Anders als die meisten Meteorschauer gehen die Geminiden nicht auf einen Kometen zurück, sondern auf den Asteroiden (3200) Phaeton. Er soll bei seinen Sonnenpassagen den Staub abgeben, aus dem die Sternschnuppen entstehen. Doch jetzt enthüllen Beobachtungen dieses Asteroiden, dass er zwar in Sonnennähe kurzzeitig einen Schweif ausbildet, dieser besteht aber nicht aus Staub. Stattdessen sprechen Färbung und Form dafür, dass Phaetons Schweif primär aus ausgegastem Natrium besteht. Eine solche Emission von Natrium wurde bei sonnennahen Kometen schon häufiger beobachtet, aber noch nie bei einem Asteroiden. Zudem wirft dies nun die Frage auf, woher der Staub der Geminiden-Wolke kommt.
Jedes Jahr Mitte Dezember erreicht der Meteorschauer der Geminiden seinen Höhepunkt. Doch was diese Wolke aus winzigen Staubkörnchen in der Erdbahn verursacht hat, blieb mehr als 150 Jahre ungeklärt. Denn anders als bei den meisten Sternschnuppenregen fand sich kein Komet, von dessen Staubschweif diese Staubteilchen stammen könnten. 1983 entdeckten Astronomen dann einen möglichen Urheber: 3200 Phaethon, einen knapp sechs Kilometer großen erdbahnkreuzenden Asteroiden. Seine exzentrische, 524 Tage dauernde Umlaufbahn bringt ihn von außerhalb der Marsbahn bis in große Sonnennähe und passt gut zur Position der Geminiden-Staubwolke. Unklar blieb allerdings, ob und wie dieser Asteroid so viel Staub hinterlassen konnte, denn anders als die eisreichen Kometen geben Asteroiden normalerweise auch in Sonnennähe kaum Material an ihre Umgebung ab.
Phaeton hat einen Schweif – aber woraus?
Weil Phaeton von uns aus gesehen fast immer in Sonnennähe steht, ist er durch irdische Teleskope nur schwer näher zu beobachten. Im Jahr 2009 gelang es dem im Weltraum stationierten NASA-Sonnenobservatorium STEREO jedoch, einen Blick auf Phaeton zu erhaschen, während dieser den sonnennächsten Punkt seiner Umlaufbahn passierte. In den resultierenden Aufnahmen detektierten Astronomen erstmals ein auffallendes Aufleuchten des Asteroiden und einen kurzen Schweif. “Man führte dies auf den Ausstoß von Staubkörnchen von Phaetons Oberfläche zurück”, erklären Qicheng Zhang vom California Institute of Technology in Pasadena und seine Kollegen. “Dies deutete darauf hin, dass der Asteroid tatsächlich Material verlor, wenn auch zu wenig, um den Geminiden-Meteorstrom auf Dauer zu erhalten.” Weitere Beobachtungen in den Jahren 2012 und 2016 bestätigten, dass Phaeton bei jeder Sonnenpassage einen solchen Schweif ausbildet. Woraus dieser Schweif besteht und wie viel Material in ihm steckt, blieb jedoch unklar.
Deshalb haben nun Zhang und sein Team den Asteroiden erneut ins Visier genommen. Für ihre Studie werteten sie zum einen Archiv-Daten von 18 Sonnenpassagen von 3200 Phaeton aus der Zeit von 1997 bis 2022 aus. Außerdem nutzten sie die LASCO-Kamera auf dem Solar and Heliospheric Observatory (SOHO) der NASA und ESA, um Phaeton und seinen Schweif bei seinem Perihel am 15. Mai 2022 genauer zu untersuchen. Der LASCO-Koronograph verfügt über spezielle Farbfilter, durch die ein Objekt in verschiedenen Wellenlängenbereichen abgebildet werden kann. Die vom Schweif abgestrahlte Lichtfarbe kann erste Hinweise auf dessen chemische Zusammensetzung liefern.
Natrium statt Staub
Die Beobachtung mit den LASCO-Filtern ergab, dass der Schweif des Asteroiden nicht in allen Farben gleich hell strahlt. “Die Aktivität von Phaeton erscheint in den orange-gefilterten LASCO-Aufnahmen viel heller als in ungefilterten oder an die Wellenlängen des Wasserstoffs angepassten Filtern”, berichten Zhang und sein Team. In blau gefilterten Aufnahmen war der Schweif des Asteroiden gar nicht zu sehen. Die Astronomen sehen in dem auffallend orangefarbenen Leuchten ein Indiz dafür, dass es sich bei dem Schweif primär um gasförmiges Natrium handelt. “Auch Kometen glühen in Sonnennähe häufig intensiv durch Natrium-Emission”, sagt Zhang. Ein weiteres Indiz lieferte die Form des Schweifs: Seine Krümmung und der zeitliche Ablauf der Schweifbildung passen zu Natrium, aber nicht zum klassischen Material eines Staubschweifs, wie die Astronomen berichten. Ihrer Ansicht nach spricht daher alles dafür, dass der Asteroid Phaeton in Sonnennähe Natrium ins All ausgast, aber kaum Staub. “Unsere Analysen zeigt, dass die kometenähnliche Aktivität von Phaeton durch keine Art von Staub erklärt werden kann”, sagt Zhang.
Diese Ergebnisse und Schlussfolgerungen werfen jedoch mehrere Fragen auf. Zum einen wurde ein solcher Natrium-Schweif zuvor noch nie bei einem Asteroiden beobachtet. Nach Berechnungen von Zhang und seinem Team verliert der Asteroid immerhin 550 Trilliarden (5,5 x 10<sup>23</sup>) Natriumatome pro Umlauf. Ausgehend von der typischen Zusammensetzung eines chondritischen Asteroiden müsste Phaeton damit jedes Mal rund eine Million Kilogramm an Gesteinsmaterial ins All verlieren. Weil jedoch ein Staubschweif fehlt, ist bisher unklar, wo dieses Material bleibt und wie es zusammengesetzt ist. Hinzu kommt, dass selbst die von Zhang und seinem Team kalkulierten Mengen nicht ausreichen, um die Staubwolke der Geminiden zu erzeugen oder aufzufüllen. Die Astronomen vermuten, dass diese Staubwolke nicht von der normalen Partikelemission des Asteroiden gespeist wird, sondern auf ein einmaliges, möglicherweise in paar tausend Jahre zurückliegendes Ereignis zurückgeht. Damals könnte ein Stück des Asteroiden abgebrochen und zerfallen sein und so ungewöhnlich viel Staub und Gesteinsbröckchen ins All geschleudert haben – das ist aber vorerst nur eine Spekulation. Mehr Klarheit erhoffen sich die Astronomen von der japanischen Raumsonde Destiny+, die 2024 zum Asteroiden Phaeton starten und dessen Oberfläche und Emissionen untersuchen soll.
Quelle: Qicheng Zhang (California Institute of Technology, Pasadena) et al., The Planetary Science Journal, doi: 10.3847/PSJ/acc866