Am Freitagnachmittag, wenn das Wochenende winkt, wird’s rasch leer im Haus”, sagt Prof. Lutz Gürtler. “Ich warte, bis ich wirklich alleine im Labor bin. Erst dann fange ich an, die Virus-Lösungen zu konzentrieren. Dieses Risiko mute ich keinem meiner Mitarbeiter zu, ich trage es lieber persönlich.”
Er füllt fingergroße Röhrchen in zwei Zentrifugen mit virushaltiger Zellkulturlösung. Sobald die Geräte laufen, rotieren die Röhrchen wie im Karussell, und die Fliehkraft trennt die Virusfracht nach und nach von der Kulturflüssigkeit. Ein Zentrifugenlauf dauert zirka zwei Stunden. 15 bis 20 Läufe sind notwendig, damit am Montagmorgen die Arbeitsgruppe ihr Forschungsmaterial zur Verfügung hat.
Während die Stunden seines Wochenendes verticken, überwacht der Leiter des Instituts für Medizinische Mikrobiologie an der Universität Greifswald die surrenden Zentrifugen. Obwohl das öde Routine ist, muß er voll konzentriert sein. Aus gutem Grund ist dieser Arbeitsgang in ein Hochsicherheitslabor der Kategorie S3 verbannt: Unterdruck im Raum, Werkbänke mit stetigem Luftstrom Richtung Abzug, Luftfilter, Hitzesterilisierung von sämtlichem Abfall. Wer hineinwill, muß in einer Schleuse Schutzkleidung, Mundschutz und Brille anlegen.
Die Greifswalder Arbeitsgruppe erforscht einen besonders gefürchteten Krankheitserreger: HIV, den Auslöser der Immunschwäche Aids. Für Lutz Gürtler, einen der Veteranen der HIV-Forschung in Deutschland, ist das allein noch kein Grund für Gänsehaut. “Das Virus ist einfach zu inaktivieren, dazu reichen schon 60 Grad Celsius und eine Spülmittellösung. Natürlich muß man unter sterilen Bedingungen arbeiten – aber das ist bei einem Krankheitserreger wie HIV selbstverständlich.”
Die Hauptgefahr – neben Schnitt- oder Stichverletzungen, etwa mit infektiösen Kanülen – lauert anderswo: “beim Hochkonzentrieren der Viren, bei der Zentrifugation”, sagt Gürtler. Wenn durch Materialermüdung ein Zentrifugenröhrchen bricht oder Flüssigkeit überläuft, kann eine Aerosolwolke aus dem Gerät stieben. Wer dann ungeschützt konzentrierten Virusdunst einatmet oder auf die Mikrorisse in rasierter Gesichtshaut abbekommt, riskiert alles.
1994 kam die vorläufig letzte Nachricht dieser Art – von den Centers for Disease Control (CDC) in Atlanta/Georgia, der zentralen amerikanischen Forschungsinstitution für menschliche Krankheitserreger. Die rekonstruierte Unglücksursache: Unfall beim Hochkonzentrieren von HIV.
Ein Virologe hatte in einem Sicherheitslabor virushaltige Kulturflüssigkeit zentrifugiert. Danach reinigte er den Rotoreinsatz der Zentrifuge – allerdings draußen in einem normalen Laborraum, ohne Schutzanzug. “Aus einem Zentrifugenröhrchen war etwas ausgelaufen, und er infizierte sich offenbar mit Virus-Aerosol”, bedauert Lutz Gürtler den amerikanischen Kollegen.
“So was kann durch Überlastung passieren”, sagt er. “Wenn man in der Forschung etwas erreichen will, hat man 12- bis 14-Stunden-Arbeitstage – da unterlaufen manchem Fehler.” Der Greifswalder schwört auf strikte Disziplin, und auf Plastik anstelle von Glasröhrchen fürs Zentrifugieren: Die sind zwar aufwendiger zu warten, aber sie können nicht zerbrechen. “Außerdem lasse ich die Zentrifuge mit höchstens 15000 Umdrehungen pro Minute laufen, um die Röhrchen zu schonen, obwohl sie bis 21000 ausgelegt ist. Und ich fülle die Röhrchen nur dreiviertelvoll – statt randvoll wie der CDC-Kollege -, damit nichts überläuft.”
Mindestens 84 Menschen, die beruflich mit HIV oder Aids-Kranken zu tun hatten, ist in Europa und in den USA bis Dezember 1997 das Unglück der Infektion zugestoßen. In der Diskussion sind weitere 114 Verdachtsfälle, davon 22 in Deutschland. So steht es in der Statistik berufsbedingter HIV-Infektionen des Londoner Überwachungszentrums für meldepflichtige Krankheiten.
Der Löwenanteil ist medizinisches Personal: Krankenschwestern, Pfleger, Ärzte. Aber drei der Infizierten, alle in den USA, zogen sich den heimtückischen Aids-Erreger zweifelsfrei nicht durch den Kontakt mit Patienten zu – sondern während einer Forschungsarbeit.
Drei HIV-Infizierte unter einer Tausendschaft von Menschen in der Aids-Forschung – dieses Verhältnis signalisiert: daß etwas passiert, ist offensichtlich nicht die Regel, sondern die Ausnahme. Doch das Risiko, sich bei der Arbeit mit Krankheitserregern anzustecken, ist ebenso offensichtlich nicht gleich Null. Das ist es freilich schon vor der Aids-Ära nicht gewesen.
Der Londoner Mikrobiologe C. H. Collins, im Auftrag der Weltgesundheitsorganisation WHO mit der Erfassung aller weltweit gemeldeten Laborinfektionen befaßt, zitiert in seinem Buch “Laboratory-acquired Infections” eine bis 1976 reichende Studie. Darin sind alle bis dahin bekanntgewordenen 3921 Labor-Ansteckungsfälle mit Krankheitserregern registriert – von Brucellose und Hepatitis über Tularämie bis zur Venezolanischen Pferdeenzephalitis.c In dieser Studie ist akribisch aufgeschlüsselt, wie die 3921 Fälle sich auf die unterschiedlichen Laborarten verteilen. Platz eins hält die Forschung, wie die Tabelle unten zeigt: Infektionskrankheiten attackieren jedes Jahr Hunderte von Millionen Menschen und raffen Millionen dahin. Bei der Forschung mit Krankheitserregern sich anzustecken, fällt im Vergleich dazu unter die Kategorie “Einzelschicksal”. Aber das macht die Angelegenheit nicht irrelevant. Zu fragen ist: Wann wird es gefährlich im Labor? Welche Rolle spielen menschliche Faktoren wie Ehrgeiz und Leichtsinn? Wie hält der einzelne der persönlichen Belastung stand?
Klar ist: Hüten kann man sich nur vor Gefahren, die man erkennt. Und neue, kaum oder überhaupt nicht erforschte Krankheitserreger sind hier allemal für eine böse Überraschung gut.
Davon kann auch Prof. Helga Rübsamen-Waigmann ein Lied singen. Heute Chef-Virologin im Elberfelder Forschungszentrum der Bayer AG, leitete sie über sechs Jahre lang das Frankfurter Forschungsinstitut Georg-Speyer-Haus. Als erste in Deutschland isolierte sie mit ihrem Diplomanden Hagen von Briesen aus Blutproben den Aids-Erreger und dokumentierte die ungewöhnlich hohe Mutationsgeschwindigkeit, mit der sich die Viren immer neue Hüllprotein-Masken zulegten.
“Als ich das entdeckte, bin ich sehr erschrocken”, gesteht die Forscherin, “weil mir klar war, wie gefährlich eine Infektion mit diesen Viren sein mußte. Aber als ich umgehend den Bau eines Hochsicherheitslabors forderte, bekam ich von unserem Geldgeber zunächst zu hören, das sei doch Luxus. Ich setzte den Bau dann doch durch, und wir führten sehr strenge Regeln im Labor ein.” Glücklicherweise, so Rübsamen-Waigmann, ist durch diese Maßnahmen bis zum heutigen Tag keine einzige Anstekkung in dem Frankfurter Forschungsinstitut vorgekommen.
Auch das Institut für Virologie an der Universität Marburg, eine Hochburg der Virusforschung in Deutschland, hat eine blütenweiße Weste in Bezug auf Laborinfektionen. Bis auf einen einzigen Schönheitsfleck, gesteht Prof. Werner Slenczka, Leiter des Marburger Hochsicherheitslabors. Es ist allerdings schon über 30 Jahre her – daß er selbst sich etwas einfing.
“Es passierte mit Lymphocytic Choriomeningitis Virus (LCM) – dem ersten Virus, mit dem ich überhaupt arbeitete”, erinnert sich Slenczka an den Beginn seiner Laufbahn. “Von LCM wußte man, daß es seinen natürlichen Wirt, die Maus, nicht krank macht, und es galt auch für Menschen als eher harmlos. Später stellte sich allerdings heraus: Es existieren zwei unterschiedliche LCM-Stämme. Einer ist harmlos, der andere nicht. Und den habe ich erwischt.”
Höchstwahrscheinlich geschah es während des Zentrifugierens. Der junge Forscher sammelte das virushaltige Sediment am Boden der Zentrifugenröhrchen ein – “und dabei habe ich wahrscheinlich Aerosole produziert. In den sechziger Jahren machte man so was einfach auf dem Tisch, ohne weitere Vorsichtsmaßnahmen – heute undenkbar.”
Alsbald setzten Symptome einer schweren fiebrigen Erkältung ein. Slenczka dachte sich noch nichts dabei: “Nach zwei Tagen fühlte ich mich wieder hervorragend. Aber eine Woche später ging es erneut los, mit hohem Fieber, heftigem Kopfweh und Schmerzen hinter dem Brustbein. Mehr weiß ich nicht mehr, ich verlor das klare Bewußtsein.”
Von einer Reise zurückgekehrt, fand seine Frau den Schwerkranken und ließ ihn sofort in die Klinik bringen. Nach dem Punktieren von Rückenmarkflüssigkeit ging es ihm rasch besser. Sechs Wochen Hospital, sechs Wochen Erholung zu Hause, und Slenczka stand wieder am Labortisch – um eine häßliche Erfahrung reicher.
“Das ist ganz charakteristisch”, sagt sein Kollege und Institutschef Prof. Hans-Dieter Klenk. “Es ist ganz ähnlich wie beim Autofahren. Da sind bekanntlich die ersten zwei Jahre die gefährlichsten.
Und analog dazu ist auch für angehende Virologen der Beginn der praktischen Arbeit gleich ihre risikoreichste Zeit.” Daß Virusforschung von vornherein gefährlicher sei als andere Forschungsgebiete, weist Klenk zurück: “Wenn man die notwendige Vorsicht walten läßt, muß nicht mehr passieren als anderswo”, sagt der Marburger Institutsleiter. So hält er es beispielsweise für eine selbstverständliche Schutzmaßnahme, daß jeder am Institut gegen Hepatitis B geimpft ist. Bevor es einen Impfstoff gab, war dieses Infektionsrisiko das Schreckgespenst des Laborpersonals: Die aggressiven Viren können die Leber irreparabel zerstören.
Indes: nicht gegen sämtliche Erreger existieren Impfstoffe. Die Herstellung einer schützenden Vakzine kostet ein Pharma-Unternehmen Hunderte von Millionen Mark, bis das Präparat endlich zur Marktreife gediehen ist. Diese Investition lohnt nicht bei der kleinen Zahl von Impflingen, wenn es um irgendein exotisches Virus geht.
Hans-Dieter Klenk ortet die Haupt-Risikozonen beim Arbeiten mit Krankheitserregern prinzipiell dort, wo Ungeübte – aber auch alte Routiniers – eine Gefahr nicht angemessen ernst nehmen, wo weder Impfstoffe noch Chemotherapeutika gegen einen krankmachenden Erreger zur Verfügung stehen, und wo man mit Tieren oder biologischen Geweben aus entfernten geografischen Regionen arbeitet. Denn damit importiert der Forscher unter Umständen auch neue, hierzulande unbekannte Krankheitskeime.
Was dann geschehen kann, erlebte Marburg im Jahr 1967. In den hier ansässigen Behringwerken boomte die Impfstoffherstellung gegen Poliomyelitis (“Kinderlähmung”). Ausgangspunkt waren Polio- Viren, die man hier züchtete. Als Kulturmedium eigneten sich am besten die Nierenzellen aus einer afrikanischen Affenart, der “Grünen Meerkatze”. Jeden Freitag traf eine neue Ladung Affen aus Uganda am Frankfurter Flughafen ein und wurde fabrikmäßig in der Folgewoche “aufgearbeitet”.
“Aus heutiger Sicht war das leichtsinnig”, urteilt Werner Slenczka. “Vier Wochen Quarantäne hätten genügt, um eventuell erkrankte Tiere zu erkennen und auszusondern. Aber es mußte ja so fix gehen. Dabei sagt schon der Volksmund, jemand sei wohl ,vom wilden Affen gebissenO, wenn er sich krankhaft verhält. Affenblut enthält wahnsinnig viele Viren – bis zu zehn Millionen pro Milliliter. Menschenblut erreicht höchstens ein Hundertstel dieses Wertes.”
Im August 1967 erkrankten 22 Laborbeschäftigte der Behringwerke, die Organe der Grünen Meerkatzen verarbeitet oder anderweitig Kontakt mit dem Tierblut gehabt hatten – zunächst mit grippeähnlichen Symptomen.
In der zweiten Krankheitswoche wurde der Verlauf bei einem Teil der Betroffenen dramatisch: höllische Kopf- und Gliederschmerzen, roter Ausschlag, Blutungen in Haut und Schleimhäuten – auch in inneren Körperflächen, zum Beispiel von Darm und Lunge. “Hämorrhagisches Fieber” nennen das die Mediziner: Gewebe und Blutgefäße lösen sich buchstäblich auf. Fünf Infizierte starben.
Im Krankenhaus war das Personal hilflos. Es handelte sich offensichtlich um eine Infektion – aber die Symptome paßten zu keinem bekannten Erreger. Eine junge Ärztin stach sich während des Blutabnehmens und erkrankte danach, ebenso eine Krankenschwester.
Erst am 20. Oktober 1967 hatte das Rätselraten ein Ende. In Leber und Milz von Meerschweinchen, denen sie Patientenblut eingeimpft hatten, wiesen Werner Slenczka und sein Kollege Rudolf Siegert die biochemische Spur des Erregers nach. In Hamburg angefertigte elektronenmikroskopische Aufnahmen zeigten ein riesiges stäbchenförmiges Virus aus der Familie der Filoviren, die im tropischen Afrika zu Hause ist. Nach dieser Entdeckung erhielt der Krankheitskeim die Bezeichnung “Marburg-Virus”.
Ein enger Verwandter, das Ebola-Virus, erschreckt seit Anfang der neunziger Jahre die Weltöffentlichkeit durch plötzlich aufflackernde Epidemien auf dem Schwarzen Kontinent. An einem Marburg-Virus-Ausbruch starben im Frühjahr 1999 Dutzende Menschen in der Region um Isiro, im Nordosten der Demokratischen Republik Kongo (früher: Zaire).
Marburg-, Ebola-, Hanta- und Latino-Viren bilden die oberste Risikoklasse: Erreger, die alle tödlich verlaufende Krankheiten beim Menschen verursachen können und gegen die es keinerlei Impfung oder medikamentösen Schutz gibt. Außerhalb Afrikas sind biologische Bomben dieses Kalibers in die sterilen Gefängnisse der Hochsicherheitslabors verbannt.
Auch am Marburger Institut für Virologie darf nur im abgeschotteten S3-Labor an intakten Marburg- und Ebola-Viren geforscht werden. Zutritt haben lediglich Werner Slenczka und fünf sorgfältig ausgesuchte Mitarbeiter. “Wer da drin arbeitet, muß nicht nur über die notwendige Fachkenntnis verfügen”, betont Hans-Dieter Klenk, “sondern auch über seelische Stabilität. Ängstliche haben hier keine Chance.”
Auch Werner Slenczka legt auf eine intakte Psyche der Mitarbeiter Wert: “Als Laborleiter will ich mir hier keinen Psychopathen einhandeln, der damit droht, er habe eine Ampulle mit Viren entwendet und wolle die nun in einen Trinkwasserbehälter schütten. Daher habe ich auch – schon bevor wir das Hochsicherheitslabor hatten – auf einer abschließbaren Tiefkühltruhe bestanden.”
Gefragt, vor welchem Erreger er den meisten Respekt habe, nennt Slenczka den Aids-Erreger HIV. Seine Begründung: “Bei einer Laborinfektion mit Marburg- oder Ebola-Viren wäre die Sache nach spätestens drei Wochen ausgestanden – so oder so. Bei einer HIV-Infektion hingegen zieht sich das noch ewig hin.”
HIV-Forscher Lutz Gürtler in Greifswald argumentiert cool: “Ich bin ausgebildeter Arzt – da lernt man, Risiken rational zu bewältigen. Einmal schlampen kann eben einmal zuviel sein. Man muß sich zwingen, trotz aller Routine jedesmal Schutzbrille und Handschuhe anzulegen, sich jedesmal beim Passieren der Schleuse umzuziehen.” Warum er all dies auf sich nimmt? “Da ist schon Ehrgeiz dabei – der Antrieb, in der Forschung etwas zu bewegen. Sonst gäbe es weiß Gott bequemere Jobs.”
Mit Blick auf seine Mitarbeiter plädiert er für Ehrlichkeit: “Ich mache jedem klar, welche Risiken bestehen und was man dagegen tun kann. So trainiere ich beispielsweise meine Medizinisch-Technischen Assistentinnen darauf, immer nur mit ausgestreckten Armen zu arbeiten. Das senkt die Gefahr, Aerosole einzuatmen. In meinem S3-Labor sind zusätzlich Kanülen streng verboten, ebenso jegliches Glasgerät. Das vermindert von vornherein das Risiko von Stichen und Schnitten.”
Was er geradezu als Segen empfindet, ist die von Teilen der Öffentlichkeit so mißtrauisch beäugte Gentechnik. “So können bereits Diplomanden am Forschungsthema HIV arbeiten, ohne das mindeste Risiko einzugehen: Die arbeiten nur mit klonierten Teilen der Virus-Erbsubstanz statt mit intakten, infektiösen Viren.”
Auf freiwilliger Basis unterziehen Gürtler und seine Mitarbeiter sich alle drei Monate einem Aids-Test. Bisher erbrachte diese Kontrolle stets ein negatives Ergebnis. “Das erhöht die Zuversicht, daß man’s wohl richtig macht”, sagt er. “Dann lebt man damit.”
Mit Krankheitserregern infiziert Forschungslabors 2307 Fälle 58,8 % Diagnostische Labors 0677 Fälle 17,3 % Herstellung biologischer Produkte 0134 Fälle 03,4 % Ausbildung 0106 Fälle 02,7 % ohne Spezifikation 0697 Fälle 17,8 %
Max-Planck-Gesellschaft: Riskante Leitern Die Max-Planck-Gesellschaft (MPG), Aushängeschild der deutschen wissenschaftlichen Gesellschaften, erfreut sich seit Jahren sinkender Unfallzahlen. Ganze 20 Laborunfälle seien 1998 gemeldet worden, gibt Dr. Peter Neurieder, Umwelt- und Sicherheitsbeauftragter der MPG, zu Protokoll. Angesichts der rund 6000 Beschäftigten in MPG-Labors ist Neurieder angenehm überrascht: “Angesichts des teilweise erhöhten Risikopotentials, beispielsweise auf chemischen und mikrobiologischen Forschungsgebieten, sind die Forschungsarbeitsplätze außerordentlich wenig unfallträchtig. In den angeschlossenen Werkstätten passiert deutlich mehr.” Die Unfallursachen seien darüber hinaus bisweilen banal – so waren fünf dieser 20 Vorkommnisse, bei denen Menschen verletzt wurden, Leiterunfälle bei Arbeiten an Deckenlampen. Ähnlich häufig sei Glasbruch als Ursache von Schnittverletzungen, beispielsweise beim Spülen.
Böse Überraschung Ein Team unter Leitung des Verhaltensforschers Christoph Bösch beobachtet seit 1979 eine Gemeinschaft freilebender Schimpansen im Taï-Nationalpark/Elfenbeinküste. Seit Anfang der neunziger Jahre gab ein rätselhafter Schrumpfungsprozeß den Wissenschaftlern Rätsel auf: 80 Tiere hatte die Horde noch 1987, doch dann wurden es von Jahr zu Jahr weniger.
Am 16. November 1994 sah ein Dreiergrüppchen der Verhaltensforscher plötzlich die Chance, das mysteriöse Verschwinden aufzuklären: Man stieß auf den erst wenig verwesten Kadaver eines Schimpansenweibchens. Eine 34jährige Schweizer Wissenschaftlerin sezierte den Leichnam unter freiem Himmel und entnahm Gewebeproben.
Als die Schweizerin acht Tage danach Fieber bekam, tippte sie noch auf einen Malariaanfall. Ihr Zustand verschlechterte sich rapide. Mit heftigen Kopfschmerzen und Schüttelfrost wurde sie in ein Krankenhaus der Hauptstadt Abidjan eingeliefert. Dort schlug das Malaria-Medikament Chinin überhaupt nicht an. Auch die Symptome Erbrechen, Ausschlag, Gedächtnisverlust und Angstattacken paßten nicht ins Bild. Am letzten Novembertag transportierte ein Rettungsflugzeug sie nach Basel ins Universitätsspital, wo Spezialisten sie mit Antibiotika behandelten. Die Kranke hatte zehn Prozent ihres Körpergewichts eingebüßt und war geschwächt – doch sie begann sich zu erholen. Als sie nach 15 Tagen nach Hause entlassen wurde, traf die Diagnose aus der Durchmusterung von Blutproben ein: Infektion mit Ebola-Viren. Diese Erreger aus dem tropischen Afrika können im Menschen – individuell verschieden – grippeähnliche Symptome auslösen. Aber auch hämorrhagisches Fieber: Dann lösen sich die Zellwände von Körpergeweben auf, und dem Infizierten drohen schwere Blutungen, bis zum tödlichen Schock.
Die Schweizer Verhaltensforscherin hatte Glück Das fehlt immer wieder dem ahnungslosen medizinischen Personal, wenn jemand mit unklaren Symptomen eingeliefert wird. So war es auch beim großen Ebola-Ausbruch 1976 in Kikwit/ Zaire. Da tippte man bei einem Kranken auf einen durchgebrochenen Blinddarm – und das ganze OP-Team starb kurz nach der Operation an einer Ebola-Infektion. Zwei Drittel aller Ebola-Toten in Zaire und Sudan waren Krankenhauspersonal.
Thorwald Ewe