Eigentlich hatte das medizinische Fachblatt den zweifelhaften Artikel schon abgelehnt. Da rief eine Frau den zuständigen Redakteur an. Sie arbeitete offenbar für die Pharmafirma, um deren Produkt es in dem Text ging, und versprach, 1000 Sonderdrucke von dem Artikel zu kaufen. „Und”, lockte sie den Redakteur, „ich bezahle Ihnen ein Essen in einem Restaurant Ihrer Wahl.” Der lehnte ab. Das berichtete das Committee on Publication Ethics, eine Vereinigung von Medizin-Fachredakteuren.
Pharmafirmen lassen sich eine Menge einfallen, um schlechte, aber gefällige Studien unters Ärztevolk zu bringen. Natürlich produzieren die Konzerne tonnenweise Werbebroschüren. Aber es wirkt glaubwürdiger, wenn die Botschaft in unabhängigen Fachzeitschriften verbreitet wird.
Nur, dass diese Fachzeitschriften nicht wirklich unabhängig sind. Sie leben von besagten Nachdrucken einzelner Artikel an die Industrie, die sie dann verteilt. Wenn eine Firma einige Hunderttausend Exemplare eines Artikels abnimmt, kann das eine Einnahme von einer Million Euro und mehr für die Zeitschrift bedeuten. Das erläuterte vor Kurzem Richard Horton, Herausgeber des Spitzenblatts „The Lancet” vor einem britischen Parlamentsausschuss.
Dafür erwartet manche Firma schon ein gewisses Entgegenkommen. Als Lancet-Gutachter unlängst Beschönigungen in einem Manuskript monierten, in dem es um eines der nebenwirkungsträchtigen Coxibe-Schmerzmittel ging, rief der Hersteller des Präparats an. „ Hört auf, so kritisch zu sein”, drohte er laut Horton. „Wenn damit nicht Schluss ist, werden wir den Artikel zurückziehen, und die Zeitschrift verdient nichts an Nachdrucken.”
Diesmal war die Firma allerdings an die Falschen geraten. Die Lancet-Redaktion nahm sich die für den strittigen Artikel verantwortlichen Forscher vor und beschwerte sich über die Pharma-Lobbyisten: „Ihr müsst uns diese Kerle vom Hals schaffen, wenn sie so weitermachen, werden wir das Papier ablehnen”. Die Firma gab klein bei, und die Autoren verzichteten auf die Schönfärbereien in dem Artikel. „Das ist nur ein Beispiel”, fügte Horton an, „und kein ungewöhnliches.”
Auch gegen unberechenbare Universitätsforscher haben die Pharmafirmen ein Mittel: Sie schreiben die Artikel gleich selbst. „Standard operating procedure” sei das, versicherte Horton. Damit das Werk den Anstrich der Neutralität bekommt, suchen die Pillendreher einen außenstehenden Fachmann, der seinen Namen zur Verfügung stellt.
Dieses Verfahren praktizierten die Firmen beispielsweise bei den Serotonin-Wiederaufnahmehemmern, die vor Kurzem in die Schlagzeilen gerieten, weil sie offenbar bei depressiven Kindern die Selbstmordgefahr erhöhen. Die meisten Präparate hatten für den Einsatz bei Kindern überhaupt keine Zulassung, trotzdem wurden sie eifrig verschrieben. Nach den Gründen braucht man laut Horton nicht lange zu suchen: „Die Firmen waren sehr geschickt darin, die Fachliteratur mit Artikeln und Kommentaren von Ghostwritern zu versorgen, in denen der Einsatz außerhalb der Zulassung promotet wurde.” Zwar wurden scheinbar nur akademische Überlegungen vorgetragen. „Aber”, so Horton, „das sorgt dafür, dass der verschreibende Arzt denkt: Da ist ja ein Patient im entsprechenden Zustand, vielleicht probiere ich das mal aus.” So sei es zu Millionen von Verschreibungen an Minderjährige gekommen.