Wilfried Kugel (50), Gastforscher an der Freien Universität Berlin, weiß, daß er sich an der Grenze unseres kausalen Weltbildes bewegt. Seit fast 30 Jahren untersucht er die Präkognition – die Fähigkeit, Ereignisse vorauszusagen. Solche Phänomene werden zwar oft beschrieben, aber noch öfter angezweifelt.
Der Physiker und Doktor der Psychologie entwickelte deshalb wissenschaftliche Methoden, um dem Phänomen auf den Grund zu gehen. Herzstück ist ein Computerprogramm, das Züge von Spielern an einem Roulettetisch analysiert. Die Zufallsereignisse schwarz oder rot werden durch radioaktiven Zerfall erzeugt. Das Programm speichert die Tippfolgen der Spieler und analysiert sie. Erweist sich eine Folge als gewinnträchtig, so benutzt der Computer diese weiterhin, ungeachtet des Verhaltens des Probanden. Das Programm entwickelt also keine eigenen Prognosen, sondern “funktioniert wie ein Verstärker, der die richtigen Ahnungen der Versuchspersonen aufnimmt”, erklärt Kugel.
In einer im April beendeten Versuchsreihe mit 389 Probanden und 10641 Spielen erzielte das Programm 51,1 Prozent Treffer. Das ist etwas mehr als es nach der Zufallswahrscheinlichkeit hätte sein dürfen. “Dieses Ergebnis zeigt, daß Menschen die nahe Zukunft vorausahnen können”, sagt Kugel. Die Suche nach einer Erklärung überläßt er jedoch lieber anderen, er habe nur die Tatsache festgestellt.
Tatsächlich gewann Kugel mit dem Programm in einem Spielcasino bereits 1095 Mark. “Effektiv war das allerdings nicht, wir brauchten 160 Stunden, verteilt auf 39 Sitzungen.” Als der Verlust der Versuchsperson, die den Computer mit Spielzügen gefüttert hatte, ausgeglichen war, reichte es gerade für ein Essen.
Wilfried Kugel