Wie wirklich ist die Wirklichkeit? Ist unser Wissen über die Realität Erfindung oder Entdeckung? Ist Wahrheitserkenntnis überhaupt möglich?
Solche Fragen hat der Journalist Bernhard Pörksen dem Physiker und Philosophen Heinz von Foerster gestellt. 1911 in Wien geboren, hat Foerster 1957 an der Universität Illinois das legendäre Biologische Computer-Laboratorium aufgebaut. Er hat als Kybernetiker bahnbrechende Einsichten in die Prozesse von Regelung, Steuerung und Selbstbezüglichkeiten gewonnen und gilt als Mitbegründer des Radikalen Konstruktivismus. Diese philosophische Strömung behauptet, unser Bewußtsein (oder Gehirn) bilde die Welt nicht einfach ab, sondern erzeuge sie selbst.
Darüber läßt sich trefflich diskutieren, und in den Interviews im Buch geschieht dies recht unterhaltsam, wenn auch nicht immer genau genug. Foersters Staunen, Neugier und kreatives Hinterfragen vermeintlicher Selbstverständlichkeiten und seine Formulierungsgabe rücken Themen der Wissenschaft, Erkenntnistheorie und Ethik zwar immer wieder in ein überraschendes Licht, allerdings wäre des öfteren ein Argument besser als ein Bonmot.
Die Leichtigkeit, mit der Foerster manche Probleme vom Tisch fegt, macht mißtrauisch. So erscheint es zweifelhaft, ob Erklärungsversuche wirklich das Staunen über die Natur der Dinge untergraben. Von der Fiktion letzter Erkenntnisse und Begründungen sollte man sich zwar in der Tat verabschieden. Doch Foerster schüttet das Kind mit dem Bade aus, wenn er am liebsten den Wahrheitsbegriff eliminieren möchte, weil der die Erfindung eines Lügners sei, der die Menschen entzweie. Diese Behauptung widerlegt sich selbst, wenn sie einen Wahrheitsanspruch hat, anderenfalls führt sie in eine belanglose Beliebigkeit.
Heinz von Foerster, Bernhard Pörksen WAHRHEIT IST DIE ERFINDUNG EINES LÜGNERS Gespräche für Skeptiker Carl-Auer-Systeme Verlag Heidelberg 1998 166 S., DM 32,-
Rüdiger Vaas / Heinz von Foerster / Bernhard Pörksen