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Astronomen entdecken bisher fernsten Radioblitz

Astronomie|Physik

Astronomen entdecken bisher fernsten Radioblitz
Fast Radioburst
Diese Illustration deutet den weiten Weg des kosmischen Radioblitzes von einer fernen Galaxie bis zu uns an. © ESO/M. Kornmesser

Fast Radiobursts (FRB) sind ultrakurze, aber extrem energiereiche Radiopulse aus dem Weltall, deren Ursprung Astronomen noch immer Rätsel aufgibt. Jetzt hat ein Forschungsteam den bisher stärksten und am weitesten entfernten Radioblitz dieser Art entdeckt. In einem winzigen Sekundenbruchteil setzte er so viel Energie frei wie die Sonne in 30 Jahren. Seine Quelle liegt so weit entfernt, dass die Strahlung acht Milliarden Jahre zu uns brauchte. Die Astronomen verorteten den Ursprung dieses FRB 20220610A getauften Fast Radiobursts in einer Gruppe von zwei bis drei nah beieinanderstehenden und möglicherweise gerade verschmelzenden Galaxien. Die große Entfernung belegt nicht nur, dass es dieses Phänomen schon vor acht Milliarden Jahren gab, es ergeben sich auch wertvolle Informationen über das auf dem Weg liegende intergalaktische Medium.

Sie dauern nur wenige Millisekunden, entladen in dieser Zeit aber so viel Energie wie unsere Sonne an einem ganzen Tag: Fast Radiobursts (FRB) gehören zu den rätselhaftesten Phänomenen des Kosmos. Denn bisher ist unklar, was diese ultrakurzen Radioblitze verursacht. Zwar deutet die starke Polarisierung dieser Signale darauf hin, dass diese Ausbrüche von Radiostrahlung aus einem stark magnetisierten Umfeld stammen müssen. Kandidaten dafür wären Neutronensterne, die im Magnetfeld eines supermassereichen Schwarzen Lochs liegen oder auch junge Magnetare – Neutronensterne, die schnell rotieren und selbst extrem starke Magnetfelder erzeugen. Letzteres wird gestützt durch einen 2020 eingefangenen FRB, der erstmals nicht aus einer anderen Galaxie stammte, sondern aus der Milchstraße. Astronomen konnten seinen Ursprung bis zu einem Magnetar in der Nähe des galaktischen Zentrums zurückverfolgen. Zumindest einige Fast Radiobursts könnten demnach auf solche Magnetare zurückgehen. Wie die Neutronensterne diese extremen Radiopulse erzeugen, ist jedoch strittig, ebenso unklar ist, warum einige Fast Radiobursts in Serie auftreten, während andere einmalige Ereignisse sind.

Aus weiter Entfernung und extrem energiereich

Jetzt haben Astronomen um Stuart Ryder von der Macquarie University in Australien einen neuen Rekordhalter unter den Fast Radiobursts entdeckt. Der kosmische Radiopuls wurde am 10. Juni 2022 vom Australian Square Kilometre Array Pathfinder (ASKAP) eingefangen. Dieses Radioobservatorium besteht aus 36 jeweils zwölf Meter großen Parabolantennen, die mittels Interferometrie zusammengeschaltet sind. Sie detektierten den nur 1,18 Millisekunden kurzen Radiopuls, dessen Strahlung sich im Bereich um 1271 Megahertz konzentrierte. Aus der charakteristischen Streuung der Radiostrahlung konnte das Team ermitteln, woher dieser FRB 20220610A getaufte Radioblitz kam und wie weit die Quelle in etwa entfernt liegt. Demnach hat die Strahlung rund acht Milliarden Jahre zu uns gebraucht. Damit ist FRB 20220610A der entfernteste jemals detektierte Radioblitz, wie die Astronomen berichten.

Rekordträchtig ist jedoch auch die Energie dieses ultrakurzen Radiopulses: “Wir haben ermittelt, dass die Energie dieses Bursts, über die Bandbreite des Instruments betrachtet, bei rund 2 x 10<sup>42</sup> erg liegt”, berichten Ryder und sein Team. Damit ist dieser Radioblitz auch einer der energiereichsten, die je beobachtet wurden. In einem winzigen Sekundenbruchteil setzte er so viel Energie frei wie die Sonne in 30 Jahren. Trotz seiner weit entfernten Quelle erzeugte FRB 20220610A ein stärkeres Radiosignal als Radioblitze aus unserer eigenen oder eng benachbarten Galaxien. Wie die Astronomen erklären, wirft die hohe Energie Fragen zur Entstehung dieses Extrem-Radioblitzes auf. Denn gängigen Modellen nach entstehen die energiereichen Radioblitze entweder nahe der Oberfläche eines hochmagnetisierten Neutronensterns oder aber in den stark beschleunigten, durch Schockwellen angeregten Strahlungs- und Teilchenströmen, die ein solcher Neutronenstern bei Ausbrüchen ausstößt. “FRB 20220610A und andere helle FRBs sind jedoch mit beiden Modellen nur schwer zu erklären”, konstatieren Ryder und seine Kollegen.

Um mehr über den möglichen Urheber dieses Fast Radioburst herauszufinden, nutzten die Astronomen als Nächstes die hochauflösenden Optiken des Very Large Telescope (VLT) der Europäische Südsternwarte (ESO) in Chile und des W. M. Keck Observatoriums auf Hawaii, um die Ursprungsregion näher zu untersuchen. Es zeigte sich, dass an dieser Stelle eine Gruppe aus zwei oder drei eng beieinander liegenden hellen Flecken liegt. “Die Merkmale passen zu zwei interagierenden oder verschmelzenden Galaxien oder einer kompakten Galaxiengruppe”, berichten Ryder und sein Team. Welche Prozesse in diesen Galaxien ablaufen und was genau den Fast Radioburst verursacht hat, lässt sich aber nicht erkennen. „Während wir immer noch nicht wissen, was diese massiven Energie-Ausbrüche verursacht, bestätigt die Studie, dass schnelle Radioblitze häufige Ereignisse im Kosmos sind”, sagt Co-Autor Ryan Shannon von der Swinburne University of Technology in Australien. Sie kamen offenbar auch schon in der frühen Vergangenheit unseres Kosmos vor.

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Messhilfe für intergalaktische Materiedichte

Interessant ist jedoch noch ein weiterer Aspekt dieses und anderer weit entfernter Fast Radiobursts: “Wir können sie verwenden, um Materie zwischen Galaxien zu erkennen und die Struktur des Universums besser zu verstehen“, sagt Shannon. Denn während die energiereiche Radiostrahlung durch das All rast, interagiert sie mit elektrisch geladenen Teilchen im intergalaktischen Medium. Dabei wird die Strahlung auf charakteristische Weise verändert: “Freie Elektronen entlang des Weges zwischen der Quelle des Radioblitzes und der Erde erzeugen eine frequenzabhängige Verzögerung im Radiosignal”, erklären die Astronomen. “Diese Dispersion kann genutzt werden, um die Dichte der freien Elektronen zu messen.” Die Beziehung zwischen der im Radioblitz erkennbaren Dispersion und der Materiedichte wird als Macquart-Beziehung bezeichnet. Über sie könnten ferne Radioblitze dazu beitragen, das Rätsel der “fehlenden Materie” im All zu lösen. „Wenn wir die Menge an normaler Materie im Universum zählen, stellen wir fest, dass mehr als die Hälfte von dem, was heute vorhanden sein sollte, fehlt“, sagt Shannon. „Wir vermuten, dass sich die fehlende Materie im Raum zwischen den Galaxien verbirgt, aber sie ist vielleicht so heiß und diffus, dass sie mit üblichen Techniken nicht sichtbar ist.“

Aus ersten Analysen der Radiostrahlung von FRB 20220610A ermittelten Ryder und sein Team einen Dispersionswert, der höher ist als erwartet. Dies könnte darauf hindeuten, dass es zwischen Quelle dieses Radioblitzes und der Erde dichte Wolken aus turbulentem, magnetisiertem Plasma gibt – und mehr geladene Teilchen, als für das intergalaktische Medium angenommen. Bisher können die Astronomen aber nicht ausschließen, dass die Quelle dieser zusätzlichen Verzerrung in der Quellgalaxie des Radioblitzes liegt. Weitere Forschung und weitere aus weiter Entfernung eingefangene Fast Radiobursts werden daher nötig sein, um die offenen Fragen zu klären.

Quelle: Stuart Ryder (Macquarie University, Sydney) et al., Science, doi: 10.1126/science.adf2678

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