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Trend 1: Die Quanten werden greifbar

Allgemein

Trend 1: Die Quanten werden greifbar
Die Physik ist keine tote Wissenschaft. Immer wieder bieten spektakuläre Erkenntnisse Einblicke in die Materie. Lesen Sie auf den folgenden Seiten, welche Trends die physikalische Forschung heute beflügeln. Zum Beispiel die Quantenmechanik: Dort gibt es seit ein paar Jahren erstaunliche Anwendungen. Nebenbei erklärt Prof. Theodor W. Hänsch allgemeinverständlich wich-tige physikalische Begriffe.

„Die Quanten sind doch eine hoffnungslose Schweinerei!” Das schrieb Max Born ironisch in einem Brief an Albert Einstein. Das Fernduell der beiden großen Physiker – mit Einstein in der Rolle des Zweiflers an der Theorie des Allerkleinsten – wirkt bis heute nach. Mit Gegnern haben die Quantenphysiker zwar nicht mehr zu kämpfen, dazu ist die Theorie zu gut bestätigt, doch immer noch mit Unverständnis. Denn nichts widersetzt sich dem gesunden Menschenverstand so sehr wie die Welt des Allerkleinsten. Das kann vielleicht erklären, warum diese Disziplin einen so langen Anlauf brauchte, um technische Anwendungen hervorzubringen. Die Jahrzehnte seit den „Goldenen 1920ern”, in denen Erwin Schrödinger und Werner Heisenberg das quantenphysikalische Theoriegebäude komplettierten, verbrachten die Protagonisten vor allem mit philosophischen Deutungsversuchen und Gedankenexperimenten. Sie wollten die skurrilen Eigenschaften der Quanten austricksen. Doch die Attacken waren stets erfolglos. Frieden in die Diskussion brachten insbesondere die Experimente des Franzosen Alain Aspect Anfang der 1980er-Jahre. Aspect wies an verschränkten Photonen nach, dass es keine verborgenen Regeln gibt, die den Quanten mitteilen, wie sie sich zu verhalten haben (Frage 9). Einsteins trotzige Behauptung „Gott würfelt nicht” war damit widerlegt. Wichtige Impulse verdankt die Quantenphysik Anton Zeilinger, Leiter des Instituts für Quantenoptik und Quanteninformation der Universität Wien. Wie sein Fachkollege Alain Aspect experimentiert Zeilinger mit verschränkten Photonen. Die Lichtteilchen, die in einer Einzelphotonen-Quelle erzeugt werden, sind auf seltsame Weise miteinander verbunden. Und: Erst wenn ein Photon gemessen wird, legt es seine Eigenschaften fest – und mit ihm auch sein Zwillingsphoton. Das geschieht über beliebige Entfernungen ohne Informationsaustausch. Dem Wiener Team gelang es 1997 mithilfe der quantenmechanischen Verschränkung, eine Eigenschaft von einem Photon zum anderen zu übertragen – was Zeilinger den Spitznamen „Mr. Beam” einbrachte. Denn der Vorgang, den Physiker als Teleportation bezeichnen, erinnert an das Beamen in den Startrek-Filmen. Die Fähigkeit Zeilingers, seine Ergebnisse auf praktische Probleme anzuwenden und öffentlichkeitswirksam zu präsentieren, haben der Quantenphysik neue Perspektiven eröffnet.

transfer mit Quanten-Schutz

Eine interessante Anwendung von verschränkten Photonen ist die Quantenkryptographie. Die Verschränkung lässt sich nutzen, um unerlaubten Lauschern in optischen Kommunikationsverbindungen auf die Schliche zu kommen. Zeilingers Forschergruppe hat so 2004 eine quantenphysikalisch geschützte Banküberweisung vom Wiener Rathaus an die Bank Austria geschickt (Frage 20). Mittlerweile kann man Geräte in PC-Größe kaufen, die derart verschlüsselte Daten über rund 100 Kilometer Distanz hinweg austauschen.

Überhaupt gab es in den letzten Jahren etliche Erfolge beim Versuch, das akademische Interesse an der Quantenphysik in technische Anwendbarkeit umzumünzen. So endet mit dem Trend zur Miniaturisierung von elektronischen und optischen Bauelementen irgendwann die Zuständigkeit der klassischen makroskopischen Physik, und die Quantenphysik übernimmt die Deutungshoheit. Die Mikroelektronik, etwa in Computerchips, kratzt bereits an der Grenze, wo an Schaltvorgängen so wenige Ladungsträger beteiligt sind, dass sich die Quanteneigenschaften bemerkbar machen. Beispiel Telekommunikation: Um Daten – mit Billionen Bits pro Sekunde – noch schneller über Glasfaserkabel zu versenden, bedarf es Lichtquellen, die kontrolliert einzelne Photonen aussenden. Das Center for Optoelectronics and Photonics Paderborn, kurz CeOPP, arbeitet an solchen Quantenemittern. Das Team von CeOPP-Leiter Artur Zrenner hat ein künstliches Atom gebaut, das sich wie ein echtes Atom verhält, aber aus einer 10 bis 20 Nanometer großen Insel von Atomen des Halbleiters Indium-Galliumarsenid besteht. Wird das künstliche Atom per Laser angeregt, sendet es immer nur ein einzelnes Photon aus. Bettet man die Insel in eine Diode ein, wird daraus die kleinste Solarzelle der Welt. Beschießt man sie mit ultrakurzen Laserpulsen, fließt ein Strom, der nur aus einem Elektron besteht. Das wäre ideal für extrem schnelle, kleine und energiesparende Mikroprozessoren.

Q-Bits als Rechen-Turbo

Künstliche Atome könnten eines Tages zum Quantencomputer führen. Jede Insel wäre darin ein Quantenbit, die optische Entsprechung eines elektrischen Bits in der heutigen Siliziumelektronik. Doch in der Quantenwelt könnten Q-Bits nicht nur die Werte „0″ oder „1″ annehmen, sondern beliebige Zwischenzustände, was das Rechentempo enorm steigern würde. „Doch Q-Bits sind nicht skalierbar, denn dadurch würden die Quanteneigenschaften verloren gehen”, sagt Artur Zrenner. Der Münchner Nobelpreisträger Theodor Hänsch glaubt daher nicht, dass Quantencomputer herkömmliche Rechner an Leistungsfähigkeit überflügeln werden. Auf der anderen Seite hat Hänsch selbst wichtige Grundlagen für das Vordringen in die Quantenwelt gelegt – etwa durch seine Arbeiten zu Quantengasen: 2002 spannte sein Team ein dreidimensionales Gitter aus ultrakalten Atomen auf, die allein mit der Kraft von schwachen Laserstrahlen festgehalten wurden. Ultrakalte Gase sind eines der heißesten Forschungsthemen in der Quantenphysik – zum Beispiel Bose-Einstein-Kondensate. Ihre Besonderheit: Die quantenmechanischen Wellenfunktionen der enthaltenen Teilchen überlappen sich bei Bruchteilen von Grad über dem absoluten Temperaturnullpunkt. Solche Systeme sind ein ideales Modell, um quantenphysikalische Phänomene zu studieren. Sie aus Einzelatomen herzustellen, ist inzwischen Routine. Noch viel interessanter sind Gase aus Molekülen, also aus chemisch gebundenen Atomen. 2008 gelang Innsbrucker Physikern erstmals die Erzeugung eines Quantengases aus paarweise gebundenen Cäsium-Atomen – für eine zumindest in der Quantenwelt halbe Ewigkeit von zehn Sekunden. Nun ist das Ziel, noch größere Moleküle zu vereinen. Mit derart tiefgekühlten Molekülen könnten die Wissenschaftler chemische Reaktionen viel genauer als bisher beobachten und gezielt steuern. ■

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von Bernd Müller

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