In den sechziger Jahren schien jeder einen Psychiater zu haben, heute scheint jeder ein Medikament zu nehmen: gegen Schizophrenie, Bulimie – oder gegen schlechte Laune. Auf diesen Nenner bringt der amerikanische Journalist Scott K. Veggeberg in seinem Buch den neuen Trend im Umgang mit der Psyche und ihren Störungen. Biologische Psychiatrie nennt sich die wissenschaftliche Richtung, die der Psychotherapie Konkurrenz macht. Sie betrachtet das Gehirn als Organ wie jedes andere: Man kann es analysieren und manipulieren mit Arzneien und Drogen, die ins chemisch-elektrische Wechselspiel zwischen den Nervenzellen eingreifen.
Der Autor stellt die neurobiologischen Grundlagen anschaulich dar und fasziniert mit dem Wissen darüber, wie sich Hirn und Herz unter der Schädeldecke “treffen”. Aber ist es deshalb legitim, mit Pillen direkt an den Schaltstellen des Gehirns zu drehen, mit Medikamenten zum Beispiel die Bremse gegen Angst zu ziehen, ohne den “Umweg” über den Geist zu nehmen, wie es die Psychotherapie macht? Diese Frage, fürchtet Veggeberg, wird wegen des Kostendrucks im Gesundheitswesen der Industrieländer zunehmend unter dem Aspekt der Effektivität beantwortet.
Die Suche nach einem ethisch verantwortlichen Umgang mit der Psyche sollte sich jenseits dogmatischer Vorstellungen von Naturwissenschaftlern und klassischen Psychotherapeuten bewegen, ist das Plädoyer des Buches, und für diesen Weg zeigt es Möglichkeiten auf.
Deshalb ist es lesenswert, wenngleich es an einigen Stellen erstaunlich platt daherkommt. So heißt es auf Seite 118 über Straftäter: “… einige sind faul und wollen lieber rauben als arbeiten”. Und die Abbildungen sind so schlecht erläutert, daß sie manchmal sehr befremdlich wirken. Scott K. Veggeberg PILLEN FÜRS BEWUßTSEIN Was Medikamente im Gehirn bewirken Knesebeck-Verlag 1997 207 S., DM 39,80
Nicola Siegmund-Schultze