Prof. Lothar Willmitzer ist Geschäftsführender Direktor des Max-Planck-Instituts für Molekulare Pflanzenphysiologie in Potsdam. Er hat zwischen 2001 und 2005 49 Arbeiten veröffentlicht, die laut Science Citation Index 855-mal von Fachkollegen zitiert wurden.
bild der wissenschaft: Grüne Gentechnik ist sehr umstritten. Wie erklären Sie Skeptikern die Vorteile der Disziplin?
WILLMITZER: Man muss die Grüne Gentechnik immer im Vergleich zur klassischen Pflanzenzüchtung sehen. Unser Wissen über die Strukturen gentechnisch veränderter Pflanzen und deren Neukombinationen ist deutlich größer als das über die klassisch gezüchteten Pflanzen. Zudem überspringen auch genetisch unveränderte Pflanzen die Artgrenzen und kreuzen sich – wie beispielsweise der Raps – unter unkontrollierten Bedingungen auf dem Feld miteinander.
bdw: Können Sie die Angst der Menschen vor genetisch veränderten Lebensmitteln lindern?
WILLMITZER: Bisher gibt es noch keine nicht-prozessierten, also nicht-aufbereiteten Lebensmittel, wie genverändertes Obst und Gemüse, zu kaufen. Doch seit 10 bis 15 Jahren nehmen zum Beispiel Cola-Trinker bereits genetisch veränderte Stoffe zu sich. Der Fructosesirup, der in diesem und anderen Süßgetränken enthalten ist, wurde mit genetisch veränderten Enzymen hergestellt. Da Proteine aber nicht als verändert gekennzeichnet sein müssen, steht das auf keiner Flasche. Auch sojahaltige Produkte, die aus den USA oder Argentinien stammen, sind mit großer Wahrscheinlichkeit genetisch verändert. Der Rohstoff für zahlreiche Lebens- und Futtermittel ist dort kaum noch in seiner ursprünglichen Form vorhanden. Diese Produkte müssen in der Europäischen Union allerdings gekennzeichnet sein.
bdw: Was ist Ihr bisher größter Erfolg in der molekularen Pflanzenphysiologie?
WILLMITZER: Wir haben vor rund sechs Jahren erstmals das Verfahren des „metabolite profiling” für die Analyse von Genfunktionen angewandt. Das Verfahren gab es bereits, aber speziell um die Analyse der so genannten kleinen Moleküle hatte sich bisher niemand gekümmert. Wir können damit die metabolische Komposition von Pflanzen erkennen und mit statistischen Verfahren überprüfen, ob eine Population von Pflanzen genetisch verändert ist oder nicht. Wir konnten damit beispielsweise zeigen, dass eine genetisch veränderte Kartoffelsorte der Muttersorte viel ähnlicher ist, als es zwei Muttersorten sind. Auch in der Medizin wird unser Verfahren angewendet, um zu untersuchen, wie Patienten auf bestimmte Medikamente reagieren.
bdw: Werden gentechnisch veränderte Pflanzen zu neuen Medikamenten führen?
WILLMITZER: Pflanzen sind die besten Chemiker der Welt, keine Frage. Aber wenn es darum geht, neue Stoffe günstig zu produzieren, sind sie die falschen. Denn die Kosten beginnen nicht bei der Produktion, also beim Gießen und Ernten der Pflanzen, sondern bei der anschließenden Isolierung und Reinigung der gewünschten Stoffe. Ich glaube nicht, dass diese Art der Herstellung von medizinischen Wirkstoffen im großen Stil Anwendung finden wird.