Die silberne Vase hatte es in sich: zwei goldene Diademe, ein Stirnband, vier kunstvolle Ohrgehänge, 56 goldene Ohrringe, sechs goldene Armbänder und 8750 millimeterkleine Blättchen, Sterne, Ringe, Prismen, Knöpfe aus Gold. Und doch war das nur ein Teil vom „Schatz des Priamos”, den Heinrich Schliemann im Mai 1873 „ unter allergrößter Kraftanstrengung und furchtbarster Lebensgefahr”, wie er in seinem Tagebuch übertreibend vermerkte, aus den Mauern von Troja barg.
Damit war ein Untermythos der großen Troja-Saga geboren, die auf nahezu allen Ebenen mit Denk- und Merkwürdigkeiten gespickt war. Das begann schon mit der Entdeckungsgeschichte: Schliemann war nicht der Finder des antiken Troja auf dem Siedlungshügel Hisarlik an der Nordwestküste der Türkei. Den Ort hatten schon Jahrzehnte zuvor zwei britische Forscher, ein deutscher Ingenieur und ein schottischer Journalist als das antike, von Homer Ilion genannte Troja gedeutet. Der britische Auswanderer und Hobbyarchäologe Frank Calvert machte Schliemann 1868 auf die Stätte aufmerksam. Dann wurde der deutsche Kaufmann zum ersten Ausgräber der mythenumwobenen Ruinen. Im dritten Jahr seiner Grabungen, als Schliemann wegen ausbleibender Erfolge aufgeben wollte, blinkte ihm plötzlich Kupferfarbenes aus dem Schutt entgegen.
Dubiose GrabungsHIlfe
Er schickte seine Arbeiter in die Frühstückspause und legte den Schatz mit einem Messer frei – insgesamt 8833 Stücke aus Gold, Silber und Kupfer. Den Abtransport besorgte seine Frau, „ die bereit stand, die von mir herausgeschnittenen Gegenstände in ihren Schal zu packen und fortzutragen”, bastelt der Schatzgräber weiter am Mythos. Aber: Seine Frau war an jenem Tag gar nicht auf der Grabung. Den Edelmetall-Hort schrieb Schliemann sogleich Priamos zu. Wer denn sonst, wenn nicht der mythische Troja-König der Ilias, hätte solche Reichtümer anhäufen können? Jahre später musste Deutschlands erster Archäologe erkennen, dass sein Priamos-Schatz nicht aus der Blütezeit Trojas zwischen 1500 und 1200 v.Chr. stammte, sondern gut 1000 Jahre älter war: Die Preziosen waren verborgen und verschüttet worden, als Troja II in Flammen aufging. Schon um 2300 v.Chr. war in dem Fürstensitz also sehr viel Reichtum angesammelt worden – woher und von wem? Und wer trachtete danach? Bislang gibt es keine Antworten. ■