„Vergewaltigen ist wie Rauchen. Man kann nicht mehr aufhören, wenn man einmal damit angefangen hat”, behauptete ein Vergewaltiger. Möglicherweise können sich Menschen an Gewalt tatsächlich gewöhnen wie an eine Droge.
In den siebziger Jahren entwarfen die beiden Psychologen Richard Solomon und John Corbit die bis heute wichtige „ Gegenprozess-Theorie” der Motivation. Danach versucht der Körper stets, sein Gleichgewicht zu wahren. Bringt eine Droge die normale chemische Balance durcheinander, setzt der Körper einen Gegenprozess in Gang, um sie wiederherzustellen.
Wird die Droge öfter geschluckt, muss der Körper immer effektiver gegensteuern. Die Droge verliert ihre angenehmen Effekte und die Euphorie kippt ins Gegenteil um. Der Konsument muss die Dosis erhöhen – die Sucht nimmt ihren Lauf. Bei anfangs unangenehmen Erfahrungen läuft das Ganze umgekehrt ab, etwa beim Fallschirmspringen. Der Gegenprozess kämpft die jähe Angst nieder, etwa mit Endorphinen. Viele Sprünge später ist der Gegenprozess so stark geworden, dass das Springen Freude bereitet.
Nach dem gleichen Prinzip kann sich Sadismus entwickeln, vermutet der Psychologe Roy Baumeister. Am Anfang machen die Untaten keinen Spaß, doch das ändert sich, wenn ein Gegenprozess die Abscheu ins Gegenteil umschlagen lässt. So weigerte sich ein amerikanischer Soldat in Vietnam zunächst zweimal, aus dem Hubschrauber Zivilisten niederzuschießen. Beim dritten Anflug schoss er, weil sein Offizier ihm mit dem Kriegsgericht drohte. Anschließend musste er sich übergeben. Bei den nächsten Flügen gehorchte er schneller, und ziemlich rasch machte ihm das Töten von Unbewaffneten Spaß. Am Ende verglich er es mit dem Feuern auf Schießbuden-Figuren.