ausgabe von bild der wissenschaft: bdw-Redakteur Ralf Butscher berichtet über seinen Besuch bei Wolfgang Ketterle am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge. Er hat mit dem Physik-Nobelpreisträger über das faszinierende Forschungsfeld gesprochen und Einblicke in seine „coole“ Forschungseinrichtung erhalten.
Ralf Butscher ist gleichsam zu einem heiligen Ort der Physik gepilgert, denn vor fast 25 Jahren haben Forscher um Wolfgang Ketterle am MIT Wissenschaftsgeschichte geschrieben: Sie haben eine skurrile Form der Quanten-Materie hergestellt und beschrieben – das sogenannte Bose-Einstein-Kondensat. 2001 erhielt Ketterle dann den Physik-Nobelpreis für seine Arbeit – gemeinsam mit zwei weiteren Pionieren der Erforschung des Bose-Einstein-Kondensats.
Es handelt sich dabei um Materie in einem Zustand, in dem sie sich nicht mehr wie eine Zusammenballung einzelner Atome verhält, sondern wie eine Welle. Dass es diese Form geben kann, hatte Albert Einstein bereits 1924 vorhergesagt – auf der Basis von theoretischen Arbeiten des indischen Physikers Satyendranath Bose. Durch extreme Kälte haben die Forscher diesen Zustand erstmals 1995 herbeigeführt: Es war ihnen gelungen, eine Gaswolke bis zu einer Temperatur nahe null Kelvin abzukühlen. Dieser absolute Nullpunkt entspricht minus 273,15 Grad Celsius. In den vergangenen Jahren haben sich die Forscher um Ketterle dieser frostigen Marke der Natur immer weiter genähert – bis auf wenige milliardstel Grad. Und zwar durch raffinierte Techniken, wie Butscher von seinem Besuch in den Labors berichtet.
Exotische Materie mit Potenzial
Mittlerweile ist das Erzeugen von Bose-Einstein-Kondensat zur Routine geworden und es hat sich auf der Grundlage dieser Technologie ein ganzes Forschungsfeld entwickelt. Die Quantenphysiker erkunden die exotische Materie immer weiter und loten auch mögliche Anwendungen aus, wie Butscher im Hauptartikel „Cooler Quanten-Cocktail“ des bdw-Titelthemas detailliert berichtet. Vor allem zeichnet sich Potenzial in der Materialforschung ab: Die Atome, die nahe am absoluten Nullpunkt fast stillstehen, lassen sich gezielt zu neuen Materialien anordnen. „Man kann dadurch Materie wie aus Lego-Steinen aufbauen“, sagt Ketterle. Mit einem solchen atomaren Baukasten lassen sich sogar Materialien zusammensetzen, die es bisher nicht gegeben hat. Die Entwicklung maßgeschneiderter Werkstoffe scheint dadurch möglich, berichtet Butscher.
Abgerundet wird das bdw-Titelthema von einem Interview, in dem Ketterle konkrete Fragen zu den Grundlagen sowie zur Geschichte, Gegenwart und Zukunft des spannenden Forschungsfeldes beantwortet. Darin erklärt der Nobelpreisträger beispielsweise auch, warum man sich dem absoluten Nullpunkt immer nur annähern kann, ihn aber nie erreichen wird. Rückblickend sagt Ketterle über die Entwicklungen im Lauf seiner Wissenschaftler-Karriere: „Das habe ich in der kühnsten Fantasie nicht vorhergesehen“.
Das Titelthema „Physik bizarr“ finden sie nun in der April-Ausgabe von bild der wissenschaft, die ab dem 19. März im Handel erhältlich ist.