Die europäischen Abgeordneten machen in Straßburg gegen die „ grüne Gentechnik” mobil: Gene für Antibiotika-Resistenzen – integriert in gentechnisch veränderte Nutzpflanzen – sollen nicht länger freigesetzt werden dürfen. Wenn die renitenten Parlamentarier sich durchsetzen, wäre dies ein harter Rückschlag für die Gentechnik in der Pflanzenzüchtung: Antibiotika-Resistenzen als Marker-Gene zu verwenden, ist bei den Biotechnologen gang und gäbe. Damit nicht genug: „Die Gen-Übertragung von genetisch veränderten Organismen auf andere Organismen muß unter allen Umständen verhindert werden” – diese Losung gibt der englische Europaparlamentarier David R. Bowe aus. Der sozialistische Abgeordnete, Berichterstatter für die Novellierung der Freisetzungsrichtlinie für genetisch veränderte Organismen, steht damit nicht allein: Der Umwelt- und Verbraucherausschuß des Straßburger Parlaments ist mehrheitlich auf seiner Seite. In dieses europäische Meinungsbild paßt: Im März 2000 entschied der Europäische Gerichtshof in Luxemburg, daß einzelne EU-Staaten die Verbreitung gentechnisch veränderter Pflanzen im eigenen Land vorübergehend stoppen dürften, wenn neue, wissenschaftlich begründete Bedenken aufträten. Den Saatgut- und Chemiekonzernen bläst der Wind ins Gesicht – ein deutliches Beispiel ist „BT-Mais”, dem Biotechnologen das schädlingstötende Gen eines Bodenbakteriums einpflanzten. Der Chemiekonzern Ciba-Geigy hatte BT-Mais beim Landwirtschaftsministerium in Paris angemeldet und Anfang 1997 von der Brüsseler EU-Kommission grünes Licht erhalten. Die französische Regierung genehmigte daraufhin den Anbau. Jetzt stellten die höchsten europäischen Richter das Signal auf Rot und gaben der Klägerin Greenpeace recht: Die Auswirkungen auf Gesundheit und Umwelt seien nicht ausreichend geprüft. Das Hick-Hack um Freisetzungen, ein neues EU-Umwelthaftungsrecht und den Export von gentechnisch veränderten Organismen in Länder außerhalb der EU geht weiter. Mit einer neuen EU-Freisetzungsrichtlinie ist erst 2001 zu rechnen. EURO-TALK Dr. Wolfgang Schuchert vom Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung in Köln zur Zulassung transgener Pflanzen: bdw: Was würde ein Aus für Antibiotika-Resistenzen als Marker-Gene bedeuten? Schuchert: Es müßten alternative Systeme intensiver erforscht werden. Gentechnisch veränderte Pflanzen kämen wahrscheinlich zögerlicher in den Verkehr. bdw: Das Europaparlament will die Gen-Übertragung von veränderten Organismen auf andere verhindern. Schuchert: Das wird bei einigen Kulturen kaum möglich sein. Bei Raps wäre es hierzulande nicht ausgeschlossen, daß Fremd-Gene mit dem Pollen auf eine Wildform übertragen werden. Bei Kartoffeln oder Mais wäre das unmöglich – die Wildformen wachsen in Amerika. Entscheidend für eine Risikobewertung sind generell die möglichen Gentransfer-Folgen. bdw: Was läßt sich der wachsenden Kritik der Öffentlichkeit an „Gen-Food” entgegensetzen? Schuchert: Zunächst einmal werden stärkere ökologische Begleituntersuchungen angestrebt – Langzeitstudien, die den praktischen Anbau begleiten. Es wird schwierig sein, jährliche sozio-ökonomische Bewertungen vorzunehmen, wie sie das EU-Parlament fordert. Da müßten einem zuerst eindeutige Kriterien für die Praxis an die Hand gegeben werden. EURO-TICKER Streit um Mais. Die Zulassung von gentechnisch verändertem Mais ist in der Europäischen Union seit Anfang 1996 umstritten. Nach Angaben der Umweltschutzorganisation Greenpeace wenden sich 13 von 15 EU-Staaten gegen die Marktzulassung. Die Befürworter halten dagegen, Lebensmittel aus gentechnisch veränderten Pflanzen seien schonender und preiswerter herzustellen. Erhebliche Chancen. Mit Hilfe der Gentechnik lassen sich neue Eigenschaften in das Erbgut von Mikroorganismen, Pflanzen und Tieren einbauen. Der veränderte molekulare Bauplan sorgt dann zum Beispiel bei Nutzpflanzen dafür, daß sie gegen schädliche Insekten resistent sind, Unkrautvernichtungsmittel besser tolerieren oder besonders gesundheitsfördernde Stoffe enthalten. Er kann auch verhindern, daß Pflanzen faulen.
Thomas A. Friedrich / Wolfgang Schuchert