Bisher haben Marsbeben der Nasa-Sonde InSight Informationen über die Unterwelt unseres Nachbarplaneten geliefert. Für ganz besondere Daten haben jetzt hingegen die Erschütterungen durch zwei starke Meteoriteneinschläge gesorgt, berichten Forscher. Denn im Gegensatz zu den bisherigen Beben aus der Tiefe erzeugten sie oberflächennahe Schockwellen. In deren Signatur spiegelten sich nun bisher unbekannte Merkmale der Marskruste wider. Diese Informationen könnten weiteres Licht auf die Entstehungsgeschichte des Planeten werfen, sagen die Wissenschaftler.
Sie horcht den Mars gleichsam wie mit einem Stethoskop ab: Über ein Seismometer erfasst die im November 2018 auf der Marsoberfläche gelandete NASA-Raumsonde Mars InSight Erschütterungen im Untergrund. Mittlerweile hat sie hunderte Marsbeben detektiert, in denen wiederum weitere Informationen stecken: Der Wellenverlauf ermöglichte Planetenforschern Rückschlüsse auf die Strukturen in der Tiefe des Planeten. Diese sogenannten Raumwellen, die sich vom jeweiligen Bebenherd durch den tiefen Mars hindurch ausbreiteten, ermöglichten Erkenntnisse über den Marskern und den Mantel. Leider konnten sie aber kaum Informationen über die Kruste liefern. Dazu wären seismische Wellen günstig, die sich seitlich im oberflächennahen Gestein ausbreiten. Die bisherigen Marsbeben waren aber zu schwach, um sie zu verursachen.
Einschläge sorgen für Oberflächenwellen
Doch am 24. Dezember 2021 blickten die Wissenschaftler vom Marsbebendienst an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH) dann erfreut-überrascht auf die Daten, die InSight übermittelte: Es zeichnete sich die Signatur von Oberflächenwellen ab. Sie kontaktierten daraufhin Kollegen, um weitere Informationen einzuholen. Sie lieferten dann Aufnahmen des Mars Reconnaissance Orbiter, die an den Weihnachtstagen 2021 einen frischen großen Einschlagkrater in rund 3500 Kilometer Entfernung zu InSight zeigten. „Der Ort stimmte gut mit unseren Schätzungen für die Quelle des Bebens überein“, sagt Erst-Autor Doyeon Kim. Es folgte dann sogar noch ein zweiter Glücksfall: Bei einem weiteren, untypischen Beben konnten die Forscher ebenfalls als Quelle einen Meteoriteneinschlag identifizieren, der sich in rund 7500 Kilometer Distanz zu InSight ereignet hatte.
Weil die Ursprünge der beiden Erschütterungen an der Oberfläche lagen, wurden nicht nur Raumwellen erzeugt, sondern auch Wellen, die sich entlang der Planetenoberfläche ausbreiteten, erklären die Wissenschaftler. „Es ist das erste Mal, dass jemand auf einem anderen Planeten als der Erde seismische Oberflächenwellen beobachtet hat“, betont Kim. Wie er erklärt, stecken in den Wellen verschiedene Informationen. „Die Geschwindigkeit, mit der sich die Oberflächenwellen ausbreiten, hängt von deren Frequenz ab und diese wiederum von der Tiefe“. Es lässt sich auch die durchschnittliche Dichte des Gesteins abschätzen, weil die seismische Geschwindigkeit von den elastischen Eigenschaften des Materials abhängt, durch das die Wellen sich fortbewegen, so der Forscher.
Anhand der neuen Daten gewann das Team nun Informationen über die Struktur der Kruste in einer Tiefe von rund 5 bis 30 Kilometern unter der Marsoberfläche. „Bislang beruhte unser Wissen über die Kruste nur auf einer Punktmessung unter dem InSight-Lander“, erklärt Kim. Weiträumigere Informationen gab es dagegen nicht. Nun konnten die Forscher die bisherigen mit den neuen Daten vergleichen. Überraschenderweise zeigte sich dabei: Die Marskruste zwischen den Einschlagsorten und dem Seismometer von InSight hat im Durchschnitt eine sehr einheitliche Struktur und eine hohe Dichte, was sich in vergleichsweise hohen seismischen Geschwindigkeiten widerspiegelt. Direkt unter der Sonde hatten die Forscher hingegen zuvor eher inhomogene Krustenmerkmale sowie eine geringere Dichte festgestellt.
Hinweise auf die Krustenstrukturen
Wie das Team erklärt, ist nicht ganz klar, worauf die Unterschiede zurückzuführen sind. Eine Erklärung wäre der Effekt vulkanischen Gesteins. Denn in solchem Material kommt es in der Regel zu vergleichsweise hohen seismischen Geschwindigkeiten. Die Wege zwischen den beiden Meteoriteneinschlägen und dem Messort führen auch durch eine der größten vulkanischen Regionen auf der nördlichen Hemisphäre des Mars. „Andererseits könnte die Krustenstruktur unter dem Landeplatz von InSight auf eine einzigartige Art entstanden sein, beispielsweise als bei einem großen Asteroideneinschlag vor über drei Milliarden Jahren Material ausgeworfen wurde. Dann ist die Krustenstruktur unter der Sonde wahrscheinlich nicht repräsentativ für die allgemeine Krustenstruktur auf dem Mars“, erklärt Kim.
Die neuen Daten könnten auch Licht auf ein Mysterium werfen, das Mars-Dichotomie genannt wird, sagen die Forscher: Seit die ersten Teleskope auf den Mars gerichtet wurden, ist bekannt, dass die südliche Hemisphäre von einem von Meteoritenkratern bedeckten Hochplateau geprägt ist. Im Gegensatz dazu besteht der nördliche Teil größtenteils aus flachen, vulkanischen Tiefebenen. „Bisher gibt es keine akzeptierte Erklärung für diese Aufteilung, weil wir ihre tiefe Struktur nie sehen konnten“, sagt Co-Autor Domenico Giardini von der ETH. „Nun beginnen wir, diese Struktur aufzudecken“. Erste Resultate widerlegen demnach einen bisherigen Erklärungsansatz für die Mars-Dichotomie: Die Krusten im Norden und Süden bestehen vermutlich nicht aus unterschiedlichen Materialien wie bisher vermutet, und ihre tiefe Struktur könnte überraschend ähnlich sein.
Abschließend berichtet das Team noch von einer vielversprechenden neuen Entwicklung: Im Mai 2022 erfasste InSight demnach das bisher größte detektierte Marsbeben. Es erreichte eine Magnitude 5 und dies konnte offenbar auch zu Oberflächenwellen führen, die sich in den Daten abzeichnen. Die Forscher sind momentan mit der Analyse beschäftigt, aber offenbar bestätigen die vorläufigen Ergebnisse die Erkenntnisse, die sie durch die beiden Meteoriteneinschlägen gewonnen haben.
Quelle: ETH Zürich, Fachartikel: Science, doi: 10.1126/science.abq7157