Die Evolution hat uns nur geschaffen, damit wir überleben und uns fortpflanzen, notfalls müssen wir dafür leiden – so lautet die These des Mediziners Randolph Nesse und des Biologen George Williams.
Dabei kann die Evolution neue Lebewesen nur aus alten erschaffen und bringt deshalb auch manche “Notlösung” hervor. So kreuzen sich beim Menschen – wie bei allen Wirbeltieren – Speiseröhre und Luftröhre. Denn wir stammen von fischähnlichen Wesen ab, die Wasser, Sauerstoff und Nahrung durch einen “Kiemendarm” verwerteten. Die Konsequenz: Wir können uns verschlucken und ersticken – zwei getrennte Leitungssysteme wären sinnvoller.
Für das moderne Leben sind wir ganz und gar nicht konstruiert – sondern als Jäger und Sammler, die in einer Kleingruppe durch die Steppe wandern und sich von einer fettarmen, abwechslungsreichen Kost ernähren. Nicht nur unsere Körperfunktionen sind für diese Lebensweise programmiert, sondern auch unser Verhalten.
Ein Beispiel ist unsere verhängnisvolle Vorliebe für Fett und Salz. Diese Stoffe waren während unserer Evolution äußerst rar, aber überlebenswichtig. Auch die genetische Veranlagung für Alters-Diabetes war einstmals günstig: Sie macht einen Menschen zum “guten Futterverwerter”, und läßt ihn bei karger Kost nicht krank werden.
Ein großes Problem sind heute Allergien, aber kaum ein Wissenschaftler fragt nach ihrer natürlichen Funktion. Nesse und Williams sind überzeugt, daß sich erfolgreiche Therapien entwickeln lassen, wenn man den evolutionären Sinn dieser Überempfindlichkeit erkennt.
Ihr Buch könnte nicht nur Ärzte und Biologen auf neue Ideen bringen, es ist auch für Laien verständlich und spannend geschrieben.
Randolph M. Nesse, George C. Williams WARUM WIR KRANK WERDEN C.H. Beck München 1997 315 S., DM 48,-
Thomas Willke