ABC DAE FAE GFEHBC.
Dieser Satz ist bestimmt richtig und leicht zu entschlüsseln. Die Kunst oder Wissenschaft, solche “Geheimschriften” zu entwerfen und zu knakken, nennt man Kryptologie (oder Kryptographie). Diese Wissenschaft fasziniert seit Jahrtausenden gleichermaßen Profis wie Liebhaber.
Der bekannte Astrophysiker Prof. Rudolf Kippenhahn gehört zweifellos zu den Liebhabern der Kryptographie. Sein Buch ist seine Liebeserklärung an diese Wissenschaft.
Ich habe es zweimal gelesen. Das erstemal wie eine Sammlung von Kriminalgeschichten, die spannend und zum Teil unglaublich sind. Die Überschriften geben die Atmosphäre wieder: Die geheime Botschaft an den Grafen Sandorf – Wie Maria Stuart verraten wurde – Das Rätsel um den Mann mit der eisernen Maske – Das Codebuch des Papstes – Das Räderwerk des Thomas Jefferson – Das tragische Schicksal des Alan Turing . . .
Die zweite Ebene, auf der ich das Buch gelesen habe, ist die der detaillierten Beschreibung kryptographischer Codes. Kippenhahn erklärt nicht nur die üblichen Papier-und-Bleistift-Codes, sondern schildert auch ausführlich die “Enigma”, die wohl berühmteste Chiffriermaschine der Welt, und kommt am Ende sogar auf Verfahren der Public-Key-Kryptographie zu sprechen, die erst in den letzten Jahrzehnten entwickelt wurden. Insgesamt ist Kippenhahn eine ausgezeichnete Balance zwischen unterhaltender Lektüre und sachlicher Darstellung gelungen.
Es ist ein farbiges, ja buntes Buch, das allerdings manchmal gefährlich in die Nähe des Kunterbunten gerät. So habe ich in den ersten Kapiteln mitunter einen durchgehenden roten Faden vermißt. Denn die Codierungen von Kontonummern und Buchnummern haben mit Geheimhaltung rein gar nichts zu tun; die Überschrift “Die verborgene Nachricht in der Kontonummer” ist mindestens grob mißverständlich. Auch die Darstellung des elektronischen Bezahlens im allgemeinen und der Geldkarte im besonderen ist mir zu oberflächlich. Hier hat der Autor einem vermeintlichen Zwang zur Aktualität nachgegeben – weniger wäre mehr gewesen. Diese Kleinigkeiten können aber das insgesamt sehr positive Bild nur unwesentlich trüben.
Das Tüpfelchen auf dem i dieses Buches ist die liebevolle Ausstattung, die sich in vielen Details zeigt – etwa bei den zahlreichen und gut ausgewählten Bildern oder bei der originellen Darstellung der Seitenzahlen. Daher gilt der Dank der Leserinnen und Leser nicht nur dem Autor, sondern auch dem Verlag.
Übrigens: Auf Englisch liest sich das Eingangskryptogramm noch prägnanter: A BC B CBD.
Rudolf Kippenhahn VERSCHLÜSSELTE BOTSCHAFTEN Rowohlt Reinbek bei Hamburg, 1997 245 S., DM 45,-
Albrecht Beutelspacher