Der Inhalt von 500 Brockhaus-Ausgaben soll pro Sekunde durch eine Glasfaser laufen? „Das ist das Datenvolumen, das wir in den nächsten Jahren bewältigen müssen”, erklärte Prof. Hans-Georg Weber den Schülern im Deutschen Museum Bonn. Ranga Yogeshwar, Moderator der Veranstaltung „wissenschaft live”, baute das Thema in sein Quiz ein: „Wie viele Meter ergäben sich bei einer 24bändigen Lexikonausgabe, wenn man die Bücher in einem Regal aufreiht?” Schnell fanden die Schüler die Lösung: 600 Meter. Der Preis: ein kleines Teleskop.
Prof. Weber ist einer von vier Kandidaten für den Zukunftspreis des Bundespräsidenten. Vor Johannes Rau und fünf Schulklassen erläuterten sie ihre innovativen Ideen auf dem Gebiet der Informations- und Energietechnik, Entwicklungsbiologie und Medizintechnik. „Alle vier Kandidaten sind für mich Sieger”, sagte der Bundespräsident – auch wenn nur einer ausgezeichnet wird und das Preisgeld von 500000 Mark gewinnen kann.
„Wissenschaftler und Gesellschaft müssen ins Gespräch kommen”, nannte Johannes Rau das Ziel des Zukunftspreises. Ähnlich ist die Ambition des Diskussionsforums „wissenschaft live”, zu dem bild der wissenschaft alle zwei Monate ins Deutsche Museum Bonn einlädt: Schüler können dort Wissenschaftler befragen, und der Fernsehsender Phoenix berichtet live von der Veranstaltung.
„Vielleicht kennt Ihr das Kürzel WWW “, gab Moderator Yogeshwar das Startzeichen für das Schaulaufen der Kandidaten. „ Viele setzen es gleich mit ,weltweitem Warten‘, wenn die Daten nur tröpfeln statt sprudeln.” Die Beschleunigung auf dem Daten-Highway ist das Forschungsziel von Hans-Georg Weber, Professor am Heinrich-Hertz-Institut für Nachrichtentechnik in Berlin. An einer Grafik erläuterte er, daß die Daten auf den Glasfaserstrecken zwar blitzschnell seien, an den Verteilerstrecken – den Netzknoten – aber Staus entstehen können. „Dort sind sie nur ein Zehntel so schnell, etwa 10 Giga-Bit”, sagte Weber. „Und in den nächsten Jahren erwarten wir Datenraten von einem Tera-Bit pro Sekunde.” Webers Idee ist es, „die Daten rein optisch zu schalten, ohne den langsamen elektronischen Zwischenschritt”. Das gelingt mit einer Lichtweiche, die auf dem Interferometer-Prinzip beruht. Dadurch kann die elektronische Information fast verzögerungsfrei weitergeleitet werden.
„Wie viele Menschen sind fehlsichtig?” leitete Yogeshwar zum nächsten Thema über. „Etwa 50 Prozent”, war die richtige Antwort. Doch der Heidelberger Physikprofessor Josef Bille ist überzeugt: „ In 50 Jahren wird es keine Brillenträger mehr geben.” Mit seinem Team hat er ein lasergestütztes Verfahren entwickelt, um Fehlsichtigkeit durch einen schnellen Routineeingriff zu korrigieren. Außerdem arbeitet er an einer Methode, das menschliche Auge genauer zu vermessen. „Der Augenoptiker verwendet nur einen einzigen Lichtstrahl und vermißt das Auge punktuell”, erklärt Bille. Mit seiner sogenannten adaptiven Optik kann der Heidelberger Medizinphysiker ein Auge an 100000 Punkten vermessen. „Das Resultat ist eine Landkarte der Sehkraft”, sagte Bille. Mit dem Laser kann er die Sehkraft des Auges sogar auf 200 Prozent des Normalauges verbessern. Der Laser verdampft das Gewebe in der Linse so schnell, daß die entstandene Wärme sich nicht ausbreiten und die Zellen in der Umgebung schädigen kann. „ Eine Brille ist in einigen Jahrzehnten nur noch ein modisches Accessoire”, prognostiziert Bille.
Um die Verbesserung von Laptops geht es Dr. Angelika Heinzel. Die Forscherin vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme, Freiburg, hat eine Brennstoffzelle entwickelt, durch die Laptops und andere tragbare Geräte länger laufen können als im derzeitigen Akkubetrieb. Gespeicherter Wasserstoff wird in der Zelle mit dem Luftsauerstoff zu Wasser oxidiert, wobei – ähnlich wie bei einer Batterie – ein Strom fließt. „Das ist Kohlendioxid-neutral, also gut für die Umwelt”, betonte Co-Moderatorin Heike Rebholz.
In der Brennstoffzelle wird der Wasserstoff chemisch an ein Metallpulver gebunden. Angelika Heinzel: „Das ist die sicherste Methode überhaupt, um Wasserstoff zu speichern.” Ein Problem ist noch, daß sich die Zellen nicht an der Steckdose aufladen lassen. „Vielleicht machen wir das einmal wie bei Sprudelflaschen”, zeigte Angelika Heinzel eine Perspektive. Die einzige Frau unter den vier Kandidaten für den Zukunftspreis bestärkte die Schülerinnen im Publikum: Auch Frauen können sich wissenschaftliche Meriten verdienen.
In die Entwicklungsbiologie und Medizin führten Prof. Peter Gruss und sein Team vom Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie, Göttingen:
Mit Leber-, Haut-, Blut- und Geschlechtszellen entwickelt sich alles im Menschen aus einer einzigen befruchteten Eizelle. Wie geschieht das, und wie lassen sich diese Erkenntnisse für medizinische Therapien nutzen, beispielsweise bei Diabetes? „Zur Therapie der Zuckerkrankheit wäre es sinnvoll, Insulin-produzierende Zellen zu regenerieren”, ist Peter Gruss überzeugt. Ein wichtiges SchalterGen zur Zelldifferenzierung wurde bereits gefunden. „Bei Mäusen ist es uns gelungen, bestimmte Körperzellen zur Insulin-Produktion anzuregen”, sagte Gruss. Bis zur Umsetzung in eine Therapie für den Menschen rechnet Gruss mit 10 bis 15 Jahren.
Bundespräsident Johannes Rau dankte den Forschern für ihre Bereitschaft, in die Öffentlichkeit zu gehen und die Nominierung zum Zukunftspreis als Bühne zu verstehen, ihre Ideen auch Nicht-Fachleuten verständlich zu machen. Er betonte, wie wichtig es sei, ein breites Spektrum von Informationsmöglichkeiten für alle Bürger zu schaffen, „besonders in einer Forschungslandschaft, in der sich selbst Fachleute ähnlicher Disziplinen nicht mehr verstehen”. Die Wissenschaftler müßten sich verstärkt um die Vermittlung ihrer Forschung bemühen. Rau: „ Das ist wichtiger als eine Dissertation.” Expertin für Brennstoffzellen: Dr. Angelika Heinzel vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme in Freiburg. Ließ die Schüler zu Wort kommen und sorgte für eine ungezwungene Stimmung: Moderator Ranga Yogeshwar. Begrüßung von Johannes Rau: (von links) Dr. Peter Frieß vom Deutschen Museum Bonn, bdw-Chefredakteur Reiner Korbmann und Dr. Peter Grassmann, Vorstandssprecher von Carl Zeiss.