Jedes dritte Buch, das heute verkauft wird, kommt aus der Esoterik-Kiste. Universitäten laden esoterische Auraträger und New-Age-Propheten zu Vorträgen ein. Volkshochschulen, einst angetreten im Dienst von Rationalität und Aufklärung, machen Kasse mit Meditation und Nabelschau. Sind wir also – entspannt, aber verdummt – auf dem Weg in neue Abhängigkeiten, in eine faschistische Barbarei im neuen Gewand? Ist er ausgeträumt, der Traum vom selbstbestimmten, aufgeklärten, sozialen Wesen Mensch?
“Esoterik hilft dabei, den Menschen jeden emanzipatorischen Gedanken auszutreiben”, glaubt Jutta Ditfurth, Ex-Grüne und streitbare Öko-Linke. Die Esoterik werde in Deutschland “wieder einmal” gebraucht, um die Menschen für eine autoritäre Gesellschaft zuzurichten. Esoterik sei ihrem Wesen nach elitär, und die neue Machtergreifung einer unheiligen Allianz aus Gurus, Geistheilern und esoterischen Glühbirnen jeder Couleur findet Ditfurth menschenfeindlich, antisozial und antiemanzipatorisch – eine Addition, die für sie immer noch die Summe Faschismus ergibt.
Personifiziert sieht Ditfurth den fatalen Trend nicht zuletzt in Dr. Max Otto Bruker, einem ehemaligem SA-Mann, Bestseller-Autor und Oberguru der Naturkost- und Bio-Bewegung. Kritisch reibt sie sich auch an anderen Kündern esoterischer Heilslehren und ihren Mitläufern, vom Yogi Mahareshi und dessen Anhänger Rudolf Bahro über den allzu arglosen Franz Alt bis hin zum Dalai Lama und der Kümmelbrot-Bäckerin Barbara Rütting. Seltsam: Ron Hubbard kommt gar nicht vor.
Ganz ungetrübt ist Ditfurths Verhältnis zu naturwissenschaftlichem Denken dabei auch nicht. So, wenn sie den für menschliche Selbstbestimmung gewiß unbequemen Befund angeborener sozialer Verhaltensweisen als “biologistisch”, also als Ideologie abtut.
Jutta Ditfurth ENTSPANNT IN DIE BARBAREI Esoterik, (Öko-)Faschismus und Biozentrismus Konkret Literatur Verlag Hamburg 1997 224 S., DM 28,-
Helmut L. Karcher