Manchmal lebt es sich ganz gut im Schatten. Gefährlich wird es nur, wenn dann das grelle Licht kommt. So ergeht es manchem Politiker aus der zweiten Reihe in Bonn, der sich als Fachmann profiliert hatte und dann als politisches Talent Karriere machte – sobald er im Rampenlicht stand, blieb oft nicht viel übrig.
Das Forschungsministerium kann ein Lied davon singen. Nachdem Helmut Kohl das Ressort erst einem Fachmann ohne Hausmacht als Erbhof überlassen und so politisch ins Abseits manövriert hatte, nutzte er es die letzten Jahre als Testfeld für Minister-Begabungen: Wer nichts taugte, verschwand wieder in der Versenkung, wer eine gute Figur machte, wurde schnellstens weiterbefördert. Der letzte Amtsinhaber schließlich erhielt den Beinamen “Zukunftsminister” und hob prompt in höhere Sphären ab.
Als vor 16 Jahren Kohl die sozialliberale Koalition ablöste, sprach alles von der Wende. Heute fehlt ein zugkräftiger Name für den Neubeginn. Aber gibt es den in der Forschung überhaupt? In den rot-grünen Koalitionsverhandlungen ging das Thema angesichts heftiger Debatten über Steuerreform und Sozialpolitik unter. Im Koalitionsvertrag steht als wichtigste Aussage lediglich, daß die neue Regierung mehr Geld in dieses Feld stecken will.
Wo Programmatisches fehlt, kommt es auf Personen an. Immerhin die Wahl für das Forschungs- und Bildungsministerium läßt einiges erwarten: Edelgard Bulmahn. Endlich eine Frau in der Männer-Domäne. Doch das Geschlecht ist nicht die wichtigste Eigenschaft der neuen Ministerin – ihr Werdegang und ihre bisherige Arbeit lassen hoffen. Wie seinerzeit 1982 der Chemiker Riesenhuber hat sie sich in der Opposition mit Forschungspolitik einen Namen gemacht. Doch im Gegen-satz zu ihm ist die ehemalige Studienrätin keine Fachfrau – in dieser Position eher ein Vorteil – und politisch in ihrer Partei verankert, wie ihre Wahl zur SPD-Landesvorsitzenden in Niedersachsen zeigt.
Für Medien und breite Öffentlichkeit blieb Frau Bulmahn allerdings als forschungspolitische Sprecherin der SPD unauffällig. Doch wer kann in Bonn schon mit Forschungspolitik auffallen (das schafft nur, wer eine Fliege statt einer Krawatte trägt). Dennoch erwarb sie sich Respekt – durch ihr Engagement für die Sache. Dann also Glückauf Frau Bulmahn. Nun ist Schluß mit Opposition, jetzt heißt es Konzepte und Visionen schmieden, den Beamtenapparat des Ministeriums in den Griff bekommen, klare Prioritäten setzen und Posterioritäten, bei Begünstigten Erfolgsdruck erzeugen, bei Benachteiligten Verständnis wecken, zuhören und Schlußfolgerungen ziehen. Vor allem aber: die politische Landschaft von der Wichtigkeit der Forschung überzeugen. Das ist eine Herausforderung.
Alles wie gehabt? Schon wieder ein Hoffnungsträger im Forschungsministerium. Der Forschung wäre zu wünschen, daß sich die Hoffnungen endlich einmal erfüllen. Daß mehr Geld im Etat sein soll, wird dabei nur eine geringe Rolle spielen. Die dürftigen Worte im Koalitionsvertrag können ein Warnzeichen sein, daß der neuen Regierung zur Forschungs-politik nicht viel einfällt. Sie können aber auch eine Chance sein: Sie geben der Ministerin mehr Gestaltungsfreiheit als den Kollegen in den meisten anderen Ressorts. So läßt sich auch im Schatten der großen Streitfragen ganz gut leben.
Reiner Korbmann