Wenn ein Saurierexperte, ein Genetiker und ein Hirnforscher gemeinsam über die Evolution streiten und philosophieren, dann bleiben am Ende viele Einsichten hängen, “die mir viel Stoff zum Nachdenken geben”, faßte Reiner Korbmann, Chefredakteur von bild der wissenschaft seine Eindrücke einer Veranstaltung an der Universität München zusammen. bild der wissenschaft hatte mit dem amerikanischen Magazin Science zum Auftakt einer Workshop-Reihe eingeladen: “Dinosaurier und Neandertaler – was wir von der Evolution lernen können”.
Der Vortrag des Paläontologen Prof. Paul Sereno von der Universität Chicago machte zunächst die zeitlichen Dimensionen deutlich, die beim Vergleich der Evolution von Sauriern und Menschen oft vernachlässigt werden. 15 Millionen Jahre hätten die Saurier allein gebraucht, um sich zur dominierenden Tiergruppe auf der Erde zu entwickeln. Die Saurier prägten das Leben dann für beinahe 200 Millionen Jahre. Den Menschen gibt es, selbst wenn man seine Ahnen einbezieht, gerade fünf Millionen Jahre. Die Menschheitsgeschichte könnte also noch am Anfang ihres Anfangs stehen.
Wie diese Geschichte weitergehen wird, ist völlig unvorhersagbar, da waren sich Paul Sereno und der Molekulargenetiker Prof. Svante Pääbo vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Paläontologie in Leipzig, sowie Prof. Ernst Pöppel, Hirnforscher am Humanwissenschaftlichen Zentrum der Universität München, einig.
Ein großer Unterschied seit dem Zeitpunkt vor 65 Millionen Jahren, als ein Komet die Erfolgsgeschichte der Saurier schlagartig beendete und die Entwicklungsgeschichte in neue Bahnen lenkte, ist das Tempo, in dem neue Arten entstehen. Die Vielfalt der Säugetiere nahm viel schneller zu als die der Saurier, und so einen rasanten Entwicklungssprung wie den von den spitzmausartigen Ursäugetieren über die Menschenaffen bis zum heutigen Menschen hat es bei den Sauriern nie gegeben. Nie zuvor setzte sich zudem eine Art so rasch als vorherrschende Lebensform durch wie Homo sapiens.
Die wichtigste Lehre der Evolution sei aber, daß keine Art ewig besteht, sagte Sereno. Offen ist nur ihr Ende: Eine Art kann als toter Ast am Baum der Evolution enden. Der Ast kann aber auch einen Seitenzweig mit ganz neuen Eigenschaften austreiben – so wie von den Dinosauriern nur der Zweig übrigblieb, aus dem einige Zeit vor ihrem Untergang die Ahnen der Vögel gesproßt waren.
Jürgen Nakott