Mit dem Exploratorium fing er an – der Boom der Science Center in den USA. Bereits seit 1969 präsentiert das ungewöhnliche Science Center in San Francisco rund 400 unfertige Experimente, die die Besucher „hands on” – also „mit den Händen” – zu Ende bringen sollen: Für eine Lektion in Physik, Gehirn- oder Verhaltensforschung müssen sie Knöpfe drücken, Klappen öffnen oder Hebel umlegen. „Die Idee war damals neu und wurde sehr schnell beliebt”, berichtet Linda Dackman, Sprecherin des Exploratoriums.
Das Exploratorium löste einen regelrechten Science-Center-Boom aus: Gab es Anfang der 1970er-Jahre gerade einmal 20 naturwissenschaftliche Museen in den USA, so war die Zahl zehn Jahre später auf 130 geklettert. Zur Jahrtausendwende hatte sie sich verdoppelt, und heute verzeichnet die Associaton of Science-Technology Centers (ASTC) in den USA 349 Mitglieder. „Wir vertreten kaum ein Museum, das nicht auf dem Konzept des Exploratoriums beruht”, sagt Sean Smith, Sprecher der ASTC. Auch für viele deutsche Neugründungen (siehe Karte Seite 11) diente es als Vorbild. Dem Publikum gefällt es. Strömten vor 20 Jahren in den USA lediglich 40 Millionen Besucher in die Tempel der Erkenntnis, so kamen um die Jahrtausendwende bereits 150 Millionen – eine Zahl, die heute noch aktuell ist, trotz Wirtschaftskrise. Gelockt wurden sie unter anderem mit einem neuen Museumsdesign, das nur noch wenig mit den antiquierten Holzkästen des Exploratoriums gemein hat: Fußballfeldgroße Hallen mit thematisierten Ausstellungen zeigen aufwendig konstruierte Exponate – ein bisweilen kurioser Mix aus Zirkus, Filmstudio-Atmosphäre und wissensvermittelnder Extravaganz. Inhaltlich geht der Trend zu Ausstellungen mit globalen Themen wie Umwelt und Gesundheit.
Außerdem verstehen Ausstellungshäuser unter Kundendienst immer öfter eine aktuelle Internetpräsenz auf Facebook, Twitter oder Second Life. „Viele Einrichtungen haben fantastische Websites, die als respektable Informationsquellen genutzt werden”, lobt Smith. So erschien zum Beispiel Ende Mai im Fachmagazin „Nature” ein Artikel über transgene Affen, die das Gen für ein Leuchtprotein von Quallen besitzen. Nur Tage später stellte das Museum of Science in Boston ein selbstproduziertes Video auf seine Homepage, das die Bedeutung der „leuchtenden Affen” erklärt. Auch das Exploratorium, dessen Website zu den zehn weltweit meistbesuchten zählt, versteht sich als Simultandolmetscher zwischen Wissenschaft und Laienpublikum. „Wir reagieren sehr schnell auf aktuelle Ereignisse. Momentan zeigen wir als einziges Museum in den USA Stammzellen”, berichtet Dackman.
Frank Oppenheimer würde sich über diese Entwicklungen freuen. Der Physiker, der während des Zweiten Weltkrieges mit seinem Bruder Robert die Atombombe entwickelte, gründete das Exploratorium und wirkte dort als Direktor bis zu seinem Tod 1985. Geplant war Oppenheimers Museumskarriere nicht. Doch nach dem Krieg – während der politischen Paranoia der McCarthy-Ära – musste er aufgrund seiner ehemaligen Zugehörigkeit zur Kommunistischen Partei seine Stellung als Professor an der University of Minnesota aufgeben. Frustriert kaufte Oppenheimer ein Stück Land in Colorado und züchtete fortan Rinder. Im Jahr 1957 nahm er eine Lehrer-Stelle an. Er war die einzige naturwissenschaftliche Lehrkraft an seiner Highschool und fand keinerlei Material zum Experimentieren vor. Deswegen ging er mit seinen Schülern häufig auf den Schrottplatz. Zwei Jahre später erhielt Oppenheimer eine Professur an der University of Colorado. Dort baute er eine „Bibliothek der Experimente” auf – eine Ausstellung, die als Vorläufer des Exploratoriums gilt. „ Wissenschaft ist für viele unverständlich und Technologie angsteinflößend”, begründete Oppenheimer sein Engagement. Ihm war bewusst, dass ein Museum nur aufklärend wirkt, wenn die Exponate „ hands on” sind. „Das wäre sonst wie Schwimmunterricht ohne Wasser.”
Désirée Karge, San Jose