Hinter der Schönheit ihrer Blüten steckt ein knallharter Konkurrenzkampf. Orchideen locken Insekten, aber auch Kolibris und Fledermäuse an, damit diese die Gene der Pflanze in die nächste Generation bringen. Nur wenige Orchideen setzen dabei auf das Prinzip des Gemischtwarenladens und locken Insekten verschiedener Arten an. Diese Blüten werden zwar von vielen Tieren besucht, aber die Gefahr ist groß, dass die Pollen nie ihr Ziel erreichen, weil es schlicht zu viele attraktive Blüten auf der Welt gibt und das Insekt vielleicht nie wieder die gleiche Art besucht.
Darum sind die meisten Orchideen Spezialisten. Manche setzen sogar nur auf eine einzige Insektenart und sperren andere aus. Dazu gehört auch die Pflanze mit der längsten Orchideenblüte überhaupt: der Weiße Stern von Madagaskar (Angraecum sesquipedale). Sie hat einen 40 Zentimeter tiefen Sporn. Nur eine einzige Insektenart, ein Nachtfalter mit einer 40 Zentimeter langen Zunge, kann aus diesem tiefen Kelch Nektar schlürfen. Charles Darwin hat die Existenz eines solchen Insekts übrigens bereits in den 1860er Jahren vorausgesagt, als er den Stern von Madagaskar zum ersten Mal sah. 1903 wurde der Schmetterling dann tatsächlich entdeckt – und erhielt den Namen Xanthopan morgani praedicta (lateinisch praedictus = der Vorausgesagte).
Die Anpassung ist auf beiden Seiten beeindruckend. Nicht nur, weil die Formen perfekt aufeinander abgestimmt sein müssen, sondern weil zudem häufig nur ein kleines Zeitfenster für die Befruchtung zur Verfügung steht – viele Insekten haben nur eine kurze Lebensspanne. Daher nutzen die Pflanzen und Tiere die gleichen Umweltreize, nämlich Temperatur oder Tageslänge, um genau zur selben Zeit zu blühen beziehungsweise zu schlüpfen.
Die Folge des Wettbewerbs um die besten Bestäuber: Orchideen sind die artenreichste Pflanzengruppe der Welt. Über 25 000 Arten gibt es, und jede zehnte Blütenpflanzenart ist eine von ihnen.