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Schwächelnde Sonne – Eisiges Europa

Allgemein

Schwächelnde Sonne – Eisiges Europa
Eine geringe magnetische Sonnenaktivität könnte dafür sorgen, dass die Winter in Mitteleuropa härter werden.

Dass sich die Erde im letzten Jahrhundert erwärmt hat, ist für die meisten Wissenschaftler eine Tatsache – und auch, dass der Klimawandel zu einem großen Teil durch den Menschen verursacht wird. Doch trotz dieses globalen Trends wird Mitteleuropa in den kommenden Jahren möglicherweise häufiger kalte Winter erleben. Der Grund sind Phasen schwächerer Sonnenaktivität.

Dafür spricht eine Studie von britischen und deutschen Wissenschaftlern. Die Forscher der University of Reading in der südenglischen Grafschaft Oxfordshire und vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS) bei Göttingen fanden einen Zusammenhang zwischen geringer Sonnenaktivität und ungewöhnlich niedrigen Wintertemperaturen in Großbritannien und Mitteleuropa. Grundlage waren Wetterdaten, die über viereinhalb Jahrhunderte zurückreichen. Dass die Sonne als Hauptenergiequelle das Erdklima beeinflusst und Schwankungen ihrer Aktivität über lange Phasen der Erdgeschichte die Temperaturen bestimmt haben, war schon zuvor bekannt – weitere Faktoren sind Unregelmäßigkeiten des Erdorbits und Vulkanausbrüche. Studien finnischer und deutscher Forscher aus dem Jahr 2004 belegen, dass in den vergangenen 1150 Jahren die globalen Mitteltemperaturen und die auf die Erde eingestrahlte Sonnenenergie parallel verliefen.

TREIBHAUSEFFEKT SCHLÄGT DURCH

Dagegen gilt für die jüngste Vergangenheit auf globaler Ebene, dass sich Sonneneinstrahlung und Erderwärmung verschieden entwickelt haben – das ist seit etwa 1975 feststellbar. Viele Studien zeigen, dass einer abnehmenden solaren Aktivität eine Temperaturzunahme auf der Erde gegenübersteht. Ursache ist wohl der vom Menschen erzeugte Treibhauseffekt.

Astronomen wissen, dass die Sonne nicht immer gleich hell strahlte: In einem etwa elfjährigen Zyklus wechseln sich vergleichsweise ruhige Phasen mit solchen starker Aktivität ab. Wenn die Sonne aktiver ist, sendet sie mehr Strahlung und Teilchen zur Erde (siehe Kasten S. 48, „Der Elfer-Zyklus der Sonne”). „Die totale Einstrahlung der Sonne schwankt während einer solchen Periode um ungefähr 0,1 Prozent. Das entspricht etwa einer Änderung um ein Watt pro Quadratmeter auf der Erdoberfläche”, erklärt MPS-Direktor Sami Solanki, der an der britischen Klimastudie mit beteiligt war.

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Die Sonnenflecken sind ein sichtbares Zeichen für dieses Auf und Ab der Strahlung: Gibt es viele Flecken, dann ist die Sonnenstrahlung intensiver als im Durchschnitt. Besonders kalte Phasen der Erdgeschichte wie das sogenannte Maunder-Minimum am Ende des 17. Jahrhunderts fallen mit Phasen schwacher Sonnenaktivität zusammen.

In ihrer Studie haben die Wissenschaftler nun die Wetteraufzeichnungen bis zurück ins Jahr 1659 mit der Sonnenaktivität im selben Zeitraum verglichen und statistisch ausgewertet. Als Maß für die Aktivität der Sonne diente die Stärke des solaren Magnetfelds. Es reicht bis zur Erde und löst dort kleine Schwankungen im irdischen Magnetfeld aus. Da ausreichend verlässliche Messdaten erst seit etwa 1900 vorliegen, rekonstruierten die Forscher ältere Werte mithilfe von Computersimulationen.

Die Magnetische FiEberkurve

„Die Stärke des Magnetfelds ist ein besseres Maß für die Aktivität der Sonne als die Zahl der Sonnenflecken”, meint Solanki. Der Grund dafür: Zwei Minima der solaren Aktivität, bei denen so gut wie keine Sonnenflecken das Tagesgestirn überziehen, können mit sehr unterschiedlichen Magnetfeldstärken einhergehen.

Der statistische Vergleich der magnetischen „Fieberkurve” der Sonne mit den irdischen Wetterdaten spricht eine deutliche Sprache: Nach Jahrzehnten hoher Sonnenaktivität und vergleichsweise milder Winter sind harte Winter in Europa wieder häufiger geworden. Bei geringer Sonnenaktivität ist die durchschnittliche Wintertemperatur beispielsweise in Großbritannien ungefähr ein halbes Grad niedriger als sonst. Dieser Zusammenhang gilt aber nur für die Winter in England und Mitteleuropa.

Die Ursache dafür sind vermutlich Veränderungen der Winde in den unteren Luftschichten, der Troposphäre. Heizt sich die darüber gelegene Stratosphäre nur schwach auf, dann könnten die milden atlantischen Winde in der Troposphäre abreißen, spekulieren die Forscher. Mitteleuropa samt der britischen Inseln wäre dann den kalten Winden aus dem Nordosten ausgeliefert. Der genaue Wirkmechanismus ist allerdings noch unklar.

„Der Zusammenhang zwischen Sonnenaktivität und kalten Wintern in Europa war erst erkennbar, nachdem wir den überlagerten Trend der globalen Erwärmung herausgerechnet hatten”, stellt Solanki klar. Die Studie widerspricht also nicht der globalen Erwärmung. Außerdem sind die Resultate statistischer Natur, sie deuten also lediglich auf einen Trend hin.

Im Einzelfall kann es auch ganz anders kommen: 1685, mitten im Maunder-Minimum, belegen die britischen Wetterdaten den wärmsten Winter seit Jahrhunderten. „Eine geringe Sonnenaktivität bedeutet also nicht automatisch tiefere Wintertemperaturen”, sagt Solanki. „Die Umkehrung gilt dagegen immer: Außerordentlich kalte Winter gibt es nur dann, wenn die Sonnenaktivität niedrig ist.” b

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