Wissenschaftler forschen immer über ernsthafte und für die Menschheit wichtige Themen – oder? Sinn oder Unsinn, das ist die Frage, die man sich bei manchen Forschungsarbeiten dann aber doch stellt. So ist es vielleicht wirklich interessant, das Flugverhalten von Kartoffelchips im Windkanal zu testen – nämlich für die Firma, die Verpackungsmaschinen für die Chips herstellt. Nichtsdestotrotz erfuhr dieser Versuch 1995 eine lobende Erwähnung in den „Annals of Improbable Research”, einem Szene-Magazin an der Harvard University. Es veröffentlicht internationale Forschungsergebnisse, die „nicht reproduziert werden können oder gar sollen”. Die Herausgeber der Zeitschrift verleihen alljährlich den so genannten Ig-Nobelpreis für spezielle „Forschungsleistungen”. Dieses Jahr waren unter anderem in der Auswahl: Die Ausführungen von Andreas Sandberg zu dem Thema „Wie viele Engel können auf einem Stecknadelkopf tanzen?”. Im Jahr 1999 war unter den Gewinnern ein Wissenschaftlerteam der University of Bristol, das die Formel für das optimale Eintunken eines Biskuits in Tee oder Kaffee gefunden hat: L2 = gDt/4h.
Wie man einen Biskuit optimal tunkt: L2 = gDt/4h Übersetzt heißt diese Formel: Die Höhe der Flüssigkeit im Quadrat ist gleich der Oberflächenspannung des Tees multipliziert mit dem durchschnittlichen Porendurchmesser eines Biskuits und der Länge der Zeit, die der Biskuit getunkt wird, geteilt durch 4-mal die Viskosität des Tees. Alles klar? Im Grunde genommen beschreibt die Gleichung nur, wie tief und wie lange man einen Keks in die Flüssigkeit tauchen kann, bis er zerfällt. Für Laien wird diese Erkenntnis erst richtig interessant, wenn eine Liste der empfohlenen Tunkzeiten herauskommt. Damit können laut Forschungsleiter Dr. Len Fisher auch Bewohner von Kontinentaleuropa endlich lernen, ihre Biskuits korrekt zu tunken. Engländer dagegen haben das schon von alters her im Blut. Für die weniger Geschickten hat das Team einen Tunkhalter entworfen.
Wahrscheinlich spielt auch die Temperatur des Getränkes eine Rolle – allerdings sind die wissenschaftlichen Untersuchungen dazu noch nicht abgeschlossen. Fisher empfiehlt seriösen Tunkern, immer ein Thermometer mitzunehmen. Die Studie zeigt übrigens auch auf, was uns überhaupt zum Tunken treibt: Der Biskuit hat einfach mehr Geschmack, wenn er zuerst in ein heißes Getränk getunkt wird. Das Bristoler Team rechnete aus, dass auf diese Weise zehnmal mehr Geschmack in dem Biskuit steckt, als wenn man ihn trocken isst.
Wie viele Engel können auf einem Stecknadelkopf tanzen? Einen neuen Lösungsansatz für eine der ältesten Fragen der Menschheit bietet Andreas Sandberg vom Royal Institute of Technology, Stockholm. Allerdings wählte Sandberg die Nadelspitze und nicht den Nadelkopf als Bezugspunkt.
Ausgehend von der Annahme, dass jeder Engel eine spezifische Masse besitzt und ein Bit an Information enthält (gefallen/nicht gefallen), berechnete Sandberg die maximale Anzahl mit 8,6766 * 1049 Engeln – eine Zahl mit 50 Stellen. Und für die kritische Engelmasse ergab sich ein Wert von 3,8807 * 10–34 kg. Da die Bewegung der Engel für die Berechnungen eine große Rolle spielt, gelten für das obige Ergebnis folgende Voraussetzungen:
1. Die Engel müssen mit nahezu Lichtgeschwindigkeit tanzen, um den Gesetzen der Quantentheorie zu gehorchen. 2. Eine vollständig relativistische Beschreibung ist deswegen notwendig. 3. Die Präzision des Engeltanzes ist Quanteneffekten zufolge nicht aufrecht zu erhalten.
Warum man dem Duschvorhang nicht entkommen kann Wer kennt das nicht: Man kann machen was man will, kaum strömt das Wasser aus der Dusche, fällt einen der Duschvorhang an und saugt sich fest. Der Physiker David Schmidt von der Universität von Massachusetts in Amherst, USA, ermittelte in einer detaillierten Rechnung die Kräfte, die auf den Vorhang wirken und ihn so anhänglich machen.
Das Problem ist relativ einfach und beruht auf zwei physikalischen Gesetzen: Das erste, nach dem irischen Physiker Georg Gabriel Stokes benannte Gesetz beschreibt die Reibungskräfte zwischen Luft und Wassertropfen. Diese Reibung bringt die Luft erst so richtig in Schwung. Das zweite Gesetz, benannt nach dem holländischen Mathematiker Daniel Bernoulli, erklärt, wie sich auf Grund dieser Luftbewegung der Druck im Innern der Dusche verringert.
Der Angelpunkt der Berechnung ist die geschickte Kombination beider Gesetze. Dazu teilte Schmidt das Innere des Duschraums in 50000 Segmente auf, fütterte seinen privaten PC mit einer Software für Strömungsdynamik, die er für die Anwendung auf den Duschstrahl umprogrammiert hatte, und startete den Rechner. Zwei Wochen später lieferte ihm sein Computer die detaillierte Bewegung der Luft in den einzelnen Segmenten über einen Zeitraum von immerhin 30 Sekunden.
Das Ergebnis: Angetrieben durch den Duschstrahl bildet sich im Innern der Dusche ein stabiler Luftwirbel, dessen Bewegung den Luftdruck verringert und den Vorhang nach innen saugt.
Für alle, die diesen Luftwirbel gerne einmal sehen möchten, empfiehlt Schmidt: „Stellen Sie die Dusche an – kaltes Wasser ist am besten. Nehmen Sie einen leichten, dünnen Duschvorhang und drehen Sie den Wasserstrahl so richtig auf. Stehen Sie außerhalb der Dusche, stecken Sie Ihren Kopf hinein und blasen Sie Zigarettenrauch ins Innere.”
Sinnlose Experimente, die lange dauern Eine elektrische Glocke, die seit 160 Jahren rund um die Uhr schlägt, steht im Foyer des Clarendon Laboratory der University of Oxford. Die Glocke wurde 1840 aufgestellt. Seither klingelt sie, zum Glück sehr leise und kaum hörbar. Niemand weiß genau, wie sie gebaut ist. Sicher ist nur, dass sie aus verschiedenen elektrolytischen Schichten besteht. Offenbar ist auch nicht überliefert, welchem Zweck dieses Dauerläuten dient. Momentan sieht es jedenfalls in diesem „Hörspiel der Materialwissenschaften” so aus, dass sich eher der Klöppel verbraucht als die elektrochemische Energie, die dem Klingeling den Saft gibt.
Mehr Komfort für Kühe Die Hülsenberg-Versuchsanstalt in Schleswig-Holstein konnte den Milchertrag von Kühen steigern, indem sie die Rindviecher auf Wasserbetten legte und sie mit angenehmer Musik beschallte. Die Wasserbetten werden inzwischen im normalen Handel angeboten und finden bei vielen Landwirten und besonders bei ihren Kühen hohen Anklang.
Die Landesvereinigung der Milchwirtschaft Nordrhein-Westfalen führte 1998 mit 180 Kühen einen Versuch durch, bei dem die Tiere jeweils einen Tag mit vier verschiedenen Liedern beschallt wurden, und verglich den Milchertrag mit dem eines – stillen – Kontrolltags. Das (statistisch nicht signifikante) Ergebnis: Tatsächlich gaben die Kühe bei Mozarts kleiner Nachtmusik 0,6Prozent mehr Milch und auch Guildo Horns Schlager regte die Milchproduktion an. Bei dem Punkstück „Hier kommt Alex” der Toten Hosen verringerte sich unterdessen der Milchfluss. Auf Volksmusik standen die Rinder überhaupt nicht: Hörten sie „Herzilein” von den Wildecker Herzbuben, gaben sie 2,5Prozent weniger Milch als am Kontrolltag. Ob daraus Empfehlungen für den Musikgeschmack der Landwirte abgeleitet werden können, müssen sozialwissenschaftliche Studien ergründen.
Flugverhalten von Kartoffelchips im Windkanal Ein kalifornisches Forscherteam untersuchte das Flugverhalten verschiedener Chipssorten in einem kreisförmigen Windkanal. Ihr Ergebnis: Je nach Geschmacksrichtung und Alter legen die Chips Flugstrecken von bis zu zweieinhalb Metern zurück. Am weitesten flogen Pringles – Geschmack Sauerrahm und Zwiebeln.
Unnützes Werkzeug Die Kunst auf die Spitze treibt die aus Japan stammende Tüftlerbewegung der Chindoguisten (Chin = Werkzeug, dogu = ulkig, sonderbar). Deren Gebot Nummer eins lautet: Ein Chindogu kann man niemals wirklich gebrauchen. Gebot Nummer 2: Chindogus müssen zumindest im Prinzip funktionieren. Chindogus müssen mit anarchischem Gemüt – Gebot Nummer 3 –, wenn auch für den Alltagsgebrauch konzipiert sein: das ist das Gebot Nummer 4.
Ein typisches Chindogu sind Pantoffeln mit seitlich angebrachten Sicheln zum Rasenmähen. Der Butterstift, der aussieht wie ein verhinderter Prittstift. Oder die Lesehilfe für Leute, die trockenen Buches durchs Wasser wollen. Keine Chindogus sind die Armatur für tränenloses Zwiebelschneiden und die sparsame Seifenrestpresse. Beide sind schon seit Jahrzehnten auf dem Markt – auch in Deutschland.
Zusammengestellt von Anke Biester