“Wie war noch Ihr Name?” Nach dem halbstündigen Telefonat hatte Gunther Karsten doch glatt vergessen, wie seine Gesprächspartnerin heißt. Dabei konnte er sich bei der diesjährigen Gedächtnismeisterschaft, die im Juli in Schwäbisch Hall stattfand, die Reihenfolge von 364 Spielkarten einprägen und eine 338stellige Zahl merken. Für diese Meisterleistung mußte der Münchner Patentübersetzer gerade mal drei Monate lang trainieren und das nicht mehr als 15 Minuten pro Tag. “Im Alltag ist mein Gedächtnis dadurch allerdings nicht viel besser geworden”, sagt Karsten.
Da er es interessant findet, was man sich so alles in den Kopf packen kann, trainiert der promovierte Chemiker in der Freizeit sein Gedächtnis mit Spielkarten und Zahlen. Wie bei jedem Sport komme es dabei vor allem auf die Technik an. Sein spezieller Trick ist, daß er im Kopf Zahlen in Bilder verwandelt. Tut er das nicht, hat sogar er gelegentlich Schwierigkeiten, sich an eine einfache Telefonnummer zu erinnern.
“Ein gutes Gedächtnis hat nicht viel mit Intelligenz zu tun”, sagt Karsten. Gleichwohl ist sie bei der Gedächtnisakrobatik nicht hinderlich: Immerhin ist er seit 15 Jahren Mitglied in der “Mensa” – einem Verein, in dem sich nur Menschen mit einem Intelligenzquotienten von mehr als 130 versammeln dürfen.
Weil sich der Mann mit dem guten Gedächtnis in der Schule häufig gelangweilt hat, kümmert er sich in seiner Freizeit nicht nur um Zahlenkolonnen, sondern auch um hochbegabte Kinder. Ihnen will er neben geistiger Nahrung soziale Fähigkeiten mit auf den Weg geben.
Denn ein gutes Gedächtnis und ein Übermaß an Intelligenz machen das Leben nach Karstens Ansicht nicht unbedingt leichter: “Ich habe wenig Freunde, mit denen ich tiefsinnig diskutieren kann.” Und – so verrät der 36jährige: “Man ist nicht unbedingt glücklicher, wenn man sich zu viele Gedanken macht.
Gunther Karsten