Wer sich früher am Knie operieren lassen mußte, der durfte schon mal mit zwei Wochen Aufenthalt im Krankenhaus rechnen und hinkte dann oft noch monatelang im Gehgips und an Krücken. Doch Großvaters Warnung “Ans Knie laß den Doktor nie” ist inzwischen überholt. Selbst komplizierte Knie-Operationen werden schon ambulant praktiziert. Zwei Stunden nach einer Meniskusreparatur dürfen jüngere Patienten nach Hause gehen – humpelnd zwar, aber auf eigenen Beinen, ohne Gips und Stock.
Das Wunder hat einen Namen: minimal-invasive Chirurgie. Besser sagt der englische Ausdruck “minor access surgery”, worum es geht: mit moderner Technik den Eingriff so klein und unblutig wie möglich zu halten. Statt mit dem Skalpell in der Hand dringt der Arzt durch zwei oder drei winzige Hautschnitte in Gelenkspalten genauso vor wie in Bauchhöhlen und Hirnwindungen. Sein verlängerter Arm ist dabei das Endoskop – ein bleistiftdickes Sehrohr, das an seiner Spitze mit verschiedenen Arbeitsinstrumenten ausgestattet werden kann. Auch Ultraschall-, Laser- und Röntgenstrahlen lassen sich mit dem Endoskop zur Diagnostik und Therapie direkt vor Ort transportieren.
“Sanfte” Chirurgie, “Schlüsselloch-” oder “Knopfloch”-Chirurgie ist die minimal-invasive Technik schon genannt worden (“Operationen ohne Messer”, bild der wissenschaft 10/1990). In wenigen Jahren hat sie sich immer neues Terrain erobert: bei der Bauch- und Brustchirurgie, der Unfallchirurgie, der Orthopädie, der Gynäkologie und der Neurochirurgie. Routineeingriffe wie Gallenblasen-Operationen werden in vielen Kliniken schon zu 90 Prozent minimal-invasiv erledigt. Per Arthroskopie macht ein geschickter Orthopäde einen meniskusgeschädigten Fußballer binnen Wochen wieder fit. Selbst größere Operationen – wie die teilweise Entfernung des Dickdarms – kann man inzwischen schonend via Endoskop angehen. Doch nicht für alle Operationen, die mit dem Endoskop theoretisch möglich sind, lohnt sich der Aufwand. Bei Blinddarm- oder Leistenbruch-Operationen kommt man auch ohne viel Sondentechnik mit einem kleinen Schnitt zurecht. Vor Krebs-Operationen mit dem Endoskop scheuen manche Chirurgen aus einem anderen Grund zurück: Wo auch nicht der kleinste Rest von Tumorgewebe zurückbleiben darf, vertrauen sie immer noch lieber dem bloßen Auge als dem Monitorbild.
Die Vorteile der sanften Chirurgie sind eindeutig: weniger Schmerzen und kürzere Liegezeiten für die Patienten, weniger Ausfalltage für ihre Arbeitgeber, weniger Krankenhaustage und Behandlungskosten für die Versicherungsträger. Und noch sind nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft: Kürzlich meldeten Herzchirurgen des Münchener Klinikums Großhadern die erste minimal-invasive Herz-Operation in Deutschland, die Umleitung einer Brustwand-Arterie auf die Herzkranz-Gefäße. Eine Weltpremiere verkündeten auch Orthopädien am Forschungszentrum Karlsruhe: Sie operierten eine verschlissene Bandscheibe durch ein einziges, gerade 3,8 Millimeter dünnes Endoskoprohr.
medinfo medien
Buch Klaus Meier (Hrsg.) Sanfte Chirurgie Minimal invasive Medizin – ein Ratgeber für Patienten Aufbau Verlag, Berlin 1994 DM 34,-
Anne Marie Feldkamp Morgens operiert – abends zu Hause Ambulante Operationen Trias, Stuttgart 1995 DM 19,80
Alfres Cuschieri Minimalinvasive Chirurgie der Gallenblase Ein Lehr- und Übungsbuch für Ärzte und Studenten Blackwell, Berlin 1994 DM 198,-
Internet Unter der Internet-Adresse http://www.rki.de kann man sich vom Robert-Koch-Institut (RKI) in Berlin aktuelle Informationen über Infektionskrankheiten wie BSE, Aids, Lassa-Fieber, Ebola oder über anrollende Grippewellen holen. Abrufbar sind außerdem sämtliche RKI-Pressemitteilungen der letzten Jahre.
Helmut L. Karcher