Ein spannendes Sternenpaar im Visier: Forschende haben Einblick in die Entstehungsgeschichte eines in Nebel gehüllten Doppelsternsystems gewonnen und damit Licht auf ein stellares Magnetismus-Rätsel geworfen. Ihre Untersuchungen offenbarten überraschende Unterschiede zwischen den beiden Partnern: Ein Stern erscheint dabei jünger und besitzt ein Magnetfeld, der andere nicht. Modellsimulationen zufolge lässt sich dies dadurch erklären, dass das System ursprünglich aus drei Sternen bestand, bis zwei zu dem speziellen Partner verschmolzen. Die Studie belegt damit, dass die starken Magnetfelder einiger Sterne auf Verschmelzungen zurückzuführen sein könnten, sagen die Astronomen.
Schön und geheimnisvoll: HD 148937 steht bereits seit einiger Zeit im Visier der Astronomie. Es handelt sich um ein etwa 3800 Lichtjahre von uns entferntes Binärsystem, das von einer Wolke aus Gas und Staub eingehüllt wird. Es war bereits bekannt, dass es aus zwei Sternen besteht, die massereicher als unsere Sonne sind. Am Anfang der Studie des Teams um Abigail Frost vom European Southern Observatory (ESO) in Santiago stand nun die Frage, wie dieses System einstanden sein könnte. „Ein Nebel, der zwei massereiche Sterne umgibt, ist eine Seltenheit, und es war zu vermuten, dass in diesem System etwas Außergewöhnliches passiert sein muss“, sagt Frost.
Analytischer Blick auf ein geheimnisvolles Paar
Das Forschungsteam hat nun Beobachtungsdaten des Systems HD 148937 ausgewertet, die in den letzten neun Jahren gesammelt wurden. Dabei kamen vor allem Instrumente am Very Large Telescope Interferometer der ESO in der chilenischen Atacamawüste zum Einsatz. Sie lieferten Spektraldaten des Lichts der beiden Himmelskörper, die Rückschlüsse auf ihre Merkmale ermöglichten. Wie Frost und ihre Kollegen berichten, lieferten ihre Datenanalysen überraschende Ergebnisse: Normalerweise sind sich Sterne in Doppelsystemen sehr ähnlich, denn sie sind wie Zwillinge, die gleichzeitig aus derselben Materiewolke hervorgegangen sind. Doch im Fall von HD 148937 gibt der etwas größere der beiden Partner ein Strahlenmuster ab, das ihn jünger erscheinen lässt als den anderen Stern.
Außerdem zeichnete sich eine weitere Besonderheit des größeren Sterns ab: Bestimmte Hinweise in seinem Strahlungsmuster zeigen eindeutig, dass er im Gegensatz zu seinem Partner ein Magnetfeld aufweist. Unsere Sonne besitzt dieses Merkmal ebenfalls. Doch im Hinblick auf die Größe des Sterns im HD 148937-System erscheint ein Magnetfeld ungewöhnlich. Dazu erklären die Forschenden: Die Magnetfelder massearmer Sterne wie der Sonne werden durch einen Dynamo-Effekt erzeugt. Er entsteht dadurch, dass eine durch Konvektion angetriebene Massenbewegung im Inneren des Sterns stattfindet. Bei Sternen, die acht oder mehr Sonnenmassen besitzen, sollte dieser Prozess aufgrund der physikalischen Eigenschaften jedoch eigentlich zum Stillstand kommen. Allerdings wurde bereits zuvor festgestellt, dass etwa sieben Prozent der massereichen Sterne entgegen der Erwartung über Magnetfelder verfügen. Worauf dies zurückzuführen ist, war bisher unklar. Genau auf diese Frage wirft die Studie nun Licht, sagen die Forschenden. Denn die Antwort spiegelt sich ihnen zufolge in der Entstehungsgeschichte des HD 148937-Systems wider, die sie mithilfe von Modellsimulationen rekonstruierten.
Ein Trio wurde zu dem ungleichen Duo
„Wir gehen nun davon aus, dass dieses System ursprünglich aus mindestens drei Sternen bestand, von denen zwei zu einem bestimmten Zeitpunkt ihrer Umrundung sehr nahe beieinander lagen, während ein anderer Stern viel weiter entfernt war. Die beiden inneren Sterne verschmolzen dann auf gewaltsame Weise“, sagt Co-Autor Hugues Sana von der KU Leuven. Bei der Verschmelzung wurde auch das Material ins umliegende All geschleudert, das jetzt den Nebel bildet. „Der weiter entfernte Stern bildete anschließend eine neue Umlaufbahn mit dem verschmolzenen Stern, wobei der Doppelstern entstand, den wir heute im Zentrum des Nebels sehen“, sagt Sana. Wie die Astronomen erklären, verschaffte die Vereinigung dem neugebildeten Stern das im Vergleich zum Partner verjüngt wirkende Strahlungsmuster. Das Magnetfeld ist ebenfalls auf die gewaltsame Vereinigung zurückzuführen: Sie setzte einen Dynamo-Effekt in Gang, erläutert das Team.
Video: Diese Animation veranschaulicht den Entstehungsprozess des HD 148937-Systems. © ESO/L. Calçada, M. Kornmesser/VPHAS+ team. Acknowledgement: CASU
Die Studie liefert damit nun zum ersten Mal einen direkten Beleg für die bisherige Vermutung, wonach Magnetfelder bei massereichen Sternen auf eine vorangegangene Verschmelzung zurückzuführen sind, sagen die Wissenschaftler. Es ist allerdings anzunehmen, dass der Magnetismus im Vergleich zur Lebensdauer des Sterns nicht sehr lange aufrechterhalten bleibt. Im Fall von HD 148937 bedeutet das somit: „Es scheint, dass wir dieses seltene Ereignis sehr kurz nach seiner Entstehung beobachtet haben“, sagt Frost.
Die Forschenden wollen das spannende System nun auch weiterhin im Visier behalten. Detailliertere Einblicke könnte dabei bald das Extremely Large Telescope der ESO ermöglichen, das momentan in der chilenischen Atacamawüste gebaut wird.
Quelle: European Southern Observatory, Fachartikel: Science, doi: 10.1126/science.adg7700