Sie erscheinen nur noch als winzige Pünktchen am Firmament – wie groß Sterne sind, lässt sich bei sehr großen Entfernungen nicht mehr einschätzen. Doch nun präsentieren Astronomen eine neue Methode, die die Möglichkeiten erweitert: Wenn Asteroiden vor Sternen vorbeiziehen, entsteht ein Beugungsmuster, aus dem sich der Durchmesser auch weit entfernter Sterne noch bestimmen lässt. Erfassen lassen sich die Daten durch die besonderen Eigenschaften von Gammastrahlen-Teleskopen. So haben die Forscher bereits die Größe eines Riesensterns in 2674 Lichtjahren Entfernung und eines sonnenähnlichen Sterns in 700 Lichtjahren Distanz bestimmt.
Selbst für die besten Teleskope sind die meisten Sterne am Nachthimmel zu weit entfernt, um ihre Größe direkt zu bestimmen. Um dennoch Informationen zu erhalten, nutzen Forscher bereits einen Trick, der auf einem optischen Phänomen namens Diffraktion beruht. Es handelt sich dabei um die Ablenkung von Wellen an einem Hindernis. Dabei erscheint der Rand des Schattens nicht scharf – er ist von Lichtmustern geprägt, die an kleine Wasserwellen erinnern. Die Physik bezeichnet dies als Beugungsmuster.
Informationen am Schattenrand
Der Clou dabei: Die Form des Musters erlaubt Rückschlüsse auf die Ausdehnung der Lichtquelle. Bisher nutzten Astronomen den Mond als Schattenwerfer: Sie haben Sterne vermessen, die vorübergehend von seinem Rand bedeckt wurden. Das funktioniert bis zu einem Winkeldurchmesser von einer tausendstel Bogensekunde. Es handelt sich dabei um die sogenannte „scheinbare Größe“ eines Objekts, die es aufgrund seiner Entfernung im Auge des Betrachters erhält. Zum Vergleich: Der Winkeldurchmesser von einer tausendstel Bogensekunde entspricht der Größe einer Münze auf dem Pariser Eiffelturm von New York aus betrachtet. Das wirkt schon erstaunlich leistungsstark, allerdings erscheinen nicht viele Sterne am irdischen Himmel so groß.
Die Forscher um Michael Daniel vom Smithsonian Astrophysical Observatory in Cambridge haben deshalb eine verbesserte Methode entwickelt, um noch kleinere Winkeldurchmesser zu bestimmen: Sie nutzen Asteroiden als Schattenwerfer in Kombination mit Tscherenkowteleskopen. Diese Instrumente sind nicht zur Aufnahme toller Bilder gemacht – sie sind darauf spezialisiert, das extrem schwache bläuliche Leuchten einzufangen, das energiereiche Teilchen aus dem Weltall in der Erdatmosphäre verursachen. Ihre großen Spiegelflächen, die wie Insektenaugen in sechseckige Einzelspiegel segmentiert sind, machen sie extrem empfindlich für Lichtschwankungen – auch für die des Sternenlichts. Darüber hinaus verfügen die Teleskope über Kameras, die extrem viele Bilder in der Sekunde aufnehmen. So können sie auch die kurze Abschattung eines Sterns durch einen Asteroiden erfassen.
Bereits zwei Sterne erfasst
So gelang es den Forschern mit den VERITAS-Tscherenkow-Teleskopen am Fred-Lawrence-Whipple-Observatorium im US-Bundesstaat Arizona, das Beugungsmuster des Sterns mit der Katalognummer TYC 5517-227-1 einzufangen, während er am 22. Februar 2018 vorübergehend vom 60 Kilometer großen Asteroiden Imprinetta bedeckt wurde. Die VERITAS-Teleskope lieferten 300 Bilder pro Sekunde, woraus sich das Helligkeitsprofil des Beugungsmusters präzise rekonstruieren ließ.
Daraus ergab sich dann die scheinbare Größe des Sterns am Himmel – also sein Winkeldurchmesser: Es handelte sich um 0,125 tausendstel Bogensekunden. In Kombination mit der bekannten Entfernung von 2674 Lichtjahren ergab dies den Durchmesser des Sterns: Er ist elfmal so groß wie unsere Sonne. Somit ist nun klar: Es handelt sich um einen Roten Riesen.
Wie die Forscher berichten, gelang ihnen drei Monate später schon der nächste Treffer: Sie hatten den Stern TYC 278-748-1 im Visier, als er am 22. Mai 2018 vom 88 Kilometer großen Asteroiden Penelope bedeckt wurde. In diesem Fall ergab die Erfassung des Winkeldurchmessers einen neuen Rekord: 0,094 tausendstel Bogensekunden. Bei einer Entfernung von 700 Lichtjahren ergibt sich daraus eine Sterngröße vom 2,17-fachen des Sonnendurchmessers. „Dies ist der kleinste Winkeldurchmesser eines Sterns, der je gemessen worden ist“, betont Daniel. „Die Beobachtung von Sternbedeckungen durch Asteroiden mit Tscherenkowteleskopen liefert eine zehnmal bessere Auflösung als die Standardmethode bei Sternbedeckungen durch den Mond“, resümiert der Astronom.
Er und seine Kollegen wollen nun weiter an der Präzision der Methode feilen. Ihnen zufolge erscheint das Potenzial groß: Sie schätzen, dass geeignete Teleskope mehr als eine Asteroiden-Sternbedeckung pro Woche erfassen könnten. Erneut scheint sich somit abzuzeichnen: Der Blick ins All dehnt sich aus.
Quelle: Deutsches Elektronen-Synchrotron DESY, Nature Astronomy, DOI: 10.1038/s41550-019-0741-z