Nach der Einnahme als Tablette verlieren viele Medikamente ihre Wirksamkeit, da sie im Magen-Darm-Trakt zerstört oder von körpereigenen Stoffen angegriffen werden.
Dann kann der Arzneistoff nur durch das Spritzen in die Blutbahn dorthin geschleust werden, wo er wirken soll – eine unangenehme Prozedur. Bei manchen Menschen reicht allein der Anblick der Nadel aus, um sie in Angst zu versetzen.
Jetzt hat Mark R. Praunitz vom Georgia Institute of Technology haardünne und nur 0,15 Millimeter lange Mikronadeln entwickelt, die lediglich die äußere Schutzbarriere der Haut, das Stratum Corneum, überwinden. Die etwa einen halben Millimeter darunter liegenden Nervenenden werden von diesen winzigen Nadeln nicht getroffen, wodurch der Wirkstoff weitgehend schmerzfrei verabreicht werden kann.
Andererseits gelangt er tief genug in die Haut, um rasch die Blutgefäße und damit die Blutbahn zu erreichen. Weil die Einstichlöcher nur einen tausendstel Millimeter klein sind, können keine Bakterien und Fremdkörper eindringen – das ist wichtig, um Infektionen zu vermeiden.
Um die Mikronadel-Systeme herzustellen, gießen Praunitz und seine Mitarbeiter Silikon in kleine Metallformen und decken anschließend die Oberfläche mit einer gerasterten Metallschablone ab. Dann bombardieren sie die Silikonkuchen mit hochenergetischen Teilchen, wodurch die ungeschützten Bereiche gleichsam wegradiert werden. Die unter dem Metall verborgenen Regionen bleiben dagegen erhalten und formen die Mikronadeln.
So können mehrere hundert Kanülen auf ein gerade ein Quadratzentimeter kleines Plättchen aufgebracht werden, das sich wie ein Pflaster auf die Haut kleben läßt. Der Wirkstoff, beispielsweise Insulin, befindet sich in einem kleinen Behälter auf der Rückseite des Silikonplättchens.
Doch bis das Mikronadel-Pflaster in Apotheken erhältlich ist, werden noch Jahre vergehen. Denn die Wissenschaftler müssen in klinischen Studien zum Beispiel nachweisen, daß die mit der Mikronadel-Injektion verbundene Anreicherung des Wirkstoffes in der Haut nicht zu Entzündungen führt und daß die Nadeln keine allergischen Reaktionen auslösen.
In der Zwischenzeit arbeitet Praunitz bereits an einer Weiterentwicklung seines Systems: Er will die feinen Nadeln mit einer mikroprozessorgesteuerten Pumpe koppeln, um die Abgabe des Wirkstoffes zu regulieren, der sich dann individuell dosieren läßt.
Marco Rauland