Fleisch, Wurst und Käse üben auf Hungrige eine geradezu magische Anziehungskraft aus. Warum das so ist, haben Forscher um Alain Dagher von der kanadischen McGill University in Montreal jetzt herausgefunden. Die Neurologen konzentrierten sich auf die Wirkungsweise des Hormons Ghrelin (abgekürzt von „Growth Hormon Release Inducing”). Es wird im Epithel des Magens gebildet, wenn er leer ist, und fordert quasi zum Essen auf. Dagher entdeckte, dass Ghrelin Gehirnregionen stimuliert, die den Menschen stärker auf visuelle Nahrungsmittelreize reagieren lassen.
Bisher hatten die Wissenschaftler angenommen, dass das Hungergefühl durch zwei unterschiedliche Mechanismen kontrolliert wird: zum einen durch Ghrelin, um ein konstantes Körpergewicht und eine ausreichende Energieversorgung zu gewährleisten. Zum anderen durch das sogenannte Lustessen, das durch visuelle Reize und gute Gerüche ausgelöst wird – wenn man etwa ein köstliches Stück Kuchen erblickt. Dagher ist überzeugt, dass beide Mechanismen zusammenhängen. „Doch die entscheidende Rolle bei den Prozessen spielt Ghrelin”, erklärt der Forscher.
Sein Team hatte zwölf Freiwilligen eine kleinere Dosis des Hormons verabreicht und ihnen danach Bilder von Lebensmitteln wie Pizza oder Hamburgern gezeigt. Dabei wurde die Aktivität im Gehirn mit einem Magnetresonanztomographen gescannt. Es stellte sich heraus, dass die Aktivität in bestimmten Hirnregionen wie dem Striatum, dem orbifrontalen Cortex und der Amygdala deutlich erhöht war. In diesen Regionen werden Antworten auf äußere Reize koordiniert und Erinnerungen verfestigt. Dort sitzt auch das Belohnungszentrum, das von Drogen angesprochen wird und das Glückshormon Dopamin ausschüttet.
Diese Ergebnisse stützen laut Alain Dagher die These, dass sich Fettleibigkeit (Adipositas) auf eine im Gehirn ausgelöste Esssucht zurückführen lässt. Doch der Neurologe warnt davor, Adipositas mit Medikamenten zu behandeln, die Ghrelin blockieren: „Wir konnten zeigen, dass das Hormon auf Hirnregionen wirkt, die mit dem Entstehen von Gefühlen und Motivationen verbunden sind. Die zu unterdrücken, wäre gefährlich.”
Redaktion: Hans Groth, nachrichten@bild-der-wissenschaft.de