Ganz leicht ist diese Vorhersage nicht, erläutert er in der Juni-Ausgabe des Magazins “bild der wissenschaft”. Zwar wissen Geoforscher, dass sich die Platten und mit ihnen die Kontinente ständig bewegen, miteinander kollidieren und die Landmassen dabei wie bei einem Puzzle immer wieder neu zusammengesetzt werden. Klar ist auch, dass diese Dynamik vor allem durch die Vorgänge an den Rändern der Platten angetrieben wird, wo Teile einer Platte unter eine andere abtauchen. Die Bildung von Mittelozeanischen Rücken, an denen Magma aus dem Erdinneren nach oben drückt und dabei die Platten zur Seite schiebt, ist ein weiterer wichtiger Faktor.
Das Abschätzen von Routen und Zeiträumen bleibt dennoch extrem schwierig wie auf der Autobahn: “Die Zukunft ist ungewiss, denn es kann viel Unerwartetes geschehen ein Unfall oder ein Stau oder eine Weggabelung, die plötzlich auftaucht”, so Scotese. Zerbricht etwa eine der Platten, können die Bruchsstücke auseinanderdriften und dabei auf eine andere Platte treffen, mit der sie sich vereinigen, oder aber um die Erde wandern und sich wieder mit ihrem ursprünglichen Partner verbinden. Alternativ können sie nach dem Brechen ihren Kurs umkehren und an ihre vorherige Position zurückkehren.
Seit 1970 vermuten die Forscher, dass diese Veränderungen einem Kreislauf folgen, dem sogenannten Wilson-Zyklus. Er dauert zwischen 500 und 700 Millionen Jahren und hat in den vergangenen 1,5 Milliarden Jahren in unregelmäßigen Abständen mindestens dreimal zur Bildung von Superkontinenten geführt. Der älteste gesicherte ist Rodinia, das vor 800 Millionen Jahren zerbrach, der jüngste und damit bisher letzte Pangäa, das bis vor 150 Millionen Jahren existierte und ein globaler Superkontinent war.
Solche Superkontinente werden nach Ansicht von Geoprognostikern auch in Zukunft das Gesicht der Erde prägen. Scotese favorisiert dabei folgendes Szenario: In etwa 40 Millionen Jahren wird Australien mit Südostasien kollidieren. Der entstehende Riesenkontinent trifft dann auf Indonesien, dreht eine Pirouette und verschmilzt mit Asien. Ungefähr gleichzeitig, in 50 bis 60 Millionen Jahren, stoßen Afrika und Europa zusammen das Mittelmeer verschwindet und der Kontinent “Afrasien” wird geboren. In 100 Millionen Jahren tritt die Antarktis eine Reise nach Norden an und drängelt sich 50 Millionen Jahre später zwischen Madagaskar und Indonesien. Die Folge: Der Indische Ozean wird zum Binnensee, berichtet “bild der wissenschaft”.
Für Amerika ist die Vorhersage schwieriger. Momentan entfernt sich der Doppelkontinent von Europa und Afrika. Scotese glaubt jedoch, dass er in 50 Millionen Jahren umkehren wird, weil sich am westlichen Rand des Atlantiks ein großer Nord-Süd-Bruch bildet. Amerika wird also auf Eurafrika zuwandern, bis in 200 Millionen Jahren Neufundland bei Afrika eintrifft. In 250 Millionen Jahren schließlich werden sich die meisten Landmassen wieder zu einem Superkontinent vereinigt haben ob mit oder ohne Australien und die Antarktis, ist dabei noch unklar. Da der ehemalige Indische Ozean ringförmig eingeschlossen inmitten des Kontinents liegt, wird “der künftige Superkontinent einem riesigen Donut oder Bagel ähneln”, erläutert Scotese. Er nennt den Koloss “Pangäa Proxima”, das nächste Pangäa.
Seine Kollegen Sergei Pisarevsky aus Australien, Paul Hoffman aus Harvard und Roy Livermore aus Cambridge glauben hingegen nicht an ein Umkehren von Amerika. Pisarevsky und Hoffman zufolge ist es eher der Pazifik, der verschwindet, wenn Nord- und Südamerika direkt nach Asien wandern und dort mit Asien zu “Amasia” verschmelzen. Die Antarktis bleibt in diesem Szenario an ihrem Platz. Auch Livermore vermutet, dass Amerika westwärts wandert. Bei ihm ist die Antarktis jedoch Teil des neuen Superkontinents, den er “Novopangäa” nennt.
Welche Variante auch immer zutreffen wird die Lage der Landmassen dürfte sich noch mehrfach verändern. Dass es dann noch Menschen gibt, ist freilich sehr unwahrscheinlich. Und ewig wird der Tanz der Kontinente nicht dauern: Nach zwei oder drei weiteren Wilson-Zyklen ist Schluss, prognostizieren die Forscher. Dann nimmt die Hitze im Erdinneren soweit ab, dass der Antrieb der Plattentektonik an Kraft verliert. Gleichzeitig verdampft durch die langsam, aber stetig zunehmende Temperatur der Sonne das Wasser im Erdmantel, das die Platten auf ihren Wegen schmiert. In ein bis zwei Milliarden Jahren ist die Erde ein toter Planet.