Es geht nicht ohne Therapie
Sie haben überprüft, ob das aktive Vergessen bei der Behandlung von Traumata helfen kann. Mit welchem Ergebnis?
Wissenschaftlich ist es interessant, doch klinisch leider enttäuschend. Bei Gesunden konnten wir die positive Wirkung des aktiven Vergessens zwar bestätigen. Aber bei Patienten mit Posttraumatischer Belastungsstörung (PTSD) klappte es nicht. Es wurde eher schlimmer.
Warum?
Die Betroffenen können sich nicht sagen, das zum Beispiel ein Feuer nur im Film brennt. Sie generalisieren ihre Angst. Die Gefahr ist dann überall. Der Anblick eines Feuerwehrmanns reicht schon, um einen Flashback zu erzeugen. Dagegen wirkt das aktive Vergessen nicht. Der Effekt ist viel zu klein, vor allem bei Erinnerungen, die mit Scham oder Angst besetzt sind.
Sieht man das im Gehirn?
Ja. Bei Patienten mit PTSD sehen wir Veränderungen im Stirnhirn, in Strukturen, die mit der Regulation von Gedanken und Gefühlen verbunden sind. Die Reize werden sofort in die Mandelkerne geschickt, vorbei an den höheren Verarbeitungszentren. So wird Angst ausgelöst, bevor geprüft wurde, ob es Grund zum Fürchten gibt.
Welche Therapie verwenden Sie?
Alle Verfahren, die das Trauma des Patienten vergegenwärtigen. Um die Auseinandersetzung damit kommt er nicht herum. Bei Flüchtlingen aus Kriegsregionen verwenden wir die Narrative Expositionstherapie: Wir erstellen mit dem Patienten eine Art Autobiografie, in der er seine früheren Gedanken und Gefühle in Raum und Zeit verortet. Das heißt: Die Erinnerung ist schrecklich – aber es ist eine Erinnerung. Wenn das gelingt, sehen wir es auch im Gehirn. Die höheren Verarbeitungszentren werden stärker aktiviert, der Patient denkt nach, bevor er die Erinnerungen bewertet. Wenn er dann nur noch einmal in der Woche schweißgebadet aufwacht statt jede Nacht, ist das ein Erfolg.