Jahrzehntelang galten fossile Reste und Werkzeuge aus Ubeidija im Jordantal als die ältesten Zeugnisse vom Auszug des Frühmenschen aus Afrika. Demnach wäre der Mensch vor rund 1,3 bis 1,4 Millionen Jahren in Richtung Europa und Asien aufgebrochen.
1991 entdeckten dann Prof. Gerhard Bosinski und Dr. Antje Justus vom Römisch-Germanischen Zentralmuseum in Mainz (RGZM) bei Ausgrabungen in Dmanisi, einer mittelalterlichen Ruinenstadt in der Kaukasus-Republik Georgien, den gut erhaltenen Unterkiefer eines Homo erectus. Für eine Gesteinsschicht aus Basaltlava, die unmittelbar unter den Fossilien lag, ermittelten Vulkanologen der Universität Kiel ein Alter von 1,85 Millionen Jahren. Das war eine Sensation: Der Urmensch war offensichtlich bereits vor fast 1,8 Millionen Jahren nach Eurasien ausgewandert – weit früher als es die Fachleute bis dahin vermutet hatten. Doch das Alter des Erectus-Fundes blieb umstritten: Nach eingehender Untersuchung und Vergleich mit anderen asiatischen und afrikanischen Hominiden-Funden kam etwa der Hamburger Paläoanthropologe Prof. Günter Bräuer zu dem Schluß, daß der Unterkiefer vermutlich einem Vertreter des späten Homo erectus gehört habe. „Insgesamt besitzt der Dmanisi-Fund bemerkenswerte Ähnlichkeiten zu Fossilien, die jünger als eine Million Jahre sind”, so Bräuer damals.
Den RGZM-Forschern ließ dies keine Ruhe. Sie initiierten gemeinsam mit Wissenschaftlern des Archäologischen Zentrums der Georgischen Akademie der Wissenschaften weitere Grabungen in Dmanisi, rund 85 Kilometer südwestlich von Tiflis gelegen. Dabei fanden Dr. Antje Justus und Dr. Olaf Jöris jetzt zwei fast vollständig erhaltene menschliche Schädel, deren Alter sie auf knapp 1,8 Millionen Jahre schätzen. Denn die hominiden Reste steckten wiederum in Gesteinsschichten direkt oberhalb der mittels Isotopenmethode datierten Basaltlava. Größe und Wölbung, sowie die Überaugenwülste weisen die Schädel eindeutig als die Reste von Erectus-Menschen aus.
Auf ein Alter von 1,8 und 1,6 Millionen Jahren kamen 1994 auch Dr. Carl Swisher und Dr. Garniss Curtis vom Geochronology Center, Berkeley, als sie das vulkanische Gestein zweier indonesischer Homo erectus-Fundstellen untersuchten. Damit steht nun fest: Der Homo erectus machte sich bald, nachdem er vor rund zwei Millionen Jahre in Afrika die Bühne der Welt betreten hatte, nach Europa und Asien auf. Er war der erste Mensch, der Faustkeile herstellte und mit Feuer umgehen konnte.
Matthias Glaubrecht