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Brauner Zwerg entpuppt sich als Doppelsystem

Astronomie|Physik

Brauner Zwerg entpuppt sich als Doppelsystem
Gliese 229
Gliese 229B war der erste von Astronomen entdeckte Braune Zwerg. Jetzt zeigt sich, dass er in Wirklichkeit aus zwei kleinen, sich eng umkreisenden Braunen Zwergen besteht. © K. Miller, R. Hurt (Caltech/IPAC)

Der Braune Zwerg Gliese 229B ist eine Berühmtheit unter den Himmelsobjekten, denn er war der erste eindeutig identifizierte Braune Zwerg – einer Zwischenform von Planet und Stern. Jetzt haben Astronomen eines der großen Rätsel von Gliese 229B gelöst: Warum dieser Braune Zwerg für seine große Masse von rund 71 Jupitermassen viel zu leuchtschwach ist. Aufnahmen mit dem Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte in Chile enthüllen, dass dieser Braune Zwerg in Wirklichkeit ein Doppelsystem ist. In ihm umkreisen sich zwei Braune Zwerge von 34- und 38-facher Jupitermasse so eng, dass sie in den bisherigen Beobachtungen nicht voneinander zu trennen waren. Die neuen Erkenntnisse werfen nun allerdings Fragen zur Entstehung solcher extrem engen Paare Brauner Zwerge auf.

Sie sind zu klein und kalt um Sterne zu sein, aber zu warm und massereich für Planeten: Braune Zwerge gelten als “gescheiterte Sterne”, denn ihre Masse reicht nicht aus, um die Wasserstofffusion in ihrem Inneren zu zünden. Dadurch glimmen sie nur schwach vor sich hin und sind sehr viel kühler als normale Sterne. Nach unten hin liegt die Grenze zwischen Planet und Braunem Zwerg gängiger Definition nach bei rund 13 Jupitermassen. Dass es Braune Zwerge überhaupt gibt, entdeckten Astronomen am Palomar Observatory in Kalifornien erst im Jahr 1995. Damals wies ein Team um Rebecca Oppenheimer vom California Institute of Technology (Caltech) erstmals nach, das der 19 Lichtjahre entfernte Stern Gliese 229 von einem Objekt umkreist wird, das 70 Jupitermassen schwer ist, aber Methan in seiner Gashülle aufweist – ein klarer Beweis dafür, dass es sich nicht um einen Stern handeln konnte. “Es war aufregend, damit den ersten Himmelskörper um eine fremde Sonne zu finden, der kleiner ist als ein Stern”, erinnert sich Oppenheimer. Der Gliese 229B gilt seither als erster eindeutig identifizierter Brauner Zwerg.

Zu leuchtschwach für seine Masse

Doch schon genauso lange gibt der Braune Zwerg Gliese 229B den Astronomen auch Rätsel auf. “Er ist mindestens zwei bis sechs Mal weniger leuchtstark als er angesichts seiner dynamischen Masse von 71,4 Jupitermassen sein müsste”, erklären Erstautor Jerry Xuan vom Caltech und seine Kollegen. Zudem bewegt sich der Braune Zwerg bei dieser Masse schon in einem Bereich, in dem in seinem Inneren eigentlich die Kernfusion von Wasserstoff einsetzen müsste. Doch das ist offenbar nicht der Fall. Um diese Widersprüche aufzuklären, haben Xuan und sein Team nun Gliese 229B mit zwei hochauflösenden Instrumenten des Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte in Chile über fünf Monate hinweg erneut ins Visier genommen. Das GRAVITY-Instrument vereint die Daten der vier Teleskop-Einheiten mittels Interferometrie und erreicht dadurch eine besonders hohe räumliche Auflösung. Der Spektrograph CRIRES+ kann kleinste Verschiebungen im Lichtspektrum eines Himmelsobjekts sichtbar machen.

Analysen der neuen Beobachtungsdaten enthüllten, dass Gliese 229B anders als bisher gedacht nicht nur ein Brauner Zwerg ist, sondern aus zweien besteht. Diese beiden Braunen Zwerge sind rund 34 und 38 Jupitermassen schwer und umkreisen sich sehr eng. “Damit wissen wir jetzt, dass wir uns die ganze Zeit über die Natur dieses Objekts getäuscht haben”, sagt Xuan. “Es sind zwei statt eines. Aber wir konnten das bisher wegen ihres geringen Abstands nicht erkennen.” Oppenheimer ergänzt: “Diese beiden Welten sind damit zusammen kleiner als der Radius des Jupiter. Wenn sie in unserem Sonnensystem lägen, würde dies am Nachthimmel ziemlich seltsam aussehen.” Die Daten zeigen zudem, dass sich die beiden Braunen Zwerge Gliese 229 Ba und Bb im Abstand von nur 0,042 astronomischen Einheiten umkreisen, sie benötigen für einen Umlauf dadurch nur rund zwölf Tage. Ihr Abstand entspricht dem rund 16-Fachen der Entfernung von der Erde zum Mond. Wie die Astronomen erklären, macht dies die beiden Himmelskörper zum engsten Paar Brauner Zwerge, das einen Stern umkreist.

Wie können so enge Paare entstehen?

Die Doppelnatur von Gliese 229B klärt nun auch das Rätsel um seine fehlende Helligkeit: Weil die beiden Braunen Zwerge eher kühl und klein sind, ist auch die Leuchtkraft des Doppelsystems gering. “Die Entdeckung, das Gliese 229B ein Doppelsystem ist, löst den Widerspruch zwischen seiner Masse und Leuchtkraft und vertieft unser Wissen über Braune Zwerge”, sagt Co-Autor Dimitri Mawet vom Caltech. Gleichzeitig wirft das enge Paar auch neue Fragen auf. Denn wie sich solche Zwergenpaare im Orbit um einen Stern bilden, ist bisher erst in Teilen geklärt. So gehen aktuelle Theorien davon aus, dass es in der Materiescheibe um junge Sterne zu einer Fragmentation der dichten Gas- und Staubwolken kommt, die dann zum Kollaps von zwei Teilen dieser Wolken und zur Bildung der Braunen Zwerge führt. Wegen ihrer Nähe zueinander bleiben diese neu entstehenden Himmelskörper über ihre Schwerkraft verbunden und bilden ein Doppelsystem.

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“Diese Dichte-limitierte Fragmentierung beschränkt die ursprünglichen Abstände solcher Objekte aber auf mehr als zehn astronomische Einheiten”, erklären die Astronomen. “Das bedeutet, dass substanzielle dynamische und dissipative Prozesse nötig sind, um ein sehr enges Doppelsystem Brauner Zwerge zu bilden.” Hinzu kommt, dass die Umlaufbahnen von Gliese 229 Ba und Bb leicht gegen die Rotationsachse ihres Zentralsterns gekippt sind – auch dies ist mit gängigen Modellen nur schwer zu erklären. “Auch 30 Jahre nach seiner Entdeckung bringt uns Gliese 229B noch immer Neues über substellare Objekte bei”, konstatieren Xuan und seine Kollegen. Sie vermuten, dass es auch einige andere ungewöhnliche massereiche Braune Zwerge in Wirklichkeit enge Paare sind. “Dies ist die aufregendste und faszinierendste Entdeckung in der substellaren Astrophysik der letzten Jahrzehnte”, sagt Oppenheimer.

Quelle: Jerry Xuan (California Institute of Technology, Pasadena) et al., Nature, doi: 10.1038/s41586-024-08064-x

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